Beatrace Angut Oola kennt die afrikanische Modeszene und -wirtschaft wie keine andere in Deutschland. Mit »Fashion Africa Now« hat sie nicht nur eine Plattform für afrikanische Designer in Deutschland geschaffen, sondern auch einen Diskussionsraum unter anderem zur Aufarbeitung der Kolonialisierung in der Mode.
Was zeichnet die Modelandschaft auf dem afrikanischen Kontinent aus? Welche modischen Hotspots gibt es?
Der bisherige Status quo ist dabei, sich zu verändern. In den letzten Jahren gab es ein gesteigertes Interesse an Designerinnen und Designern afrikanischer Herkunft, welche bereits seit Jahren unbekannterweise in der Modelandschaft agierten, aber keine Beachtung fanden. Sie galten eher als Quelle der Inspiration für den internationalen Markt. Ein Beispiel dafür ist die »Luxury Conference« im Jahre 2012, dem Branchentreffen der globalen Luxusindustrie, die ganz im Zeichen von Afrika und dessen Potenzial stand. Des Weiteren bedienten sich Labels wie Louis Vuitton, Givenchy oder Burberry gerne an dem modischen afrikanischen Kontinent und praktizieren weiterhin kulturelle Aneignung. Außerdem wurde die Mode in den 1970er Jahren als »Ethno Mode« betitelt, die ihren Ursprung nicht in der globalen weißen Modewelt hatte, sondern eher mit entwicklungspolitischen Projekten assoziiert wurde, für sogenannte »Dritte-Welt-Länder«. Ein Beispiel für das weltweit wachsende Interesse an afrikanischen Designs sind die diversen Stoffe, Handwerkstechniken, Webearten und Färbetechniken. Eine junge Generation denkt Mode neu, sie sehen ihre Aufgabe nicht nur darin, eigenständige Designformen zu entwickeln, sondern versuchen mit der Verschmelzung von Musik und Kunst, in der Wirtschaft und Politik in den jeweiligen afrikanischen Ländern eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, um neue Gesellschaftsformen jenseits von kolonial geprägten Denkmustern aufzubauen. Sie fordern die Narrative zurück und brechen mit Stereotypen, kreieren eigene Mode-Interpretationen, entwickeln bisher noch nie designte Stile, die international für Aufsehen sorgen. Das Zusammenspiel von Mustern und Schnitten, die Verknüpfung von Moderne und Tradition, sowie die Innovation in der Bildsprache spiegelt die Identitäten wider und das zeichnet die Modelandschaft aus. Der Erfolg von diversen African Fashion Weeks in den vergangenen Jahren ist enorm, so zählen diese African Fashion Hotspots inzwischen zur internationalen Modeszene. Neben der Fashion Week in Dakar im Senegal) Lagos in Nigeria und Kapstadt und Johannesburg in Südafrika sind die African Fashion Awards in Kampala gute Beispiele für die Entwicklung Afrikas zu einem Mode-Hotspot.
Welche Trends setzen afrikanische Modemacherinnen und Macher heute? Was ist das nächste »Big Thing«?
Die Vielseitigkeit der Kollektionen und der Nachhaltigkeitsaspekt spricht für sich. Ob Streetwear oder Luxus-Kreationen – alles mit Bezug zu dem Herkunftsland der Designerinnen und Designer und Kreativen. Die Verwendung von unterschiedlichen Textilien, Farben und Mustern, eine Kombination aus afrikanischen und europäischen Einflüssen sind kennzeichnend für die Trends. Das selbstbewusste Ausleben der eigenen Identitäten kreiert neue Styles, die gesellschaftlich wahrgenommen werden. Neben dem ist die Modebewegung African Fashion kein Trend, sondern eine gegenwärtige Modeentwicklung, die unter anderem Mode und Kolonialismus hinterfragt. Darüber hinaus bringt diese Modebewegung einen kritischen Blick mit sich, der zu einem Perspektivwechsel führt. Mit der neuen Designgestaltung und der kritischen Auseinandersetzung erhält nachhaltige Mode und Mode generell einen anderen Status. Das nächste »Big Thing« wird die Aufarbeitung des Kolonialismus in der Mode, das ein neues Zusammenspiel bewirkt und eine neue Bedeutung von Mode sein wird!
Wo wird produziert? Gibt es besondere Materialien und Stoffe, die exklusiv zum Einsatz kommen?
Produziert wird teils in den Fashion Africa Cities. Wenn wir über African Fashion sprechen, können wir nicht den afrikanischen Kontinent als Ganzes nehmen. In der Regel wird in Manufakturen wie z. B. in Nigeria, Ghana, Senegal, Marokko oder Südafrika produziert. Die Industrieparks in Äthiopien sind lukrativ, aber leider für junge innovative Designerinnen und Designer nicht zugänglich. Die Produktion ist ein hiesiges Thema in der afrikanischen Modelandschaft, da die Infrastruktur optimiert werden muss und es an adäquaten Handelsbestimmungen zwischen Europa und Afrika mangelt. Je nach Lage, ob West- oder Ostafrika, gibt es unterschiedliche Stoffe, wie z. B. Barkcloth in Uganda, Bogolan in Mali und Kente in Ghana. Die Stoffe waren ursprünglich exklusiv im Einsatz, sind dies heute jedoch nicht mehr aber dennoch sehr hochwertig und traditionell prägend.
Vor welchen Herausforderungen stehen afrikanische Designerinnen und Designer?
Die Designerinnen und Designer stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Die, die auf dem globalen Markt wahrgenommen werden, haben es geschafft aus der Ethno-Blase auszutreten. Die allgemeine öffentliche Wahrnehmung von Afrika ist noch immer von kolonialen Mustern und der primären Wahrnehmung von Armut beeinflusst. Dieses Afrikabild beinhaltet eine negative Wertung und wenig Anerkennung für Mode von dem afrikanischen Kontinent. Viele aus dem globalen Norden gehen davon aus, dass es keine Qualität zu kaufen gibt. Es ist Zeit zu realisieren, dass es ein dynamischer und innovativer Ort ist, der sich weiterentwickelt hat und nicht nur auf Wohltätigkeit reduziert werden sollte. Eine weitere Herausforderung ist, den Sprung zu schaffen von Haute Couture zu Ready-to-Wear, eine Infrastruktur herzustellen, die es ihnen ermöglicht, größere Mengen zu produzieren, um ernstzunehmende Player in der internationalen Modewelt zu werden. Hinzukommt das fehlende Know-how, es braucht mehr Wissensaustausch im Bereich Technologie. Außerdem ist Eigenkapital einer der größten Herausforderungen, da in vielen afrikanischen Ländern Mode nicht zu viel Beachtung geschenkt wird. Wenn es um wirtschaftliche Förderungen geht, bleiben diese außen vor. Das Potenzial für die Kreativwirtschaft gedeiht dort riesig. Die Marktpräsenz und die Erfolge von Designerinnen und Designern afrikanischer Herkunft sind in den USA groß, werden aber allgemein in Europa noch zu wenig wahrgenommen.