Die transatlantischen Beziehungen stehen auf dem Prüfstand. Der Ausgang der Wahlen im Herbst 2024 in den USA ist ungewiss, Kriege und Konflikte in der Welt verengen Themen und Diversität, Kampagnen und Ressentiments begünstigen das Erstarken populistischer oder extremer Auffassungen, mangelnde Diskursfähigkeit fördert Klischeedenken und Polarisierung, Austauschprogramme schwächeln. 

Aber Zusammenleben bedarf immer wieder neuer Anstrengungen und Begegnungen, um auf veränderte Bedingungen offen und verlässlich zu reagieren. Nur die Beziehungen von Regierungen oder das Aushandeln von Deals schaffen nicht genügend Solidarität; unser Zusammenleben ist eine kulturelle Leistung. Deshalb gilt es, Beziehungen zwischen den Gesellschaften zu pflegen. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, einen Blick zurückzuwerfen auf eine Einrichtung in New York, die für die »goldene Zeit« der deutsch-amerikanischen Beziehungen der Nachkriegszeit steht, und nach der heutigen Bedeutung zu fragen.  

Direkt gegenüber dem Metropolitan Museum in New Yorks Fifth Avenue steht zwischen den in den Himmel ragenden Hochhäusern ein sechsgeschossiges Gebäude im eleganten Beaux-Arts-Stil. Das Haus 1014 galt über 50 Jahre als der reale und symbolische Ort deutsch-amerikanischer Beziehungen, beginnend mit dem Jahr 1960, als es von der Bundesrepublik Deutschland erworben wurde. Hier wurde deutsch-amerikanische Nachkriegsgeschichte geschrieben. Literatur, Film, Theater und Kunst wurden durch Ausstellungen, Diskussionen und Vorträge vermittelt. Es wurde Treffpunkt von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft: Hannah Arendt, Günter Grass, Uwe Johnson, Jürgen Habermas, Hans Magnus Enzensberger, Wim Wenders, Rainer Maria Fassbinder, Andy Warhol, Susan Sontag, Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Frank-Walter Steinmeier, Henry Kissinger usw. Gemeinsam mit den Nachbarinstitutionen Metropolitan Museum, National Academy of Design, Guggenheim Museum, Jewish Museum, International Center of Photography kam es zu eindrucksvollen Festivalaktivitäten. Zunächst war es eine amerikanische Non-Profit-Organisation, später bis 2009 Goethe-Institut. Es war eine große Chance für den Neuanfang der Beziehungen zwischen den USA und dem neuen demokratischen Deutschland. 

Mit der 2009 notwendig gewordenen Sanierung der Stadtvilla begannen vielfältige, zum Teil widersprüchliche Überlegungen zur künftigen Verwendung – Verkauf, Gästehaus des Auswärtigen Amtes, German Academy nach dem Muster der American Academy usw. Alles war im Gespräch. Das Haus blieb geschlossen und verschwand allmählich aus dem öffentlichen Bewusstsein.  

Doch die Wirkung und Erinnerung an ein halbes Jahrhundert gelebter Gemeinsamkeiten waren stärker als die wechselnden Gedankenspiele. 2016 sprach sich der Deutsche Bundestag für eine Neubelebung der deutsch-amerikanischen Beziehungen an diesem symbolträchtigen Ort aus und stellte die entsprechenden Gelder für die Sanierung des Gebäudes und die Einrichtung einer entsprechenden Organisation bereit. 2017 begann die Arbeit als unabhängige gemeinnützige Organisation nach amerikanischem Recht, zunächst unter der Bezeichnung »German Academy New York«, ab 2019 mit dem Namen »Tenfourteen – Space for Ideas«.  

Ein entscheidender Meilenstein wurde 2021 erreicht. David Chipperfield war Gewinner des Architektenwettbewerbs zum Komplettumbau des Gebäudes. Die Planungsarbeiten schreiten inzwischen zügig voran. 2025 ist mit dem Baubeginn zu rechnen, mit dem Bauabschluss voraussichtlich 18 Monate später. Es wird ein offenes Haus werden, das öffentliche Räume, Residenzräume und Arbeitsräume verbindet. 

