Die SPD-Politikerin Katrin Budde, geboren am 13. April 1965 in Magdeburg, war von 1990 bis 2017 Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt, wo sie 2001/2002 Ministerin für Wirtschaft und Technologie und von 2006 bis 2016 Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion war. 2017 wurde sie in den Deutschen Bundestag gewählt, wo sie seit 2018 Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien ist. Vor kurzem hat sie bekannt gegeben, dass sie für die geplanten Neuwahlen nicht mehr zur Verfügung steht.

Waren ihr Politik und Kultur in die Wiege gelegt? Budde dazu: »Jein, denn wenn man in der DDR geboren ist wie ich, 1965, dann ist man natürlich politisiert gewesen. Aber ganz anders, als man sich das vorstellt, wenn man 1965 in Bremen oder in Tölz geboren wurde. Ich bin in einem sehr repressiven Staat, in einer Diktatur groß geworden. Politisiert hieß, dass man wusste, was man in der Schule zu antworten hatte, dass das aber oft nicht das war, was man dachte. Welches Sandmännchen man guckt, wurde man gefragt – aus gutem Grund. Und dass man als Jugendliche die Grenzen ausgetestet hat, wie weit man sich dagegen auflehnen kann, war auch klar. Ich bin in einer katholischen Familie groß geworden, da war es mir schon in die Wiege gelegt, dass ich kein »besonders staatstreues« Kind wurde.

Haben Kultur, Musik, Kunst eine große Rolle gespielt? »Musik höre ich sehr gerne, habe aber keine Festlegung. Ansonsten singe ich gerne laut, textsicher und völlig falsch, zu mehr reichen meine Talente in der Musik nicht. Aber mein Vater war und ist ein extrem kulturinteressierter Mensch. Er ist das älteste von drei Kindern, 1936 geboren, der Vater im Krieg geblieben. Er konnte natürlich nicht Kunst studieren, das wäre aber für ihn das Richtige gewesen. So wurde er Ingenieur, macht aber immer Kunst nebenbei. Er hat mich schon als kleines Kind in Museen mitgenommen. Und hat mich ermutigt zu sagen, was ich auf dem Bild sehe. Genauso hat er später seine Enkelinnen an die Kunst herangeführt. Ich bin also in einem sehr kulturaffinen Haushalt groß geworden.«

Katrin Budde hat ein Praktikum im Maschinenbau absolviert und ist als Frau Ingenieurin geworden. Katrin Budde: »In der DDR waren 50 Prozent aller Ingenieure Ingenieurinnen, mindestens. Und es gab Bereiche wie der, den ich studiert habe – ein Grundstudium Maschinenbau in Kombination mit Arbeitswissenschaften, Arbeitsgestaltung, Abläufe, Errichtung von Hallen, Ergonomie am Arbeitsplatz, Psychologie –, die sogar sehr weiblich dominiert waren. Wir waren mehr Frauen in unserem Studiengang als Männer. Wir waren ›die strickende AG‹, also Arbeitsgestalterinnen. So wurden wir von manchen Professoren in den Vorlesungen bezeichnet.« So etwas wie Männerberufe gab es nicht: »Es gab auch genauso viele Kranfahrerinnen, wie es Kranfahrer gab.«

In der Woche nach dem 9. Oktober 1989 ist Katrin Budde in die SPD eingetreten, obwohl die Partei noch nicht offiziell erlaubt war: »Also sind wir quasi in eine verbotene Partei eingetreten und wussten auch nicht wirklich, ob die jemals legalisiert wird. Das war rückblickend eine heiße Zeit. Wir sind zu dritt eingetreten, mein Mann, mein Vater und ich. Für uns war die SPD die Partei, mit der wir uns am meisten identifizieren konnten. Sie hat etwas für normale Menschen gemacht, ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingetreten. Für das Frauenwahlrecht. Wir waren uns bewusst, dass, wenn wir wirklich etwas verändern wollen, wir in eine Partei eintreten müssen. Eine Wiedervereinigung war Anfang Oktober noch nicht absehbar.«

Zum Thema Frauen in der Politik stellt Katrin Budde fest: »Es ist wirklich immer schwieriger für eine Frau als für einen Mann. Ich bin eine harte Vertreterin von Quotenregelungen. Dann kommt das Argument: Da werden ja gute Männer ausgegrenzt. Wie kommt ihr eigentlich darauf, dass das alles gute Männer sind, die da in den Positionen sind? Vielleicht verliert ihr auch einfach gute Frauen, weil ihr gar nicht hinguckt. Für mich ist die Quote ein Instrument. Und jeder Mann würde ein solches Instrument nutzen, wenn er damit weiterkommen würde. Warum sollen wir Frauen das nicht nutzen?« Aber trotz der Quote, die es ja in vielen Bereichen gibt, habe sich der Osten dem Westen angepasst. Frauen übten wieder spezifischere Berufe aus, ganz abgesehen vom Retrotrend der AfD-Anhängerinnen. »Ich habe immer gesagt, das Wichtigste ist, dass die Menschen Arbeit haben, in einer gut funktionierenden Wirtschaft. Ein gutes Einkommen durch Arbeit, damit man selbstbestimmt leben kann. Auch und vor allem Frauen. Man hat dann auch einen Platz in der Gesellschaft, Anerkennung. Man kann selbstbestimmt entscheiden, was man mit seinem Leben macht, mit der Familie.«

