Wie mobil und reiselustig Menschen sind, welche Reisen sie unternehmen, hängt von den mobilen Spielräumen ab, die ihnen ihre Gesellschaften bieten, wie Freizügigkeit, Freizeit und Urlaubstage, Vermögen, Einkommen und Urlaubsgeld, aber auch von den Verkehrsmitteln und Infrastrukturen, die zur Verfügung stehen.

Wie hat die Entwicklung von Verkehrsmitteln das Reisen historisch geprägt und verändert? Welche Bedeutung kommt den Verkehrsmitteln fürs Reisen zu? Aus Sicht der Technikgeschichte sind Verkehrsmittel in erster Instanz effektive Hilfsmittel für Reisen aller Art, quasi technische Enabler, die es möglich machen, Raum und Zeit zu überwinden. Sie erlauben es uns heute, mit einem Zeitbudget von meist nur wenigen Tagen oder Wochen und in großer Zahl nahezu alle Regionen der Welt zu erreichen.

Schon die Entwicklung von Kutschen – gefederten Reisewagen – und insbesondere die Einführung der öffentlichen Postkutschen hat die Reisekultur seit dem 17. Jahrhundert stark verändert. Eine dichte Kette von Stationen bot Pferdetausch, Rast und Mahlzeiten und damit eine Logistik und Infrastruktur, die es Post und Reisenden erlaubte, lange Strecken organisiert zu bewältigen. Das System der Post war ein wichtiger Schritt zur Überwindung des Raums und brachte das erste fahrplanmäßige Verkehrsmittel hervor. Reisen wurden planbarer, der Transport als Dienstleistung angeboten. Auch für die späteren Massenreiseverkehrsmittel – Eisenbahn, Schiff, Flugzeug – gilt, dass sie ihre Stärken nicht allein aus der Technik heraus entwickelten, sondern auch aus dem Dienstleistungscharakter ihrer Nutzung. In der Postkutsche, in der Eisenbahn und im modernen Schiffsverkehr waren Reisende nicht mehr auf sich allein gestellt, sondern bewegten sich im Prinzip in der Obhut der Post, der Bahngesellschaften, der Reeder und Reiseveranstalter, die ihnen die grundlegende Organisation abnahmen und die Wege bereiteten, auch wenn das Reisen weiterhin Überraschungen, Unfälle und Gefahren bieten konnte.

Die nächsten Schritte in Richtung des modernen Reiseverkehrs – die Überwindung der Zeit und der massenhafte Personentransport – bahnten sich mit Eisenbahnen und Dampfschiffen an, die große Beförderungskapazitäten offerierten und schnell auf große Nachfrage stießen. Die Entwicklung fast aller Verkehrsmittel folgte lange Zeit dem Credo des Schneller, Höher und Weiter. Innerhalb weniger Jahrzehnte entspann sich im 19. Jahrhundert ein Eisenbahnnetz um die ganze Welt. Mit der Zeit wurden die neuen Verkehrsmittel für den Reisebetrieb technisch optimiert und immer bequemer ausgestattet. Am Beispiel der Eisenbahn heißt das, viele größere und kleine Errungenschaften – wie Durchgangswagen, sanitäre Anlagen im Zug, Schlaf- und Restauranteinheiten – erhöhten Reisequalität und Schnelligkeit, weil die Züge nicht so oft anhalten mussten. Je nach Status und Geldbeutel reiste man in unterschiedlichen Klassen. Wenn auch auf höherem Niveau als im 19. Jahrhundert ist diese Angebotsstruktur bis heute erhalten geblieben und spiegelt sich in Qualität und Ausstattung der Verkehrsmittel. Eine Besonderheit der Eisenbahn waren die großen, luxuriösen Expresszüge, wie etwa der Orientexpress oder der Train Bleu. In modifizierter Form standen sie Pate für Intercitys und Hochgeschwindigkeitszüge der Gegenwart.

