Was tut die Bundesregierung, speziell die Beauftragte für Kultur und Medien, um wie im Koalitionsvertrag festgehalten, die Restitution von NS-Raubkunst in dieser Legislaturperiode entscheidend zu verbessern? Politik & Kultur fragt nach.

Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, die Restitution von NS-Raubkunst zu verbessern. Wie stellen Sie sich dieser Aufgabe?

Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland und der Shoah muss konsequent fortgeführt werden. Wir als Bundesregierung stehen zu dieser Verantwortung – umso mehr jetzt, wo Jüdinnen und Juden in unserem Land wieder um ihre Sicherheit fürchten müssen und wir hierzulande offenen, aggressiven Antisemitismus in einem erschreckenden Ausmaß erleben müssen. Zu dieser Verantwortung gehört auch die Auseinandersetzung mit dem NS-Kulturgutraub. Mein Haus und ich wollen die Beratende Kommission deshalb deutlich stärken und effizienter aufstellen – sodass sie dem Geist und den Zielen der Washingtoner Prinzipien besser gerecht wird. Darüber hinaus wollen wir auch Restitutionen von NS-Raubkunst gesetzlich verbessern.

Was wird konkret dafür getan?

In Hinblick auf die gesetzlichen Verbesserungen geht es unter anderem um die Frage, inwiefern sich bei NS-Raubgut die Verjährung ausschließen lässt. Ein weiterer Punkt ist die gesetzliche Verankerung eines Auskunftsanspruchs. Zudem wollen wir einen zentralen Gerichtsstand voranbringen. Bei der Beratenden Kommission wollen wir die Änderungen gemeinsam mit Ländern und Kommunen erreichen. Deshalb habe ich das Thema sehr entschlossen in diesem Kreis vorangetrieben. Beim Kulturpolitischen Spitzengespräch am 11. Oktober konnten sich der Bund, die Länder und die Kommunen darauf verständigen, dass bis Frühjahr 2024 konkrete Vorschläge für die Stärkung der Kommission vorgelegt werden sollen. Mein Haus arbeitet mit Hochdruck daran und hat bereits erste Vorschläge an Länder und Kommunen übermittelt. Dafür haben wir uns auch vergleichbare Kommissionen in anderen europäischen Ländern angesehen.

Wie wird die Beratende Kommission gestärkt?

Ein zentraler Punkt ist für mich die Einführung der einseitigen Anrufbarkeit. Aktuell kann die Beratende Kommission ja nur dann aktiv werden, wenn beide Seiten ihrer Anrufung zustimmen. Das hat zu viel Frust aufseiten der Antragstellerinnen und Antragsteller geführt, der Fall »Madame Soler« in Bayern ist dafür das bekannteste Beispiel. Es ist mir allerdings völlig unverständlich, weshalb die Bayerische Landesregierung hier ein Tätigwerden der Beratenden Kommission weiter blockiert. Dafür könnte Bayern einfach den Weg freimachen, dafür bräuchte es keine Reform und Stärkung der Beratenden Kommission. Von unserer Seite haben wir für alle vom Bund geförderten Kultureinrichtungen die Zustimmung zu einer Anrufung der Kommission schon verpflichtend gemacht.

Zudem soll die Beratende Kommission auch die Möglichkeit haben, sich schon früher mit den jeweiligen Fällen zu befassen – und nicht erst dann, wenn sich die Parteien nicht einigen konnten und sich die Fronten zumeist schon verhärtet haben. Des Weiteren soll die Beratende Kommission selbst Provenienzforschung bei unabhängigen Forscherinnen und Forschern beauftragen können. Damit wollen wir unter anderem der immer mal wieder erhobenen Kritik begegnen, die Provenienzforschung sei nicht neutral genug. Ganz allgemein brauchen wir für die Beratende Kommission auch transparentere Verfahren, die für alle Beteiligten und die Öffentlichkeit besser nachvollziehbar sind.

Wie ist es aktuell um die Rückführungen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter bestellt?

Seit der Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien im Jahr 1998 wurde schon manches erreicht. Es gab in den letzten 25 Jahren einige Restitutionen, unter anderem knapp 7.500 Kulturgüter im Museumsbereich sowie rund 24.500 Bücher und anderes Bibliotheksgut. Dabei liegt die Gesamtzahl der Restitutionen höher, weil ja nicht jede Rückgabe öffentlich gemacht wird.

Ein weiterer Erfolg der Washingtoner Prinzipien betrifft die Provenienzforschung. Dieser Bereich wurde in den letzten 25 Jahre finanziell und personell stark ausgebaut und ist mittlerweile zum festen Bestandteil von Museen, Bibliotheken, Archiven und anderen Kultureinrichtungen geworden – nicht zuletzt durch das von meinem Haus finanzierte Deutsche Zentrum Kulturgutverluste.

Aber trotz all dem schon Erreichten sage ich ganz klar: Deutschland hat in dieser Frage noch einen weiten Weg zu gehen. Ich hoffe daher, dass die Länder und Kommunen weiterhin mit uns an einem Strang ziehen und wir uns nächstes Jahr schnell auf konkrete Punkte bei der Reform der Beratenden Kommission verständigen und diese deutlich stärken können.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2023-1/2024.