Unsere Menschheitsgeschichte steckt voller Zerstörungen von Kulturgütern: Identitäten werden so auf perfide Weise ausgelöscht, und dies mit politischen, ideologischen und ökonomischen Zielen sowie der Absicht einer Bereicherung und Vermögensumverteilung. Der Archäologe Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, unternimmt – angeregt durch die Zerstörung Palmyras im Jahr 2015 – kenntnisreich und detailliert eine kulturhistorische Reise zu Kulturzerstörungen weltweit. Erstmalig werden an Fallbeispielen aus der altorientalischen Geschichte bis in jüngste Zeit Ursachen und Wirkungen dieser Schandtaten analysiert: Aus der Antike etwa die Zerstörung von antiken Kaiserporträts (damnatio memoriae), die Plünderung von Tempelschätzen oder die Verdammnis historischer Figuren wie Echnaton oder später Stalin.  

Aus jüngster Zeit wird die Zerstörung der monumentalen Buddhastatuen im afghanischen Bamiyan durch die Taliban, die Sprengungen antiker Ruinen in der Oasenstadt Palmyra (Syrien) durch die Terrormiliz des sog. Islamischen Staats (»performativer Ikonoklasmus«) sowie die brutale Zerstörung von Monumentalstatuen mit Vorschlaghämmern im Archäologischen Museum in Mossul (Irak) thematisiert.  

Und die Medien übermittelten dazu, häufig in Echtzeit, verstörende und schockierende Bilder. Aus der Neuen Welt werden etwa Kulturzerstörungen der spanischen Konquistadoren bei den Inka und Mayas behandelt, von Parzinger zu Recht als »Kulturellen Ikonoklasmus genozidalen Ausmaßes« bezeichnet. In jüngster Zeit nimmt der europäische Kolonialismus und seine Folgen im gesellschaftlichen Diskurs eine besondere Rolle ein; als ein Beispiel werden die weltbekannten Benin-Bronzen als koloniales Raubgut und deren bevorstehende Rückgabe an Nigeria behandelt. Als einmaliger Zivilisationsbruch steht die Ideologie der Nationalsozialisten. Die sogenannte »entartete Kunst« und die Auslöschung der Klassischen Moderne (»rassischer Ikonoklasmus«), der Verkauf beschlagnahmter Kunstwerke, um damit die Kriegskasse auffüllen zu können, stellen in der Geschichte einen Kulturbruch ohnegleichen dar. Alle diese Zerstörungen machen deutlich, welche Bedeutung und Symbolgehalt die Kultur besitzt. Die Lektüre stellen bewegende und erschütternde, ja barbarische Kapitel unseres kollektiven Gedächtnisses dar; zugleich ein eindringliches Plädoyer für den Erhalt unseres kulturellen Erbes. Prädikat: Sehr empfehlenswert!  

Hermann Parzinger. Verdammt und vernichtet. Kulturzerstörungen vom Alten Orient bis zur Gegenwart. München 2021 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2021.