Museen tragen eine fundamentale Verantwortung: Sie bewahren Kultur und vermitteln Wissen. Doch darüber hinaus genießen sie in der Gesellschaft ein außergewöhnlich hohes Vertrauen – ein Vertrauen, das in einer aktuellen Studie des Instituts für Museumsforschung als das höchste unter allen öffentlichen Institutionen identifiziert wurde, direkt nach Familie und Freundinnen und Freunden, noch vor Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Medien. Dies ist kein Zufall: Es ist nicht das einzelne Erlebnis, sondern die Institution als Ganzes, die dieses Vertrauen begründet. Museen gelten als verlässliche Hüter von Wissen und Kultur, als Orte, an denen die Wahrheit in all ihrer Vielfalt und Komplexität gewahrt bleibt. Sie sind keine bloßen Anbieter von Unterhaltung, sondern tragen als Institutionen eine Verantwortung, die weit über den Rahmen eines einfachen Erlebnisses hinausgeht.
Doch dieses Vertrauen bringt eine gewaltige Verpflichtung mit sich. Museen müssen stets exzellente Arbeit leisten, und das können sie nur dann, wenn sie in einem unabhängigen Raum agieren. Denn Museen sind mehr als Wissensspeicher. Ihre Aufgabe ist es, das Wissen der Vergangenheit zu bewahren und gleichzeitig zu hinterleuchten und den Diskurs zu fördern.
Und genau das macht sie zu einem besonderen Ziel für Extremisten. Museen sind keine unpolitischen Institutionen. Sie stellen Fragen, hinterfragen Geschichte, decken Unrecht auf. Und jede Ausstellung und jede kuratierte Sammlung trägt politische Implikationen. In einer Zeit, in der Extreme versuchen, die Vergangenheit nach ihren eigenen Ideologien umzuschreiben, sind Museen daher ein strategisches Ziel. Wer die Museen kontrollieren kann, kann die Geschichte kontrollieren – und damit die Wahrheit selbst. Deshalb sind Museen nicht nur attraktive Beute für diejenigen, die das Vertrauen der Gesellschaft missbrauchen wollen, sondern auch eine Bedrohung für alle, die die Demokratie und die Freiheit gefährden. Bei uns in Deutschland ist die Gefährdungslage für Museen derzeit noch eher abstrakt, in anderen Ländern der EU und der Welt bereits harte Realität.
Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Slowakei: Mit ihrem Amtsantritt im Herbst 2023 verkündete die slowakische Kulturministerin Martina Šimkovičová in ihrer ersten Rede: »Die Kultur in der Slowakei sollte slowakisch sein und nichts anderes.« Dies führte zu dramatischen Veränderungen – Entlassungen in Schlüsselpositionen renommierter Kultureinrichtungen, Auflösung von Fachabteilungen im Ministerium oder der Beginn von destruktiven Reorganisationen von Sammlungsinstitutionen sowie drastische Budgetkürzungen. Nachfolger und Nachfolgerinnen, oft ohne fachliche Qualifikationen, wurden parteipolitisch eingesetzt. Die Auswirkungen? Ein deutlicher Einbruch in der finanziellen Sicherheit für Kulturschaffende und das Aushöhlen funktionierender Fördersysteme. Berichte über Zensur und Einschüchterungen häufen sich. Mitten im Sommer vorigen Jahres erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt: Der Chef des Nationaltheaters, Matej Drlička, wurde über Nacht entlassen, ihm das Kündigungsschreiben in den frühen Morgenstunden übergeben. Der Vergleich dieser Methoden mit denen der Gestapo und Staatssicherheit folgte prompt. Auch die Generaldirektorin der Nationalgalerie musste gehen, ersetzt durch einen »Krisenmanager«, der als erstes die Anzahl der Kunstwerke pro Quadratmeter prüfen ließ.
Auch in Italien sind die Entwicklungen unter der Regierung von Giorgia Meloni besorgniserregend und werfen ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Zukunft von Museen und der kulturellen Vielfalt auf. Melonis Regierung versucht, die Kontrolle über italienische Kulturinstitutionen, einschließlich Museen, zu übernehmen. Dies geschieht durch die Besetzung von Führungspositionen mit Personen, die der politischen Agenda der Regierung nahestehen. Einen Schachzug wagte die Regierung bei der renommierten Stiftung Teatro di Roma, unter deren Dach vier bedeutende Theater der Hauptstadt vereint sind. Hier installierte Kulturminister Gennaro Sangiuliano in Zusammenarbeit mit der rechts regierten Region Latium den politisch nahestehenden Intendanten Luca De Fusco als Generaldirektor. Der Protest ließ nicht lange auf sich warten: Die linke Stadtregierung Roms, Hauptfinanzier der Stiftung, setzte eine Kompromisslösung durch. Nun wird das Teatro di Roma durch eine Doppelspitze geleitet – eine Seite links, die andere rechts.
In Polen ging es acht Jahre lang in die gleiche Richtung. Unter der PiS-Regierung gab es zwei wesentliche Aspekte, die die Museen stark beeinflussten: Zum einen versuchte die Regierung, die Narrative in Museen zu kontrollieren und zu verändern, um eine spezifisch »polnische Wahrheit« zu propagieren. Dies führte zu einer Neuausrichtung von Ausstellungen, die oft die Sichtweise der Regierung widerspiegelten und alternative Perspektiven ignorierten oder negierten. Ein Beispiel hierfür ist das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig, dessen Ausstellung auf Druck der Regierung überarbeitet wurde, um mehr nationalistische Elemente zu integrieren, die darauf abzielten, bei den Besuchern »angemessene« Gefühle gegenüber der Vergangenheit zu wecken, nämlich Gefühle dafür, dass die Polen und nicht die Juden die »wahren« Opfer der Nazi-Besatzung waren.
