„Wenn man sich als Jude also nicht mehr in allen Teilen Deutschlands frei bewegen kann, dann ist unsere wehrhafte Demokratie das Wort nicht mehr wert.« Michel Friedman zeigt auf verschiedenen Ebenen die Dimensionen des Antisemitismus in Deutschland und den Einschnitt in das Leben von Jüdinnen und Juden durch das Massaker der Hamas auf, der durch die fehlende Solidarität in der Breite der Gesellschaft nur verstärkt wird: »Die Angriffe kommen von Rechtsextremen, von Linksextremen, von muslimischen Antisemiten.« In einzelnen Briefen wendet sich Friedman unter anderem an die Christen, an einen Antisemiten sowie an seine Söhne. So erhält die ernüchternde Bestandsaufnahme der Lage von Jüdinnen und Juden in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023 mit Forderungen an Politik und Gesellschaft durchweg eine sehr persönliche Note, denn angegriffen wird der Autor selbst. Dieser entgegnet dem mit konfrontativer Argumentation: »Wenn man versucht, die Taten der Israelis mit denen der Deutschen in der Nazizeit zu vergleichen, dann hat man entweder nichts aus der Geschichte gelernt, oder man will die Geschichte so verdrehen, dass man sich als Deutscher entlastet fühlt.«
Im Oktober 2024 müssen wir feststellen, dass die Situation für Jüdinnen und Juden in Deutschland unakzeptabel dramatisch bleibt. Hier werden alle aufgefordert zu reflektieren, wie es dazu kommen konnte, und sich mit Michel Friedman die Frage zu stellen, »was für jüdisches Leben bedrohlicher ist: die Gewalt der wenigen? Oder die Gleichgültigkeit der vielen?«
Michel Friedman. Judenhass. 7. Oktober 2023. Berlin/München 2024