Zur Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag wurde Katrin Budde Anfang 2018 gewählt. Schon in den zehn Jahre als SPD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt war ihr auch die Kulturpolitik wichtig, »weil ich da einfach Spaß dran habe und Kultur wichtig ist für die Gesellschaft. Im Bundestag bin ich dann ganz von der Wirtschaftspolitik zur Kulturpolitik gewechselt und empfand es als Chance: Mach das, was du ansonsten aus Leidenschaft, Hobby und Interesse gemacht hast, zu einem beruflichen Neuanfang.« Ihre Arbeit empfindet sie als extrem spannend: »Die meisten Menschen denken wahrscheinlich, Kulturpolitik, das ist doch viel einfacher als Wirtschaftspolitik. Weit gefehlt. Ich kann nach den acht Jahren nur sagen, Kulturpolitik ist wesentlich schwieriger, wesentlich komplexer als Wirtschaftspolitik. Das fängt an bei der sozialen Absicherung von Kulturschaffenden, bei der Unterschiedlichkeit der Arbeitsverhältnisse. Da wird zum Teil noch nach Tagelöhner-Gesetzen entlohnt. Auf der einen Seite die Stars, in der Mitte Festangestellte in kommunalen und Landeskultureinrichtungen, auf der anderen Seite die freien Festen bis hin zu den ganz Freien – ein wirklich weites Feld. Wenn man da helfen und gestalten, Fairness reinbringen will, das ist schon ein Lebenswerk. Einiges haben wir geschafft, vieles nicht. Die Welten der Kultur und der Normalarbeitsverhältnisse sind so unterschiedlich, dass sie in unserem Sozialsystem schwer abbildbar sind.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Urheberrecht: Jetzt wo wir im Ansatz mit den Streamingdiensten Lösungen finden, kommt KI dazu. Das ist ein Dauerbrenner, viel komplizierter als jede Wirtschaftsansiedlung, aber existenziell.«

Der Kultur ein stärkeres Fundament und Gewicht zu geben, das sieht Katrin Budde als Aufgabe der Zukunft: »Die Freiheit von Kunst, Kultur und Medien ist ja im Grundgesetz gesichert. Aber wichtig ist die Bedeutung zu stärken, indem man Kultur zur Pflichtaufgabe der Gesellschaft macht. Leider haben wir es nicht geschafft, das ins Grundgesetz zu schreiben, weil es einfach keine Zweidrittelmehrheit dafür gibt. Für mich absolut unverständlich, dass man das nicht hinkriegt.«

Katrin Budde hat ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Die Gründe sind vielfältig: »Ich bin seit dem 9. Oktober 1989 auf der Überholspur: dann ab 1990 im Landtag, 27 Jahre, und nie Normalzeiten, immer Krisenzeiten. Ich habe ja nie in normalen Zeiten Politik gemacht, auch persönlich ging es immer hoch und runter. Solche Dinge wie die verlorene Spitzenkandidatur 2016: Wie geht die Partei nachher mit dir um, auch Menschen, denen du immer geholfen hast, das lässt dich nicht kalt. Da kriegt man Narben, du weißt, dass sowas passieren wird, aber wenn es da ist, ist es hart. 35 Jahre 50 bis 60 Stunden pro Woche. Ich habe z. B. im Juli 1996 unsere Zwillinge entbunden und ab September wieder voll gearbeitet.«

Katrin Budde stellt sich für die Zukunft ein selbstbestimmteres Leben vor. Ehrenamtlich wird sie weiterhin tätig sein. »Vorsitz des Kulturausschusses ist wirklich kein Elend. Man kriegt ganz viele Einladungen zu tollen Kultur-Events. Viele fragen: Und das willst du aufgeben? Klar, ich kaufe mir die Karten, suche mir aus, wo ich hingehen will. Neu habe ich zum Beispiel den Vorsitz des Freundeskreises Bauhaus Dessau übernommen. Ich bin im Theaterförderverein, im Museumsförderverein, im Puppentheaterförderverein, überall als zahlendes Mitglied. Die Vereine und ich auch freuen sich darauf, dass ich mich jetzt mehr engagieren kann. Es gibt mehr als genug Anfragen. Dann sage ich, gemach, gemach. Ich gucke erst mal, wie viel ich machen möchte. Es soll auch Zeit für Familie und Freunde und mich selbst überbleiben. Ich glaube, es wird nicht langweilig.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.