Die Vorsitzende des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag, Michelle Müntefering, spricht mit Theresa Brüheim über die Themen und Schwerpunkte dieser Legislaturperiode, zunehmende globale Herausforderungen und den Krieg in der Ukraine.

Theresa Brüheim: Frau Müntefering, Sie sind Vorsitzende des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag: Welche Themen möchten Sie in dieser Legislatur anstoßen? Welche Schwerpunkte gilt es zu setzen?

Michelle Müntefering: Ja. Eine schöne und wichtige Aufgabe. Kreative Köpfe werden gebraucht und die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) stellt als dritte Säule deutscher Außen­politik die Beziehungen der Menschen – der Gesellschaften – zueinander her und in den Mittelpunkt. Wir spüren alle, diese Dimension der Außenpolitik darf nicht weniger, sondern muss mehr werden. Aber Austausch und Diskurs brauchen eine Offenheit, die schützenswert – und leider noch immer nicht selbstverständlich ist. Kultur ist der Raum, in dem wir einander begegnen. In dem wir auch ganz konkret an gemeinsamen Perspektiven auf diese Welt arbeiten.

Das wird angesichts der Zeitenwende noch mal an Bedeutung gewinnen. Der globale Systemwettbewerb zwischen Autokratien und Demokratien hat an Schärfe gewonnen. Es ist Krieg in Europa. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine als Tiefpunkt europäischer Nachkriegsgeschichte zeigt auf dramatische Weise auch, dass die Lesart dieses eklatanten Bruchs des Völkerrechts nicht überall auf der Welt gleich ist.

Afrika und Asien wachsen außerdem immens, und gleichzeitig zielt die russische Propaganda vor allem in diese Teile der Welt.

Auch in Demokratien sehen wir tiefe Spaltungen in der Gesellschaft  – das alles hat die AKBP verändert und verändert sie weiter. In den letzten Jahren haben wir Hilfsprogramme für Künstlerinnen, Wissenschaftler und Aktivistinnen ausgebaut, eine Entwicklung, die angesichts zunehmender Einschränkungen von Kunst- und Meinungsfreiheit nötig und richtig war. Jetzt muss die Strategische Kommunikation gestärkt werden. Es gilt auch, Demokratie und die ihr zugrunde liegenden Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, die sich alle auch in einer vibrierenden Kultur widerspiegeln, zu verteidigen und auf dem globalen Marktplatz der Ideen offensiv zu vertreten – und zwar durch Aufklärung statt Propaganda.

Also: Die AKBP muss neu konzipiert werden – dieser Prozess hat in der letzten Legislatur im Auswärtigen Amt bereits begonnen – diesen Ball wollen wir im Parlament aufnehmen. Es braucht neue Schwerpunkte, etwa geografisch, neue Instrumente, um mehr ländliche Räume zu erreichen, und es braucht auch neue Strukturen – das stärkere Zusammenwirken von Innen und Außen.

Zunehmende globale Herausforderungen wie Migration, Klimawandel und weltweite Krisen und Kriege wie derzeit in der Ukraine machen es notwendig, dass Innenkulturpolitik und Außenkulturpolitik konsequent aufeinander bezogen werden. Wie kann die zunehmende Verschränkung von Innen und Außen gewinnbringend gestaltet werden?

Sie sagen es! Wir erleben tatsächlich das immer stärkere Ineinandergreifen von Innen- und Außenpolitik. In der Globalisierung werden die internationalen Zusammenhänge wichtiger, und ebenso das Konkrete, das Erleben vor Ort. Das gilt nahezu für alle Politikbereiche. Deswegen haben wir diese Spur auch im Koalitionsvertrag aufgenommen. Klar ist: Das Wissen aus der Welt wird auch in Deutschland gebraucht. Nehmen Sie etwa die Goethe-Institute oder die Lehrerinnen und Lehrer der Auslandsschulen. Ich wünsche mir, dass wir dieses Wissen und Können noch besser einsetzen – in einem Einwanderungsland, einem, das zudem auf Fachkräfte angewiesen ist, ist das auch eine sehr praktische und pragmatische Frage.

Der Krieg in der Ukraine macht es deutlich: Sowohl die Osteuropaforschung als auch der Diskurs mit unseren Nachbarn im Osten wurde in den letzten Jahrzehnten nur sehr stiefmütterlich behandelt. Was gilt es zu tun, um dies wieder zu ändern?

Vorsicht. Diese Formulierung kann auch den Eindruck erwecken, als werde das Problem verschoben. Klar ist: Putin hat die Ukraine angegriffen – ihm sind Menschenleben egal, er ist einer der größten Kriegsverbrecher unserer Zeit.

Was den Dialog mit Osteuropa betrifft: Der Krieg in der Ukraine führt uns in Europa und der ganzen Welt gerade vor Augen, dass es in unserer Nachbarschaft eine junge Generation gibt, die in Freiheit, Frieden und Demokratie leben und sich nicht unterdrücken lassen will.

Den Dialog mit unseren Nachbarn in Osteuropa, den brauchen wir dringend, keine Frage. Deswegen haben wir mit großer Unterstützung des Bundestages das Programm Östliche Partnerschaft ausgebaut. Und: Die Osteuropaforschung wurde bereits seit 2014 gestärkt, indem wir das Zentrum für Osteuropastudien (ZOIS) gegründet haben. Das war eine direkte Reaktion auf die russische Annexion der Krim und den Einmarsch in der Ostukraine. Aber wir werden den direkten Austausch mit unseren osteuropäischen Partnern und Verbündeten jetzt noch weiter intensivieren  – das schlägt sich auch im Haushalt nieder, da haben wir als Parlament mit unseren Haushältern kräftig mitgeholfen: Alleine im Bereich des Auswärtigen Amtes sind es nun 1,1 Milliarden Euro, die wir in der nächsten Haushaltswoche beschließen.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2022.