Die Zeit bis zum Baubeginn wird schon jetzt intensiv für die Programmarbeit in der Stadtvilla genutzt. Das war eine kluge und wirkungsvolle Idee. Das kleine Team schafft auf diese Weise bereits vor der offiziellen Eröffnung im sanierten Haus Partnerschaften und eine aktive Community, es vermittelt die Ziele und die Programmarbeit durch Aktivitäten, die als Kostproben Appetit auf Kommendes machen. Jährlich sind über 2.500 Besucher zu Gast im Haus, über 1.600 Personen nehmen an virtuellen Veranstaltungen teil, knapp 80.000 Website-Besuche werden gezählt sowie 1.350 Views der Videoaufzeichnungen. Schon jetzt zeigt das Haus seinen Charme, er wird erst recht zur Wirkung kommen, wenn es nach den Plänen von Chipperfield fertiggestellt sein wird. Hier entsteht neben den Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen ein ambitioniertes Residenzprogramm mit sechs Apartments, das die Möglichkeit bietet, internationale Fellows aus ganz unterschiedlichen Disziplinen in New York zusammenzubringen und damit zu den aktuellen gesellschaftlichen Themen in Politik, Kultur und Wissenschaft Antworten zu finden. 

Die Präsenzveranstaltungen werden 2024 fortgesetzt, zusätzlich auch per Video aufgezeichnet und im Netz angeboten. Veranstaltungen zu den Themen Künstliche Intelligenz, nachhaltige Produktgestaltung und Design, Künstler, Musiker und Komponisten im Exil, Bedeutung des Sports für die Gesellschaften werden ergänzt durch Ausstellungen und aus gegebenem Anlass immer wieder durch transatlantische Gespräche zur Frage der Bedeutung der Demokratie für unsere Gesellschaften. Flankierend unterstützen die in der Nachbarschaft liegenden Museen den Blick auf Deutschlands Kunst. So wird das Metropolitan Museum, gegenüber von 1014, die erste große Ausstellung des Romantikers Caspar David Friedrich von Februar bis Mai 2025 zeigen und das Museum of Modern Art (MoMa) ehrt schon jetzt die deutsche Künstlerin Käthe Kollwitz mit einer großen Ausstellung. Es wird nicht nur ein interessantes Programm geboten, sondern es kann sich ein Bewusstsein für Diskurs und Kooperation etablieren. 

Dabei versteht sich die Institution 1014 nicht als ein »Schaufenster nach Deutschland«, sondern vielmehr als Raum für den Austausch und das gemeinsame Lernen, als Plattform für das Zusammentreffen von interessanten Akteuren aus Europa und den USA. Die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft – so die Hoffnung – lässt sich am nachhaltigsten über den Aufbau von Beziehungen stärken. Diese internationale Vernetzung von Menschen und Organisationen wird zukünftig in viel größerem Rahmen stattfinden können, wenn der Umbau abgeschlossen ist. Diese positiven Effekte werden eine Langzeitwirkung auslösen. 

Mit der Einrichtung in New York bekommt der transatlantische Dialog einen zweiten herausragenden Knotenpunkt. Bereits arbeitsfähig ist das Thomas Mann House als Residenzhaus und Debattenort in Los Angeles, 2016 von der Bundesrepublik Deutschland erworben und nach der Sanierung 2018 eröffnet. Es ist das ehemalige Domizil von Thomas Mann in seiner Exilzeit von 1942 bis 1952. Mit einem Fellowship-Programm werden jährlich rund zehn Stipendiaten ausgewählt, die sich mit grundlegenden Fragen unserer Zeit aus Kultur und Wissenschaft beschäftigen, im Austausch untereinander und mit dem Gastland. 

Solche Orte zum Austausch von Ideen, Orte für kulturelle und soziale Intelligenz, Orte der Aufklärung können Ankerpunkte sein und Menschen zusammenbringen, um gesellschaftliche Konflikte durch unabhängige Selbstverständigung und Selbstvergewisserung zu überwinden.  

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2024.