Millionen Deutsche machen jedes Jahr Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff: Kreuzfahrten haben sich zu einem Massengeschäft entwickelt. Es gibt zahlreiche Anbieter, und immer größere Schiffe befahren die Meere. Neue Bordattraktionen eröffnen neue Arbeitsmöglichkeiten – darunter auch für Darstellerinnen und Darsteller aller Sparten.

Einer der offensichtlichsten Vorzüge eines Jobs an Bord ist wohl die Möglichkeit, die Welt zu bereisen, ohne dafür zusätzliche Kosten tragen zu müssen. Beschäftigte verdienen Geld, während sie neue Kulturen sowie atemberaubende Landschaften entdecken. Untergebracht sind sie größtenteils in kleinen Zweibettkabinen – je nach Position auch mal einzeln. Bei freier Verpflegung und Logis an Bord gibt es neben den darstellerischen Aufgaben auch sogenannte »Side Duties« zu verrichten, beispielsweise Hilfe beim Einchecken neuer Passagiere. Große amerikanische Firmen holen ganze Broadway-Shows an Bord, während die deutschen Reedereien vor allem auf Eigenproduktionen setzen. Die Ensembles proben in der Regel etwa sechs Wochen – dann müssen alle Shows stehen. Die Schiffe bieten zumeist größere Ensembles auf: Zahlreiche darstellende Künstlerinnen und Künstler arbeiten auf hoher See, und es werden Zuschauerzahlen im sechsstelligen Bereich erreicht – mehr als manches Theater an Land.

Tausende Kolleginnen und Kollegen aller Sparten sind weltweit in den verschiedenen Flotten ständig über mehrere Monate durchgehend beschäftigt, was auf dem heimischen Markt an Land für viele oft nicht möglich ist. Das monatliche Gehalt auf See übersteigt dabei aber häufig kaum die Mindestgage am deutschen Stadttheater. Anders sieht es bei bekannten Stars aus, die auf einigen Schiffen mit eigenen Programmen für wenige Wochen eine Sonderstellung einnehmen.

Da Kreuzfahrtschiffe heute nicht mehr unter deutscher Flagge fahren, machen sich Reedereien keine Sorgen über den deutschen Mindestlohn – auch wenn strittig ist, ob nicht deutsche Arbeitsgesetze nach EU-Recht Anwendung finden müssten, wenn der Firmensitz in Deutschland liegt. Unter einer anderen Flagge werden so dann beispielsweise zwölf Stunden Arbeit pro Tag arbeitgeberseitig für zulässig erklärt, obwohl laut deutschen Arbeitsrechts höchstens zehn Stunden pro Tag erlaubt wären. Wenigstens gilt seit 2013 die »Maritime Labour Convention« (MLC) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) – Mindeststandards begrenzen auf Schiffen die tägliche Arbeitszeit weltweit auf 14 Stunden, die wöchentliche auf 72 Stunden.

Ein Job auf einem Kreuzfahrtschiff kann so auch zur Herausforderung werden. Kaum Privatsphäre und der Mobilfunk- und Internetempfang ist auf See nur über Satelliten möglich, hohe Kosten und schlechter Empfang inklusive. Nicht unbedingt praktisch, wenn man auch Kontakt zum heimischen Leben und anderen Jobperspektiven halten will. Wer vor Vertragsablauf kündigt, zahlt unter Umständen den teuren Heimtransport selbst. Und vertragliche Regelungen, die die Probenvergütung zum Kredit erklären, der nur dann nicht zurückgezahlt werden muss, wenn die volle Vertragslaufzeit erfüllt wird, klingen so absurd, wie sie es sind.

Die Crews weltweit leisten harte Arbeit, die Bezahlung ist oft niedrig. Die US-amerikanische Actors’ Equity Association gab 2020 bekannt, dass sie erstmals für das gesamte Ensemble eines Kreuzfahrtschiffs eine Vereinbarung treffen konnte. Diese erhöhte während des dreitägigen Aufenthalts der »Norwegian Bliss« in New York die Gehälter des darstellenden Personals um 575 US-Dollar pro Tag. Gewerkschaftspolitik ist auf offener See allerdings knifflig, wenn Schiffe in internationalen Gewässern unterwegs sind und der Zuständigkeitsbereich einer Gewerkschaft infrage gestellt wird. So hat Disney beispielsweise Equity-Verträge für Disney World in Florida abgeschlossen, aber nicht für Entertainment an Bord seiner Schiffe.

Die Gäste wünschen sich Unterhaltung im Rahmen eines reichhaltigen Freizeitangebots. Positiver möglicher Nebeneffekt: Menschen, die sonst nicht ins Theater gehen, werden durch die Aufführungen motiviert, das heimische Angebot zu entdecken. Ein dunkles Kapitel ist allerdings die Ökobilanz. Kreuzfahrtschiffe werden größtenteils mit Schweröl betrieben, einem hochgiftigen, aber billigen Treibstoff – und viele Schiffe befahren die Weltmeere immer noch ohne Filter.

Mitglieder sollten die Verträge vor der Unterschrift durch ihre Gewerkschaft prüfen lassen. Viele Beispiele aus der Vertragspraxis werfen Fragen auf, die juristisch zu beurteilen sind. Allerdings: Eine solche Prüfung mit komplexen Fragestellungen findet leider oft nicht statt – die Betroffenen haben Angst um ihre zukünftige Beschäftigung.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2023.