Auf den Gängen im Hotel Bayerischer Hof herrscht Unruhe. Grüppchen stehen zusammen und diskutieren heftig. Immer wieder kreuzen Prominente den Weg. Es ist eigentlich wie jedes Jahr bei der Münchner Sicherheitskonferenz – und doch ist diesmal etwas anders: Ein Hauch von Vance liegt in der Luft. Am Tag zuvor hat der amerikanische Vizepräsident seine besorgniserregende Rede gehalten, in der er Europa vorwarf, den demokratischen Pfad verlassen zu haben. Eine Umkehr der Realitäten. Die Taktik des Rechtspopulisten geht auf: Die Diskussionen im Bayerischen Hof und die Medienberichte danach zeugen von Unsicherheit und der Befürchtung, dass die USA als globaler Stabilisator ausfallen könnten; eine Befürchtung, die sich in der öffentlichen Auseinandersetzung im Weißen Haus zwischen Präsident Trump, J.D. Vance und Präsident Selenskyj wenige Tage später verhärtet.

Der Titel der gemeinsamen Veranstaltung des Goethe-Instituts und des British Council bei der Sicherheitskonferenz spiegelt diese Dringlichkeit: »Resilient Roots: The Role of Culture in European Stability«. Der Fokus liegt dabei auf dem Osten der EU: In der Ukraine tobt der gewaltsame Angriff Russlands weiter, in Georgien protestieren Tausende gegen einen russlandfreundlichen Präsidenten. Die Analysen, die an unserem Tisch entstehen, weisen schnell über den Osten Europas hinaus. Sie müssen heute mehr denn je Maxime für die weltweite Arbeit von Kulturorganisationen in Krisenzeiten sein: »In turbulenten Zeiten kommt auf die Kultur eine größere Verantwortung zu. Sie wird zu einer neuen Form der Kommunikation, einer Festung für die demokratischen Prinzipien«, sagt die Kulturmanagerin Ana Riaboshenko aus Georgien. Scott McDonald, CEO des British Council, ergänzt: »In Zeiten komplexer politischer Herausforderungen können Kulturbeziehungen Brücken zwischen Gesellschaften bauen, demokratische Werte stärken und offenen Dialog unterstützen. Wir werden in Europa mehr in die Sicherheit investieren müssen, aber während wir das tun, sollten wir gleichzeitig in Kultur- und Bildungsprogramme investieren, die wesentlich kostengünstiger sind und eine bedeutende Wirkung entfalten können.«

Deutschlands wirtschaftliche und politische Herausforderungen

Die Rückkehr des Krieges in die Mitte Europas verdeutlicht die sicherheitspolitische Abhängigkeit der europäischen Verbündeten von den USA. Gleichzeitig bringen das sich verändernde transatlantische Verhältnis und andere politische Herausforderungen das bestehende Werte- und Machtgefüge, in das Deutschland eingebettet ist, ins Wanken. Weltweit und auch in unserem eigenen Land erstarken rechtspopulistische Kräfte, die mit einfachen Lösungen locken, das liberale Verständnis unserer freiheitlichen Gesellschaft in Frage stellen und gleichzeitig das Versprechen der Freiheit für ihre eigenen Narrative beanspruchen. Die Wirtschaft Deutschlands befindet sich im zweiten Rezessionsjahr. Eine der drängendsten Herausforderungen ist der hohe Bedarf an Fachkräften aus dem Ausland. Das große Thema Klimawandel bleibt weiterhin virulent.

Für ein Land wie Deutschland, das wie kaum ein anderes in internationale Zusammenhänge eingebettet ist, hat eine kluge Positionierung in diesem volatilen globalen Gefüge eine hohe Bedeutung. Dazu bedarf es nicht allein der klassischen Instrumente der Wirtschafts-, Sicherheits-, und Außenpolitik. Als dritte Säule der Außenpolitik spielt die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKGP) gerade heute eine zentrale Rolle. Sie fördert internationale Verständigung und arbeitet an Lösungen, die nur über Grenzen hinweg gefunden werden können. Die AKGP leistet durch die Vernetzung von Menschen und Gesellschaften somit einen Beitrag zur Sicherheit in Europa und der Welt.

Das Goethe-Institut: Ein globales Netzwerk für Kultur und Bildung

Das Goethe-Institut ist seit über 70 Jahren das größte kulturelle und gesellschaftliche Außennetzwerk der Bundesrepublik. Sein Auftrag ist es, die deutsche Sprache zu stärken, den internationalen Kulturaustausch zu fördern und über Deutschland zu informieren. 151 Goethe-Institute weltweit, rund 1.100 Anlaufstellen mit Sprachlernzentren oder Kulturgesellschaften, ein weitverzweigtes Netzwerk von Partnern aus Kultur, Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft auf der ganzen Welt, jährlich rund 270.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den digitalen oder physischen Sprachkursen, über eine Million abgelegte Prüfungen, mehr als sieben Millionen Follower in den sozialen Medien – das sind nur einige Zahlen, die für die weltumspannende Reichweite des Goethe-Instituts stehen: eine international bekannte und starke Marke für Deutschland, die für Dialog und Kooperation, für Glaubwürdigkeit und Vertrauen steht.

