Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Und wenn es noch keine Worte im heutigen Sinne gibt, ja dann sind Felsbilder und Felsritzungen, sogenannte Petroglyphen, einzigartige Übermittler menschlicher Botschaften. Doch welcher? Die Autoren, beide Asienwissenschaftler und Ethnologen, nehmen uns mit auf eine faszinierende Reise durch Hochgebirge und Steppen der Mongolei, Kasachstan, Usbekistan und Kirgisistan; fast menschenleere Regionen, die den meisten kaum bekannt sein dürften. Der Leser erfährt, was in Felsen geritzte Botschaften aus fünf Jahrtausenden, etwa ein betagter bärtiger Mann mit einem Kelch vor dem Nabel oder Menschen, deren Köpfe von einem Strahlenkranz umgeben sind, Masken oder Hand- und Fußabdrücke, alle in Stein gehauen, bedeuten könnten. Rätsel geben auch zahlreiche überlebensgroße Steinstatuen und sogenannte Hirschsteine auf. Bei einigen der Felsstationen dürfte es sich um heilige Orte mit längst vergangenen Glaubensvorstellungen handeln. Einer so ganz anderen Welt, die nicht leicht zu erschließen ist ohne jegliche schriftliche Äußerungen. Religiöse Aspekte dürften bei ihrer Interpretation jedenfalls eine besondere Rolle spielen, etwa Sonnenkulte; als rein künstlerische Äußerungen im heutigen Sinne sind sie wohl nicht zu betrachten. Die meist farbigen großformatigen Fotografien von Johannes Reckel und seinen ausgedehnten Forschungsexpeditionen durch Zentralasien regen dazu an, diese Botschaften – die meisten davon stammen aus der Bronze- und Eisenzeit von ca. 2.400 v. Chr. bis 550 n. Chr. – zu entschlüsseln; die ergänzenden Erläuterungen geben dazu Anregungen und bieten Versuche ihrer Deutung an. Fazit: absolut empfehlenswert und eine beeindruckende Bilderreise durch fünf Jahrtausende aus Regionen, die den meisten absolut fremd sein dürften.

Johannes Reckel und Merle Schatz. Fliegende Hirsche und Sonnengötter.Prähistorische Gesellschaften in Felsbildern Zentralasiens. Oppenheim 2022

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2023.