Der 50. Geburtstag der UNESCO-Welterbekonvention wurde am 16. November 2022 weltweit gewürdigt. Überschattet war das Jubiläum vom Krieg Russlands gegen die Ukraine. Während es den Vorsitz im Welterbekomitees innehatte, bombardierte Russland in der Ukraine Menschen und Kulturstätten. Die Grenzen multilateraler Kooperation lassen sich drastischer nicht zeigen.

Kritik am Welterbe geht heute über den Verweis auf die Politisierung von Komitee-Entscheidungen hinaus. Im postkolonialen Diskurs wird der universelle Anspruch der UNESCO und des Welterbe-Projekts infrage gestellt. Universelle Werte seien in einer eurozentrischen Weltanschauung verwurzelt und dienten der Perpetuierung von Asymmetrien im Nord-Süd-Verhältnis.

Die Dresdner Völkerrechtlerin Sabine von Schorlemer plädiert in ihrem jüngsten Buch dafür, die im postkolonialen Diskurs benannten Fehler und auch die Mitverantwortung des Völkerrechts für »die Delegitimierung (…) von im globalen Süden lebenden Individuen und Gemeinschaften« aufzuarbeiten. Eine »Erosion der auf normativer Ebene verwirklichten Erfolge«, zu denen die UNESCO-Welterbekonvention zählt, müsse jedoch abgewendet werden. Vielmehr sei mit Nachdruck und beharrlich auf die weitere Reform und Entwicklung der UNESCO und der Welterbe-Verfahren im Sinne des »postcolonial turn« zu setzen. Das Buch greift eine zentrale Frage unserer Zeit auf: Welche Institutionen und Verfahren stehen uns zur Verfügung, um angesichts der geopolitischen Fragmentierung friedliche Kooperation und globale Gerechtigkeit zu stärken? Ein Verzicht auf universelle Prinzipien und eine Delegitimierung der für sie einstehenden Institutionen ist in Schorlemers Augen der falsche Weg. Die Rezeptionstiefe und Klarheit der Darstellung machen diese Abhandlung zu einem magistralen Werk des internationalen Kulturerberechts.

Sabine von Schorlemer. UNESCO-Weltkulturerbe und postkoloniale Diskurse. Eine völkerrechtliche Betrachtung. Baden-Baden 2022

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2023.