Vergangenen Herbst gab die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters bekannt, 2025 nicht erneut für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Künftig wolle sie ihre »Fähigkeiten wieder zum Wohle von Kultur und Wissenschaft wirksam werden lassen– auch ohne ein politisches Mandat«, so ihr Statement. Im Gespräch mit Politik & Kultur konkretisiert sie jetzt ihre Pläne: »Mir geht es weniger darum, dass ich im Alter von 63 noch hauptamtliche operative Tätigkeiten suche, sondern es geht mir um die Kultur. Ich möchte etwas tun, wo ich mein Wissen und meine Erfahrungen noch einmal nützlich einbringen kann für die Kultur, denn ich sehe, dass sie unter Druck geraten ist.« In einem FAZ-Artikel vom 13. Februar schreibt Grütters dazu: »Angesichts radikaler gesellschaftlicher Tendenzen und vermehrter Übergriffe aus dem rechtsextremen politischen Milieu, angesichts laut vernehmlicher völkisch-nationalistischer Töne bin ich mehr denn je eine Verfechterin des Staatsziels Kultur im Grundgesetz. Dort sollte es heißen ›Der Staat schützt und fördert die Kultur‹«.

In den acht Jahren als Bundeskulturstaatsministerin von 2013 bis 2021 verfolgte Monika Grütters eine werteorientiert ausgerichtete Politik. Die überzeugte Christdemokratin brachte von Anfang an einen sozial-ethischen Kompass in die Kulturpolitik ein. »Kultur und Kirche oder Glauben suchen beide nach Antworten auf letzte Fragen«, sagt sie. »Da geht es nicht nur um das vordergründige Verwalten der uns anvertrauten Einrichtungen, sondern darum, etwas Grundsätzliches wie gesellschaftliche und mitmenschliche Zusammenhänge auch erfahrbar zu machen.«

Dass Themen wie der Kunstfund bei Cornelius Gurlitt und NS-Raubkunst, die Debatte um das Freiheits- und Einheitsdenkmal, die Restitutionsdebatte, Querelen um die Volksbühne und der umstrittene Auftritt von Feine Sahne Fischfilet im Bauhaus Dessau mehr öffentliche, manchmal kontroverse Wahrnehmung erfuhren, als dies bei Kulturthemen sonst der Fall ist, hat sicher auch mit Monika Grütters couragierter Haltung zu tun. Unangenehmes unter den Tisch zu kehren, das ist nicht ihr Ding.

Zwischen 2020 und 2021 bedrohte die Coronapandemie die Kulturszene existenziell. Grütters letzte zwei Jahre im Amt liefen daher absolut unvorhergesehen ab: Keine Berlinale mehr im klassischen Stil. Keine Gala im Jüdischen Museum, wo sie üblicherweise Preise für Toleranz und Verständigung vergeben hatte. Keine Wagner-Festspiele. Doch die Ex-Kulturstaatsministerin ist überzeugt, dass die Erfahrungen mit Corona und wie darauf reagiert wurde, zu den größten Leistungen ihrer Behörde gehören. »Es ist gelungen, im Kabinett ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass Kultur nicht nur ein kleines Nebenbei-Ressort ist, sondern dass sie so etwas wie das Nervengeflecht unserer Gesellschaft ist. Da hat mir natürlich Angela Merkel geholfen, die kulturaffin ist, mir den Rücken gestärkt und sich in den acht Jahren nicht ein einziges Mal in meine Arbeit eingemischt hat.«

Und noch eine Lehre zieht sie aus den Pandemieerfahrungen: »Auf die Auswirkungen der Pandemie auf den Kulturbereich reagierte unsere Behörde mit spezifischen Antworten, nämlich weg von der Aufsicht hin zu einer kooperativen Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft. Nur gemeinsam konnten Politik und Fachverbände diesen Kraftakt stemmen. Wir haben sehr spontan erst eine Milliarde, dann noch eine zweite Milliarde in die notleidende Szene, vor allem an die vielen freien und soloselbständigen Künstler, bringen müssen. Das ging nur, indem wir am Ende 40 Verbände – darunter der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Initiative Musik, der Deutsche Musikrat, der Bühnenverein für die vielen freien Theater, der Bundesverband der Galeristen und natürlich der Deutsche Kulturrat als Dachverband – systematisch abfragten, wo die konkreten Notlagen sind und wie wir verantwortungsbewusst das Geld und die Hilfen verteilt bekommen. Wir haben schlussendlich knapp 420.000 Anträge bearbeitet. Das war in aller Not eine so beglückende Gemeinschaftserfahrung, dass wir daraus die Empfehlung abgeleitet haben, diese systematische, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Zivilgesellschaft und Verantwortungsübernahme als Stilprinzip weiterzuentwickeln.«