Innerhalb seines umfassenden Auftrags muss sich das Goethe-Institut in den kommenden Jahren vor allem vier Schwerpunkten widmen: Erstens, der wichtige Beitrag zur Migration von Fachkräften nach Deutschland. Hier müssen die Anstrengungen und auch die Ressourcen deutlich erhöht werden, um tatsächlich eine größere Zahl von Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die sprachliche und die interkulturelle Vorbereitung auf unser Land sind hierfür eine zentrale Voraussetzung. Informationskampagnen, Zuwanderung in die Ausbildung aus Schulen, an denen Deutsch unterrichtet wird, die Förderung von Deutsch in den Schwerpunktländern der Fachkräfteeinwanderung: Das Goethe-Institut verfügt über eine Bandbreite von Maßnahmen, die bei entsprechender finanzieller Ausstattung zum Erfolg führen.

Das Ansehen Deutschlands verändert sich. Das Erstarken rechtspopulistischer und auch rechtsextremer Kräfte in Deutschland wird weltweit wahrgenommen. Die schwächelnde Konjunktur kratzt am Ruf des europäischen Wirtschaftsmotors. Die politischen Querelen, die zu Neuwahlen geführt haben, wecken im Ausland Zweifel an der deutschen Stabilität. In zahlreichen Ländern gibt es Kritik, weil Deutschlands Haltung zum Krieg im Nahen Osten als zu einseitig wahrgenommen wird. Deutschland in der Welt zu erklären und gleichzeitig zurückzuspiegeln, wie Deutschland in den Augen der Welt wahrgenommen wird: Das ist deshalb eine weitere wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre und eine wichtige Investition in die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in unser Land. Zum Beispiel mit dem erfolgreichen Format der Deutschlandjahre und Deutschland-Saisonen in ausgesuchten Schwerpunktländern wie beispielsweise Polen, Großbritannien oder im indopazifischen Raum. Beim letzten großen Deutschlandjahr, das 2018 und 2019 in den USA unter dem Motto »Wunderbar Together« vom Goethe-Institut im Auftrag des Auswärtigen Amtes und unterstützt vom Bundesverband der deutschen Industrie durchgeführt wurde, waren über 500 deutsche und amerikanische Organisationen beteiligt. Zwei Millionen Menschen wurden erreicht.

Neben den physischen Präsenzen – neue Institute sind geplant in Jerewan (Armenien), Bischkek (Kirgisistan), Chișinău (Republik Moldau) und Houston (Texas, USA) – ist auch der digitale Raum im Sinne einer digitalen AKGP von großer Bedeutung: Die umfassenden digitalen Sprach-, Kultur- und Informationsangebote des Goethe-Instituts online und in den sozialen Medien vermitteln ein aktuelles Deutschlandbild und stärken den Dialog mit den Gastländern.

Mit unserem globalen Netzwerk von Instituten und Präsenzen setzen wir gleichzeitig auch in weniger freiheitlichen Gesellschaften ein starkes Zeichen der Resilienz. Angesichts der Zunahme autoritärer Regierungsformen wird die Bedeutung dieser Aufgabe weiter wachsen: Goethe-Institute sind Orte der Begegnung mit Deutschland, des Lernens und des Austauschs. Sie sind aber auch Räume der offenen Diskussion und zensurfreier Debatten. Mit Programmen zur Förderung von Medienkompetenz insbesondere bei jungen Menschen stärkt das Goethe-Institut die Resilienz gegenüber populistischer Propaganda und Fake News. Mit zahlreichen Programmen zur Erinnerungskultur weltweit setzen wir uns auch mit den dunklen Seiten der Deutschen Geschichte diskursiv auseinander. Und wir stellen uns als Institution aktiv gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung. Mit seinem Engagement steht das Goethe-Institut aktiv für freiheitliche Werte und Pluralismus ein und festigt die Beziehungen zu wichtigen Akteuren aus Kultur und Gesellschaft. Gerade heute sind diese internationalen Verbindungen und Freundschaften so wichtig.

Nicht zuletzt stehen wir als Goethe-Institut für den Wert starker und eigenständiger Kunst und Kultur. Kultur stärkt in ihrer Freiheit und Unabhängigkeit den gesellschaftlichen Zusammenhalt über Grenzen hinweg und bietet Perspektiven für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. In der dialogischen und offenen Weise, wie wir den kulturellen Austausch mit der Welt betreiben, spiegelt sich unsere freiheitliche Verfassung.

»J.D. Vance hat in seiner Rede bewusst auf Kulturkampf gesetzt«, sagt Stephan Detjen, der Chefkorrespondent des Deutschlandfunks, einige Tage nach der Münchner Sicherheitskonferenz bei einer internen digitalen Veranstaltung des Goethe-Instituts zum erstarkenden Rechtspopulismus in Deutschland. Fast 500 Kolleginnen und Kollegen haben sich zugeschaltet. Doch wenn Kultur der Ursprung von Aggression sein kann, dann ist sie umso entscheidender für die Herstellung von Frieden.

Yuval Noah Harari, einer der brillantesten Köpfe unserer Zeit, bringt es auf den Punkt: »Die meisten Kriege haben ihren Ursprung im Kopf eines Dichters. Die Generäle kommen viel später, und während sie glauben, den Gesetzen der Realpolitik zu gehorchen, folgen sie in Wirklichkeit den Träumen eines Mythenmachers. Aber auch der Friede beginnt im Kopf eines Dichters, der durch den Rauch des Krieges eine bessere Welt zu sehen vermag. Wenn die Kanonen brüllen, müssen die Musen lauter sprechen als je zuvor und ihre Worte klug wählen.« In einer Welt, die von Unsicherheit und Wandel geprägt ist, ist Kultur nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern auch ein Werkzeug zur Gestaltung einer besseren Welt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2025.