Latein ist seit Jahrtausenden höchst lebendig, etwa im Vatikan oder in der Wissenschaft, wo sie gar Weltsprache ist; man denke nur an die Nomenklaturen. Und Europa ist auf die Klassische Philologie gegründet. Die Autoren dieses Buches plädieren in krisenhaften Zeiten überzeugend für eine Rückbesinnung auf die Fundamente Europas und eine Neubewertung ihrer Identität. Der Leserschaft begegnen in 13 Aufsätzen nicht nur griechische und römische Antike und Kultur; auch Christentum, Mittelalter, Humanismus und der Beginn der Moderne werden anschaulich diskutiert. Dabei wird deutlich, dass es in allen Zeiten als Kontinuum eine Antikenrezeption gegeben hat, bis in unsere Tage. Analysiert werden europäische Ansätze aus der Antike: Ideen des griechischen Philosophen Platon, des Kirchenvaters und Rhetoriklehrers Laktanz oder des Dichters Marcus Valerius Martialis. Unserer gegenwärtigen Bildung widmen sich Beiträge zur Fachdidaktik der Alten Sprachen und ihrer Bedeutung in unseren Schulen mit Ansätzen neuer Leitlinien für die Vermittlung. Oft wird der Latein- und Altgriechisch-Unterricht in Schule und Hochschule von einigen Entscheidungsträgern als zu vernachlässigendes Fach betrachtet, ist gar von Kürzungen akut bedroht (ganz aktuell an der Goethe-Universität Frankfurt am Main).
Diese Publikation liefert viele hilfreiche Argumente für die Relevanz dieser Fächer für eine breite Öffentlichkeit und für die Relevanz eines lebendigen Diskurses über Europa, das uns lange Zeit Frieden, Wohlstand sowie intensiven Austausch und Begegnungen gebracht hat. Es ist gleichsam auch ein Appell an die Klassische Philologie, sich noch mehr einzubringen in aktuelle öffentliche Diskurse, etwa Wertedebatten, Identifikation oder die Zukunft Europas. Die Lektüre wäre mit einer Bebilderung, etwa antiken Schriftdokumenten und archäologischem Fundmaterial, noch anschaulicher geworden. Sie sei vor allem allen denen wärmstens empfohlen, die ein überwiegend negatives Bild von Europa besitzen und etwas mehr zu den Ursprüngen erfahren möchten.
Stefan Freund und Nina Mindt (Hg.). Antike Konzepte für ein modernes Europa. Die Klassische Philologie und die Zukunft eines Jahrhundertprojekts. Wuppertal 2020