Dass es Grütters gelungen ist, der Kultur mehr Gewicht und Gesicht zu geben, hängt auch damit zusammen, dass sie als Profi ins Amt kam. In den 1980er Jahren studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Politologie mit dem Abschluss Magister in Münster und Bonn. Die Gelegenheit, von Bonn nach Berlin zu kommen, ergab sich Ende der 1980er Jahre: Sie packte ihren Opel Corsa bis oben hin voll mit den Sachen aus dem Studentenwohnheim und fuhr nach Berlin, ohne dort einen Menschen zu kennen. »In Bonn hatte ich immerhin schon vier Jahre an der Oper Bonn in der Dramaturgie gearbeitet und hätte da bleiben können. Aber ich dachte, ich muss noch einmal einen Schnitt in meinem Leben machen, und es musste natürlich Berlin sein. Die große Kulturstadt war auch ein Sehnsuchtsort.«

Ihre erste Stelle war eine Mutterschaftsvertretung im Berliner Technikmuseum, ihr erstes Projekt die Mitarbeit bei der Restaurierung der Quadriga vom Brandenburger Tor. Ein Projekt, das im Nachgang symbolisch für die enge Verbindung von Politik und Kultur steht, die Grütters Laufbahn prägen sollte. Damals suchte der Wissenschaftssenator im ersten gemeinsamen Ost-West-Berliner Senat eine Pressesprecherin. »Ich habe ich mich ziemlich frech beworben, und er hat mich dann tatsächlich genommen. Das war meine erste Aufgabe im Politikmilieu.« Am Ende der Legislaturperiode kam eine Anfrage der Berliner CDU, ob sie nicht auf die andere Seite ins Abgeordnetenhaus von Berlin wechseln wolle. »Ich habe es nicht darauf angelegt, aber als ich dann gefragt wurde, fand ich das natürlich spannend, und seitdem bin ich Parlamentarierin.«

16 Jahre, von 1998 bis 2013, war Grütters parallel zu ihrer parlamentarischen Arbeit Sprecherin des Vorstands der Stiftung »Brandenburger Tor« der damaligen Bankgesellschaft Berlin AG, die im Liebermann-Haus am Pariser Platz im Herzen Berlins vor allen Dingen Ausstellungen zur Kunst aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts verantwortete. Dadurch war sie auch in der Praxis mit Fragen der Restitution und mit der schwierigen Epoche, dem 20. Jahrhundert, intensiv vertraut. Von 1995 bis 2005 war Grütters Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin, stellvertretende Vorsitzende, kultur- und wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion sowie Ausschussvorsitzende Kultur und Medien. Dieselbe Funktion übernahm sie dann im Deutschen Bundestag, dem sie seit 2005 angehörte.

Ursprünglich wollte Monika Grütters gar nicht in die Politik: Ihr Ehrgeiz war es, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, einem Facharzt für Allgemeinmedizin in Münster. Trotz einer Abiturnote im Einserbereich am Bischöflichen Mädchengymnasium Marienschule Münster 1981 und fünf Bewerbungen im Losverfahren scheiterte sie – wie so viele damals in den 80ern – am Numerus clausus. Ihre Eltern ermutigten sie, bei dem zu bleiben, was offensichtlich schon der Schülerin eine Leidenschaft war, nämlich bei Literatur und Kunst.

Und dann gibt es noch Jean Paul! Mit dessen Werk war sie bereits an der Universität Münster durch einen wissenschaftlichen Oberrat infiziert worden. Als die junge Germanistin von Münster nach Bonn wechselte, studierte sie bei Kurt Wölfel, der damals das Jean Paul-Jahrbuch herausgab. In ihrer germanistischen Magisterarbeit untersuchte sie die »Idyllen« Jean Pauls, die dieser selbst als »Darstellung des Vollglücks in der Beschränkung« bezeichnete. Wenn Monika Grütters einmal im Jahr mit der Berliner Politikprominenz zu den Wagner-Festspielen auf den Grünen Hügel wallfahrtet, dann hat sie insgeheim noch eine andere Agenda: Sie besucht, wenn möglich, die Rollwenzelei in der Königsallee in Bayreuth, den langjährigen Wohnort Jean Pauls. »Jean Pauls Aphorismen und die Erkenntnisse, die darin stecken, sind von tiefer Menschlichkeit erfüllt. Das ist ein Autor, der mir ans Herz gewachsen ist. Bei ihm bin ich bis heute geblieben.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.