»Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt«, so die 2021 veröffentlichte Single des Rappers Danger Dan. Der kleine, aber fein zu lesende Vortragsband, herausgegeben vom Architekturhistoriker und Hochschullehrer Winfried Nerdinger, thematisiert diese seit der Aufklärung geltende Maxime, die in den letzten Jahren zunehmend höchst ideologisch und kontrovers diskutiert wird.
Ausgangspunkt des Bandes waren die heftigen Diskussionen über die documenta 15 und über Cancel Culture. Zu den bekanntesten Vortragenden zählen der Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der Schriftsteller Matthias Politycki und der Hörbuchsprecher und Schriftsteller Gert Heidenreich. Das medial so omnipräsente Streitthema wird analysiert: aus historischer, philosophischer, künstlerischer (vor allem Theater und Literatur), juristischer und aus der Perspektive der »Cancel Culture« und »Political Correctness« (Julian Nida-Rümelin), die einer neuen Form von Zensur und Selbstzensur nahekommt und bisweilen geradezu absurd erscheint.
Ist die meist sich als unkonventionell verstehende Kunst »von Natur aus frei?« (Heinrich Böll). Und wie verhält es sich bei öffentlich finanzierter Kunst und Kultur? Gelten hier andere Maßstäbe? Und welchen Stellenwert nehmen Moral und Religion ein? Fragen über Fragen, auf die hier Meinungen zur Diskussion gestellt werden.
Aufschlussreich sind die Aspekte, dass Kunst und Kultur auch von Macht und Geldflüssen geprägt wurden und werden, von ihren Auftrags- und Finanzgebern; und dass unterschieden werden muss zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit (Vortrag des Juristen Stefan Korioth). Die Kunstfreiheit kann als eine »deutsche Ideologie« betrachtet werden; so der Beitrag des Historikers und Kulturwissenschaftlers Peter Jelavich.
Fazit: Darf Kunst alles? Im Prinzip ja, aber … Der empfehlenswerte Band liefert für die ausufernden Diskussionen die Fakten, die für alle Beteiligten vor allem durch Gesetze vorgegeben sind: allen voran unser Grundgesetz!
Winfried Nerdinger (Hg.). Grenzen der Kunstfreiheit? Eine Vortragsreihe der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Göttingen 2024