Weil sie »traditionellen Werten« widerspricht, wurde die Inszenierung von Kirill Serebrennikow über den queeren Jahrhunderttänzer Nurejew in Moskau abgesetzt. Kein Zufall! Schließlich ist der Regisseur ein scharfer Kritiker von Putins Ukraine-Krieg. Außerdem ist Kulturpolitik seit 2021 Teil von Putins Nationaler Sicherheitspolitik. Seitdem steigen Repressionen und Verhaftungen, und Künstlerinnen und Journalisten verlassen zuhauf das Land.

Derzeit gilt es, auf multiple Krisen – Iran, Afghanistan, Belarus –, die Klimakrise und die zunehmende Gewalt gegen Frauen und andere marginalisierte Gruppen als Kriegswaffe zu reagieren. Die feministische Außenpolitik will ihnen gleiche Rechte, Freiheiten und Chancen sichern. Künftig wird die Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) hier stärker gefragt sein. Sie muss weiter breit aufgestellt sein: Werben für eine freiheitliche, diverse Gesellschaft, für Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und Kommunikationswege offenhalten, wenn die offiziellen diplomatischen Gesprächskanäle verstummt sind. Gerade die Goethe-Institute sind wichtig als Safe Spaces für die Zivilgesellschaft in autokratischen Regimen.

AKBP ist immer auch Kulturgutschutz. Die verschiedenen Ministerien unterstützen hier im Rahmen der Soforthilfe für die Ukraine. Wichtiger vor dem Hintergrund zunehmender Klimaextreme wird die Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kooperation mit dem Technischen Hilfswerk für den Kulturgutschutz im Fall von Krieg und Zerstörung, ebenso wie bei Umweltkatastrophen.

Das Exil rettet Leben, ist aber auch gezeichnet von Verlusten, wie Hannah Arendt schreibt. Es ist der Verlust von Familie und Freunden, Gewissheit und Sprache. Den Sprachverlust auffangen kann die ABKP. Denn die kritischen Stimmen der Geflüchteten aus Belarus, der Ukraine, Russland, Afghanistan, dem Iran fehlen im eigenen Land. Umso wichtiger ist neben Residenzprogrammen und Stipendien auch die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten im Exil.

So bietet das »Goethe-Institut im Exil« in Berlin Kultur- und Diskursprogramme, damit Künstlerinnen und Künstler arbeiten und auftreten können. Neue Perspektiven bietet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie die Sprach- und Vorintegrationskurse des Goethe-Instituts und der Deutschen Welle.

Bewährt hat sich die vom AA und BKM finanzierte Hannah-Arendt-Initiative für ukrainische, belarussische, russische Journalistinnen und Journalisten. Sie bietet etwa über die NGO MICT Residenzen an sowie Schulungen und Arbeitsmöglichkeiten, damit sie angesichts von staatlicher Zensur unabhängig und faktenbasiert in ihre Herkunftsländer berichten können.

Die AKBP wird künftig mehr gefordert sein, wenn es um die Aufarbeitung von kolonialem Unrecht, Restitution und Museumskooperationen geht. Zuletzt war anlässlich der Rückgabe von 20 Benin-Bronzen an die nigerianische Regierung, die diese an den Oba des ehemaligen Königreichs Benin, Ewuare II, übertrug, das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert worden. Dabei kann die Restitution von Kulturgut an die Herkunftsgesellschaften nicht an Bedingungen geknüpft sein, die den Ländern vorschreiben, wie sie ihre Erinnerungskultur ausrichten. Vielmehr geht es um die Aufarbeitung der gesellschaftlichen Wirkung des Postkolonialismus in unserer Gesellschaft heute.

Die AKBP braucht weiter einen langen Atem und eine verlässliche Finanzierung. Nur so kann sie die Vertrauensbasis entwickeln, die den Boden bereitet für die Wiederannäherung nach der Krise. Damit ist sie eine langfristige Investition in Frieden und Sicherheit.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.