Geboren und aufgewachsen in Münster, wollte er eigentlich schon als Zwölfjähriger zur See fahren: »Ich bin tatsächlich über den Schiffsmodellbau beziehungsweise die Schifffahrt zur Wissenschaft gekommen. Ich wollte nämlich eigentlich Navigationsoffizier werden – oder sogar Kapitän«, erzählt Klaus Bernhard Staubermann. Am 1. November 2022 hat er als Gründungsdirektor des Deutschen Hafenmuseums seine Tätigkeit im Direktionsteam der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) aufgenommen.

Der Traum von der Seefahrt

Die Seefahrt war ihm durch die Abenteuerbücher seines Vaters vertraut. Dass er sich diesen beruflichen Traum nicht erfüllen konnte, musste er dann vor dem Abitur einsehen: »Ich hatte zu schlechte Augen. Da können Sie sich dann immer noch der Astronomie zuwenden, weil Sie hier ein Fernrohr vorm Auge haben. Zum anderen wusste ich über Navigation auch schon ein bisschen was von den Sternen.« Nach dem Zivildienst in einer Klostergärtnerei, währenddessen er auch viel Zeit zum Nachdenken hatte, beschloss er deshalb, Astronomie zu studieren. »Und wenn man sich mit Astronomie beschäftigt, beschäftigt man sich natürlich auch mit den größeren Fragen des Universums. Also: Was war vor dem Urknall. Oder: Was passiert in einem schwarzen Loch – und gibt es Zeitreisen? Und so bin ich dann noch zur Philosophie gekommen.«

Das Elternhaus spielte natürlich auch eine Rolle hinsichtlich der Studien- und Berufswahl: »Mein Vater ist tatsächlich Logistiker gewesen und war international sehr viel unterwegs. Ich glaube, das hat mich geprägt, was die Internationalität meiner Berufstätigkeit angeht. Meine Mutter war Juwelierin – da habe ich sicher viel mitbekommen, was den Umgang mit Instrumenten und historischen Dingen betrifft: Wie drehe ich eine Schraube? Wie poliere ich Glas? Diese handwerklichen Dinge, die auch in der Astronomie, aber auch später im Museumswesen wichtig sind – der Umgang mit wertvollen Objekten – das war prägend.«

Während eines Studienjahres in Südfrankreich hat sich Staubermann mit Schwarzen Löchern beschäftigt. Damals studierte man sie noch anhand von Fernrohren: »Ein Schwarzes Loch kann man nicht direkt beobachten. Was Sie sehen, ist, dass es andere Materie, z. B. Sterne, drum herum verschlingt. Dabei kommt es auch zu Lichtveränderungen, die man beobachten kann. Das passiert aber in Zeiträumen, die weit über dem liegen, was wir sonst auf der Erde im Labor messen. Das heißt, wir sind auf historische Beobachtungen anderer angewiesen. Dadurch bin ich in die Geschichte gerutscht.« Über die Auswertung von historischen Beobachtungen von Sternwarten in der ganzen Welt landete er in der Welt der Museen, die diese historischen Instrumente und Aufzeichnungen beherbergen.

»Und dann war ich an so einem Scheidepunkt und fragte mich, ob ich an der Uni bleibe oder, was natürlich viel praktischer ist, da ich dort jederzeit einen Zugang zu diesen Instrumenten habe, im Museum arbeite? Und so bin ich dann ins Museum gekommen. Erst mal aus dem Wunsch heraus, immer und unmittelbar Zugang zu den Objekten zu haben, die ich beforsche.«

Klaus Bernhard Staubermanns geografisch-berufliche Stationen waren unter anderem Cambridge, Utrecht, Edinburgh und Bengalaru. »Inzwischen bin ich heimisch in Hamburg, das geht ja ganz schnell, wenn man viel in der Welt unterwegs ist. Aber die längste Zeit, die ich an einem Ort war, war Schottland.« Zwölf Jahre lang war er am Schottischen Nationalmuseum beschäftigt und entwickelte verschiedene Aspekte seiner Museumserfahrungen und seiner wissenschaftlichen Arbeit weiter. Museumsarbeit bedeutet dort vor allem Arbeiten mit Publikum. »Es gibt dort einen Forschungszweig ›Public History‹. Der hinterfragt, wie können Museen einerseits mit dem Wissen ihrer Besucher arbeiten, aber andererseits auch wieder das Wissen an die Besuchenden vermitteln. Das ist ein Forschungszweig, der in Deutschland nicht sonderlich ausgeprägt ist, aber dafür ganz besonders in Indien. Daher habe ich dann in Bengaluru verschiedene Formate ausprobiert.«

Globalisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Diese drei Themen sind Staubermann in seiner Arbeit besonders wichtig: »Ich glaube, man kann heute nichts mehr tun im Museum, ohne dass es nachhaltig ist. Das betrifft nicht nur Klimafragen, sondern auch institutionelle Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit. Das hat viel mit Planung, Organisation und Steuerung zu tun. Das Gleiche gilt für die Digitalisierung. Man kann heute kein Museum mehr machen, ohne digital unterwegs zu sein. Das gilt vor allem für Vermittlungsangebote, aber auch für die Barrierefreiheit.« Trotzdem ist er überzeugt davon, dass das die physische Präsenz von Museen niemals überflüssig macht. Die beiden Formate ergänzen sich. »Auf der einen Seite ist man in der Lage, sich durch digitale Möglichkeiten neue Horizonte zu erschließen – also Besucherhorizonte, Erlebnis- und Erfahrungshorizonte – auf der anderen Seite ist aber darüber hinaus auch der Appetit der Besuchenden auf authentische Objekte wieder gewachsen. Das befruchtet sich wechselseitig.«

Dekolonialisierung ist gerade für den Standort Hamburg als eine Stadt mit einer vielschichtigen kolonialen Vergangenheit ein ebenfalls wichtiges Thema, mit dem es umzugehen gilt: »Was meiner Meinung nach noch stärker entwickelt werden muss, ist der Dialog mit den europäischen Nachbarn, dass man versucht, diese komplexen Fragen gemeinsam anzugehen. Damit habe ich während meiner Tätigkeit in Großbritannien und den Niederlanden sehr gute Erfahrungen gemacht.« Museen haben nach Ansicht von Klaus Bernhard Staubermann eine Bedeutung, die über das rein Kulturelle hinausgeht: »Es sind auch soziale Orte, politische Orte, Orte, an denen sich Menschen zusammenfinden und informieren. Damit ist es auch Aufgabe der Museen, diese Informationen anzubieten, die Menschen aber auch zu ermächtigen. Ich denke ganz praktisch an das Beispiel, das wir in Hamburg vor ein paar Wochen hatten: Ein internationaler Investor möchte sich am Hamburger Hafen beteiligen. Da gibt es eine Debatte, und diese Debatte muss weitergetragen werden, damit sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen können. Das könnte in diesem Falle ein Hafenmuseum leisten. Ein Museum soll auch eine Plattform sein, wo sich Menschen zu bestimmten Themen austauschen können. Museen müssen den Blick nach vorne richten, und die Menschen, mit denen sie in den Austausch gehen, dazu ermächtigen, in der Zukunft informiert Stellung beziehen zu können.«

Ein Direktor ohne Museum?

An seiner neuen Aufgabe reizt es ihn also, etwas zu schaffen, das dem Publikum dient. Wie fühlt sich das an, Direktor eines Museums zu sein, das es noch gar nicht gibt? »Gut«, meint Staubermann: »Zum einen gibt es ja schon den Schuppen 50A als ersten Standort des Deutschen Hafenmuseums. Ein ehemaliges Lagergebäude, in dem wir mit viel ehrenamtlicher Hilfe versuchen, gelebtes Wissen zu präsentieren. Ob das jetzt technisch-handwerkliches Wissen ist oder sozial-kulturelles Wissen – das machen wir durch Führungen, Aktivitäten und Mitmachangebote. Wenn ich aus meinem Fenster schaue, liegt da die Viermastbark PEKING, das ›Leitobjekt‹ des Deutschen Hafenmuseums. In einigen Jahren wird sich die Viermastbark vor dem Neubau des zweiten Standorts auf dem Grasbrook befinden. Also, um Ihre Frage zu beantworten: Es ist schon etwas da, aber es muss natürlich noch weiterentwickelt werden. Für die Sammlung heißt das, dass wir diese dann auch wirklich in das Jetzt und in die Zukunft tragen müssen.«

Das ist auch sein abschließender Wunsch: dass all diese Pläne bald erfolgreich umgesetzt werden, um dann zügig Besucherinnen und Besucher begrüßen zu können.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.