Allenthalben wird betont, dass Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) durch Angebote im kulturellen Bereich Dialoge und Begegnungen fördert und dadurch zur Konfliktlösung beiträgt, wo andere Kooperationsformen nicht mehr oder noch nicht möglich sind. An sich keine schlechte Idee – wäre da nicht die auch im Koalitionsvertrag bekräftigte Vorgabe, dass AKBP eine »Säule der deutschen Außenpolitik« sein soll. Und so sieht sie auch aus: Anstatt gegenüber Russland im Bereich Kultur und Wissenschaft den Dialog aufrechtzuerhalten, wird die deutsche Außenkulturpolitik auf Konfrontationskurs gebracht und Sanktionen unterworfen. Mit Verweis auf den Ukraine-Krieg hat die Bundesregierung sämtliche Kooperationen mit Russland selbst »in Bezug auf Gedenken und Forschung zu NS-Verbrechen« auf Eis gelegt. Wie das Auswärtige Amt auf meine Anfrage mitteilt, »wurde die Zusammenarbeit mit staatlichen und staatsnahen russischen und belarussischen Stellen im Rahmen der vom Bund geförderten Projekt- und Programmarbeit ausgesetzt«. Das gelte auf unbestimmte Zeit. Ausnahmen seien nur »nach restriktiver Einzelfallprüfung« möglich. Stipendien etwa für deutsche Wissenschaftler, die in russischen Archiven zu deutschen Gräueltaten forschen wollen, sind ersatzlos gestrichen. Zivilgesellschaftlichen Projekten, die vom Bund gefördert werden, ist jegliche Kooperation mit staatlichen Stellen in Russland untersagt, selbst wenn es nur darum geht, Ausstellungen zu deutschen Verbrechen in russischen Museen zu zeigen. Die totale Absage an wissenschaftlichen Austausch und kulturelle Kooperation ist beispiellos, wenn man das Vorgehen etwa mit den Nicht-Reaktionen der damaligen Bundesregierung von SPD und Grünen auf den völkerrechtswidrigen, auf Lügen basierenden Krieg der USA gegen den Irak im Jahr 2003 vergleicht.
Auswärtige Kulturpolitik soll, so formuliert es die Koalition, zugleich »Strategische Kommunikation« sein und dem Vorgehen »gegen Desinformation und Propaganda« dienen. Leider scheint diese Maßgabe im Fall der Ukraine systematisch ausgeblendet zu werden. Man denke nur an das unselige Weißwaschen der Verbrechen ukrainischer Nationalisten und Nazikollaborateure, denen – wie Stepan Bandera – in der Ukraine Heldendenkmäler errichtet und die hierzulande als Vaterlandsverteidiger stilisiert werden. Wo Aufklärung über die NS-
Herrschaft und ihre Helfershelfer dringend nötig wäre, hält sich die auswärtige Bildungsarbeit auffällig zurück.
AKBP hätte einen wichtigen Auftrag zur Verständigung, aber sie darf nicht länger als Instrument gesehen werden, »deutsche Interessen«, faktisch also die Interessen der jeweiligen Bundesregierung, an der »Kulturfront« zu vertreten. Vielmehr müssen Aktivitäten der Zivilgesellschaften im In- und Ausland viel stärker unterstützt werden; Mittel sollten nicht nur an die Big Players der anerkannten Mittlerorganisationen fließen, sondern auch an eine Vielzahl lokaler und regionaler Basisinitiativen. Bedarf wäre etwa im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialgeschichte zweifellos vorhanden, für deren Aufarbeitung ich mich wie im Fall Namibias und Chinas einsetze.