In ähnlicher Weise wie die Eisenbahn beeindruckten seit Ende des 19. Jahrhunderts die Dampfschiffe und Luxusliner der Schifffahrt. Motorentechnik und Stahlbau förderten den Bau immer größerer Schiffe, die in kurzer Zeit große Zahlen von Passagieren in Tagen statt Wochen über See befördern konnten. Dies kam auch den Auswanderern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zugute, die allerdings im Bauch der Schiffe mit relativ wenig Komfort auskommen mussten. Die Linienschifffahrt wurde seit den 1950er Jahren schrittweise vom Flugzeug abgelöst, das erst Luxusverkehrsmittel für den Jetset war, dann als Charterflugzeug oder mit Economy-Klasse für organisierte und preisgünstige Reisen im Fernverkehr starken Zuwachs erlebte.

Eisenbahn, schnelle Schiffe und Flugzeuge sparten den Reisenden vor allem Zeit. Sie ermöglichten es ihnen, weitere Strecken pro Zeiteinheit zurückzulegen, und ließen die Welt mit jedem Zuwachs an Geschwindigkeit gefühlt schrumpfen. Sie wurde – mindestens auf den Hauptlinien der Fernverkehrsmittel – ein räumlich erfassbarer und erfahrbarer Raum. Die schnellen Verkehrsmittel verzerrten die subjektive Landkarte, in der in kurzer Zeit erreichbare, aber dennoch entfernte Städte im Zeitempfinden als näher wahrgenommen werden als ein nicht an den Verkehr angebundenes Dorf in der Nähe.

Alle diese Verkehrsmittel wären nichts ohne Infrastrukturen – von gut befahrbaren Straßen und Schienenwegen bis zu Hafenanlagen und Flughäfen. Die Modernisierung des Reiseverkehrs war insofern immer auch eine politische und wirtschaftliche Herausforderung. Die Infrastrukturen schufen die öffentliche Hand und private Investoren. Wenn ihre Förderung auch nicht notwendig auf den Reiseverkehr konzentriert war, so eilte die Infrastrukturpolitik der Nachfrage doch häufig voraus und bot erst das Potenzial für die Verbreitung neuer Verkehrsmittel und wachsenden Verkehrs, auch des Reiseverkehrs.

Neue technische Akzente fürs Reisen und ein anderes Reiseerleben setzten die individuellen Verkehrsmittel: Fahrrad, Automobil und Motorrad. Sie bedeuteten Unabhängigkeit von Fahrplänen und vorgegebenen Routen. Besonders das Automobil bot seinen Nutzern privaten Raum – statt Zwangsgesellschaft in den großen Verkehrsmitteln. Mit seiner massenhaften Verbreitung seit den 1920er Jahren in den USA und nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa entwickelte sich das Auto zu einer Reisealternative für Millionen von Menschen, die vor allem eine Konkurrenz zu den Bahnreisen darstellte. Der Trend zum schnellen, bequemen Fortkommen prägte auch die automobile Technik. Kraftvolle Motorisierung und Innenräume, die selbst bei kleineren Fahrzeugen mit immer bequemeren Sitzen, mit Ablagen, wachsendem Stauraum, Klimaanlagen, beheizten Sitzen und Radios und Unterhaltungselektronik aufwarteten, machten langes Reisen komfortabel. Im Konzept der »Rennreiselimousine« nach Andreas Knie 1997, das den Fahrzeugbau des 20. Jahrhunderts prägte, wurde die Reiselust dem Auto gleichsam konzeptionell eingeschrieben. Nicht nur die Campingwagen, auch alle anderen Autos boten Reisenden in nahen und fernen Welten zudem immer auch das Gefühl eines Schonraums und Zuhauses, das den Aufenthalt in der Fremde erleichterte.

