Zehn Jahre nach seinem Tod gibt es für Freunde der Literatur von Siegfried Lenz noch einmal einen Grund zur Freude: »Dringende Durchsage« vereint 34 vorwiegend frühe Erzählungen des in Masuren geborenen Wahl-Hamburgers, davon 23 bisher ungedruckte und weitere 11, die in den Gesamtausgaben fehlen. 1948 begann Lenz, als Redakteur für die Tageszeitung »Die Welt« zu schreiben. Er bereitete seinen ersten Roman vor und schrieb parallel dazu diverse Erzählungen: teils, um sich als Autor auszuprobieren, teils um mit für die Zeitung verfassten Beiträgen etwas Geld hinzuzuverdienen. Der Sammelband »Dringende Durchsage« vereint kurze, auch skurrile oder experimentelle Texte mit solchen Geschichten, die bereits von der Lust am Erzählen, auch vom immer wieder durchscheinenden Humor des Autors zeugen. Durchaus auch politische Texte finden sich, in denen er sich mit der Rückkehr von Kriegsheimkehrern, mit dem »Vergessen« der unfassbaren Verbrechen des Krieges oder mit den Auswirkungen des beginnenden Wirtschaftswunders befasst. Die letzten Texte stammen aus späteren Episoden; sie wurden zu besonderen Anlässen geschrieben. »Wie Radikalität entsteht« war ein Beitrag zum 70. Geburtstag von Helmut Schmidt und zeigt, dass auch Ende der 1980er Jahre eine Art »letzte Generation« für ihre Umwelt kämpfte und wie einer als Gewalt empfundenen Umweltverschmutzung mit Gegengewalt begegnet wird und der Konflikt eskaliert. Und Freunde von »Suleyken« finden in Chlopitzken ein Äquivalent. Liebhaber von Siegfried Lenz werden vielleicht nicht alle Geschichten gleichermaßen mögen, in diesem Band aber bereits viel von »ihrem« Lenz wiederfinden – und ihre Freude daran haben.
Siegfried Lenz. Dringende Durchsage. Hamburg 2024