Henning Ahrens’ Roman »Jahre zwischen Hund und Wolf« ist ein stilles Buch über das Älterwerden und die Möglichkeit, sich auch im späten Leben neu zu orientieren. Im Zentrum steht der Comiczeichner Hardy, der in einem Dorf in der Normandie lebt. Nach Jahren des Erfolgs steckt er fest: Seine populäre Serie sichert Anerkennung, blockiert aber seine eigentlichen künstlerischen Ambitionen. Erst das Auffinden einer alten Erkennungsmarke und die Begegnung mit dem Hund Brahma bringen ihn dazu, sein Leben zu überdenken. Neben der Routinearbeit beginnt Hardy ein neues Projekt, das ihm Kreativität und neuen Lebensmut schenkt. Der Titel greift die französische Redewendung »l’heure entre chien et loup« auf – die Stunde der Dämmerung, in der Freund und Feind schwer zu unterscheiden sind. Ahrens nutzt dies als Bild für Hardys Zwischenzeit zwischen Sicherheit und Aufbruch, Gewohntem und Ungewissem. Der Roman erzählt diese Phase mit leiser Ironie und Sympathie für die Zögernden. Die Menschen um Hardy – seine Freundin Aîné, seine Tochter, die Nachbarin Héloïse und selbst der Polizist – begleiten ihn unaufgeregt und bieten Rückhalt. Das Glück der reifen Jahre zeigt sich hier in gegenseitiger Unterstützung und der Bereitschaft, Veränderungen zuzulassen. Héloïse ringt mit der Entscheidung, ihren Hof zu verkaufen. Sie fühlt sich der Tradition und ihrem verstorbenen Ehemann verpflichtet.Nach langem Zögern gelingt es ihr letztendlich, den Hof aufzugeben – ein Schritt hin zu einem neuen, freieren Leben, der Hardys eigenes Ringen zwischen Bindung und Befreiung spiegelt. Mit ruhigem Ton, feiner Beobachtung und eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen entfaltet Ahrens ein vielschichtiges Bild des Lebens im Übergang. Die Normandie, durchzogen von Erinnerungen an D-Day und deutsche Geschichte, wird zur Folie für Fragen nach Verantwortung, Vergänglichkeit und Neubeginn. »Jahre zwischen Hund und Wolf« ist ein Roman der leisen Töne – ein Plädoyer dafür, Wandel als Chance zu begreifen.

Henning Ahrens. Jahre zwischen Hund und Wolf. Stuttgart 2025

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2025.