Zum anderen veranlasste die Regierung bedeutende personelle Veränderungen in der Museumslandschaft. So wurde der fachlich hoch renommierte Gründungsdirektor eben jenes Museums des Zweiten Weltkriegs, Wojciech Machcewicz, kurz nach der Eröffnung entlassen.
Nun geht es zumindest in Polen zum Glück seit einigen Monaten wieder in die andere Richtung. Dies bringt jedoch auch bedeutende Herausforderungen mit sich, denn es gibt Bedenken, dass die kulturelle Unabhängigkeit gefährdet bleibt, da viele Museen und kulturelle Institutionen immer noch unter dem Einfluss politischer Loyalitäten stehen.
In den USA sind Museen mittlerweile ebenfalls Ziel politischer Angriffe. Im Januar unterzeichnete Präsident Trump ein Dekret (»Executive Order«), das DEI-Programme (Programme zur Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion) in staatlich geförderten Institutionen wie Museen verbietet. Diese Programme, die darauf abzielen, Vielfalt und Inklusion zu fördern, werden nun als potenziell diskriminierend angesehen. Als erste Reaktion beendete die National Gallery of Art in Washington ihre DEI-Programme, das Büro für Zugehörigkeit und Inklusion wurde geschlossen, und Begriffe wie »Diversität« und »Inklusion« auf der Homepage durch »willkommen und zugänglich« ersetzt.
Ausstellungen werden gestrichen, wie das Beispiel des Art Museum of the Americas in Washington zeigt, das zwei Ausstellungen über queere Identität und die afrikanische Diaspora absagen musste. Museen müssen gar um ihre Existenz fürchten, wie das alarmierende Beispiel des Stonewall National Museum in Florida zeigt, das eine der größten LGBTQ-Bibliotheken und eine bedeutende Sammlung zur Schwulenrechtsbewegung beherbergt. Der autoritäre Staatsumbau hat übrigens auch den Umgang mit der historischen Überlieferung selbst erreicht, wie die Markierung zur Löschung von rund 26.000 Fotos auf den Datenbank-Webseiten des US-Militärs zeigt, darunter bedeutende Aufnahmen schwarzer Soldaten und Pionierinnen in der Armee.
In Deutschland sehen wir auf diversen politischen Ebenen – abgesehen von der allgemein bestehenden abstrakten Gefährdungslage – bereits konkrete Szenarien, wie der Einfluss politischer Akteurinnen und Akteure, die sich nicht an die freiheitlich-demokratische Grundordnung gebunden fühlen, auf die Museen wächst.
Ein häufiges Instrument der Rechtspopulisten sind massenhafte Kleine Anfragen an Museen zu Themen wie Finanzierung und Ausstellungsinhalten – ein Trend, dem mittlerweile sogar bürgerliche Parteien erliegen. Diese Anfragen bedeuten nicht nur hohen Verwaltungsaufwand, sondern erzeugen auch Druck und können Zweifel an der demokratischen und gesellschaftlich offenen Ausrichtung der Museen säen. Dabei berufen sich die Akteurinnen und Akteure auf vermeintliche Neutralität; in Wirklichkeit handelt es sich jedoch um gezielte politische Einflussnahme. Über die abstrakten Befürchtungen hinaus gibt es auch bereits konkrete Fälle von politischen Eingriffen in die museale Arbeit und auf das Personal. Deshalb wurde im vorigen Jahr der Verein des Netzwerks »Haltung!« gegründet, um politisch motivierte Angriffe auf Museen und Kulturschaffende noch stärker sichtbar zu machen.
Museen waren immer involviert in die Produktionsprozesse nationaler Narrative – also wer wir sind und wer die anderen, die Fremden, sind. Das zeigt sich bis heute. Das ist nutzbar für rechtspopulistische Politik im Kontext des »Kulturkampfes« von rechts. Museen setzen sich heute zum Teil sehr progressiv mit ihrer eigenen Geschichte und ihren historischen Kontinuitäten auseinander, stehen für eine offene Gesellschaft und treten für demokratische Teilhabe und Werte ein. Deshalb geraten sie schnell auf das Radar rechtspopulistischer Politik, wenn sie zum Beispiel Rassismus oder Migration thematisieren oder geschlechtergerechte Sprache verwenden. Auffallend dabei ist, dass diese politisch motivierten Übergriffe mitunter strategisch erfolgen, zum Beispiel mit dem Ziel, bestimmte Themen zu platzieren oder zu vermeiden, Personen zu diskreditieren, Personalstellen zu ersetzen oder zu streichen – bis hin zur Schließung von Museen.
In diesem gefährlichen Spiel dürfen Museen nicht nur passive Akteure sein – sie müssen sich entschieden für ihre Unabhängigkeit und ihre Rolle als Hüter von Freiheit und Wahrheit einsetzen. Zum Glück haben sie diese Verantwortung erkannt und sind zunehmend alarmiert. So widmeten sich die wichtigsten Fachtagungen der deutschsprachigen Museumswelt 2024 bereits diesem drängenden Thema. Auch das 18. Internationale ICOM Bodensee-Symposium stellte im Mai 2024 die entscheidende Frage: »Wie politisch ist Museumsarbeit?«
Doch das reicht nicht aus: Auch wir als Gesellschaft müssen entschlossen handeln, um diese Institutionen zu schützen und als Orte der Vielfalt, Inklusion und Demokratie zu bewahren. Nur so können Museen auch künftig sichere Räume für freie, unvoreingenommene Wissensvermittlung sein, gesellschaftliche Werte fördern und den Dialog über die wichtigsten Themen unserer Zeit ermöglichen.