In den meisten modernen Reiseverkehrsmitteln offenbart sich eine weitere gemeinsame Eigenart: Die Geschwindigkeit entfernte die Reisenden schrittweise vom Weg und unmittelbarem Erleben von Natur und Umwelt. Mit Fenstern für den Panoramablick nach draußen, Raum und Ausstattung für zeitfüllende Aktivitäten bis hin zum mobilen Arbeiten bekamen viele Reiseverkehrsmittel eine neue Aufenthaltsqualität und veränderten die Wahrnehmung der Reisenden auf die durchreiste Welt. Salon- und Restaurantwagen, gehobene Gesellschaftsräume und Promenaden in den Luxuslinern, Großraumwagen mit Tischen, Flugkabinen mit Unterhaltungselektronik, Kreuzfahrtschiffe mit Bühnen, Bars und Geschäften, wohnlich ausgestattete Campingmobile und Jachten sind nur einige Beispiele für die Bedeutung von Innenräumen in modernen Verkehrsmitteln. Im Fall der Massenverkehrsmittel helfen sie, den Aufenthalt zu genießen und die Reisezeit zu überbrücken. Im Fall von Campingwagen und Kajütbooten machen sie ein Reiseerleben möglich, dem ein modernes Reisenomadentum innewohnt – das Umherziehen mit dem eigenen Hausstand an beliebige Orte.

Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden auch Reiseverkehrsangebote und Verkehrsmittel für nahezu ausschließlich touristische Zwecke. Dazu gehörten die ersten Kreuzfahrten auf hochseetüchtigen Schiffen, aber auch kleine, regionale Ausflugsverkehrsmittel wie Ausflugsboote, Bäderbahnen und Sightseeing-Busse oder Seil- und Zahnradbahnen, deren Hauptzweck es war, Touristen zu befördern. Sie bedienten nicht nur deren die Mobilitätsbedürfnisse. Sie wurden vielfach zu örtlichen Attraktionen, die um ihrer selbst willen aufgesucht werden, am Reiseziel Kurzweil bieten und die Umschau erleichtern.

Die großen Massenverkehrsmittel – Eisenbahnen, Schiffe, Reisebusse, Charterflugzeuge – legten auch eine Basis für die Demokratisierung des Reisens. Die manchmal dramatischen Abweichungen in den Standards der Beförderungsklassen und Reiseverkehrsmittel bilden zwar die soziale Ungleichheit der Reisenden ab. Dennoch steckt in den Massenverkehrsmitteln bis heute das Potenzial für mehr Teilhabe an der Reisekultur. Sie ermöglichten Gruppenreisen, die in Reisebüros gebucht werden konnten, und bieten bis heute preisgünstige Transportmöglichkeiten.

Bis in unsere Gegenwart fand zugleich eine große Differenzierung der Reisestile, Reiseziele, Reisekulturen statt, die sich in den Verkehrsmitteln und in immer mehr Dienstleistungsangeboten sowie individuellen Reisen abbildet. Gleichzeitig wurde das Reisen vom Massentourismus überformt. Es wurde zur millionenfach wiederholbaren, industrialisierten, aber doch auch immer individuellen Erfahrung, die mitunter traurige Spuren an den großen Reisedestinationen hinterlässt.

Zukünftige Reisetechnologien und Reisekonzepte, werden sich daran messen lassen müssen, ob ihnen eine Nachhaltigkeitswende gelingt. E-Mobilität und Wasserstoffantriebe, optimierte Triebwerke, nachhaltige Produktion und sparsamer Betrieb können auch im Reiseverkehr zur Schonung von Ressourcen und Minimierung des CO2-Ausstoßes beitragen, ebenso neue Reiseketten und nachhaltige Verkehrsangebote am Reiseziel. Aber für die Zukunft gilt wohl: Die Nachhaltigkeit des Reiseverkehrs und des Tourismus kann nicht allein durch neue Verkehrsmittel eingelöst werden. Sie erfordert grundlegend andere Gesamtkonzepte des Tourismus und ein Hinterfragen lange gewachsener Reisegewohnheiten. Da mag in Zukunft auch das virtuelle Kopfkino die eine oder andere reale Reise ersetzen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2023.