»Ich male, du schreibst!« So legte einmal die Schwester der Schriftstellerin Julia Franck die geschwisterliche Rollenverteilung fest – unverrückbar fürs ganze Leben. »Ich spiele Gitarre und du trommelst«, hat es bei den Brüdern Lennart und Felix Eicke zwar nicht geheißen, aber auch bei ihnen fiel die Entscheidung, Musik zu machen, schon im Kinderzimmer. Mit den besten Freunden JP Neumann am Bass und Djamin Izadi am Synthesizer war man schon zu Schulzeiten eine Band, probte im Übungsraum und trat erstmals unter dem Namen Leoniden Cabaret – Felix Eicke war damals 15 Jahre alt – in einem alternativen Jugendzentrum auf. 2015 stieß der Sänger Jakob Amr dazu. Heute sind die Leoniden eine der bekanntesten deutschen Indie-Rock-Bands.

Auch wenn Felix und seine Bandkollegen die Musik immer sehr ernst nahmen und sie mit jedem ihrer Stücke künstlerisch wuchsen, wurde nach dem Abitur das Studium ebenfalls sehr ernst genommen. Bei Eicke hieß das zunächst die Aufnahme eines Psychologie-Studiums: »Irgendwann hat es sich dann gewendet und der Schwerpunkt verschob sich von Psychologie zur Band. Das hat im Laufen Flügel bekommen.«

Viel lief autodidaktisch, auch durch das Zusammenspiel mit dem Bruder. Eicke gibt seiner Familie das Etikett »musikalischer Haushalt«. Richtigen Instrumentalunterricht hatte er nur für eine ganz kurze Zeit in der Schule. Das meiste, was sie für die spätere Karriere brauchten, brachten sich die Musiker nach dem Motto »learning by doing« selbst bei. Nach der Schule bzw. während des Studiums entschlossen sie sich dafür, auf professioneller Ebene Musik zu machen. Die Leoniden sind längst ein Stern am schillernden Firmament der DIY-Bands. Auch Marketing und Werbung brachten sie sich im Do-it-yourself-Verfahren bei: Dazu zählt neben dem klassischen CD-Release im hauseigenen Label »Two Peace Signs« auch die gekonnte Selbstvermarktung via Social Media. Mindestens so viel Vergnügen, wie die Leoniden live im Konzert zu erleben, macht es, ihre Vlogs anzuschauen. Für die DIY-Musiker unter den Politik & Kulter-Lesern ist der heiße Anspieltipp auf YouTube der Clip »Wie klingt eigentlich Leoniden« im ZDF-Format Bongo Boulevard mit Marti Fischer und Marie Meimberg.

Die Leoniden kennen aber auch bei politischen Themen keine Berührungsängste: Mit »New 68« stellten die Kieler auf ihrem Album »Complex Happenings Reduced To A Simple Design« engagierte Mitmenschen in den Mittelpunkt und drängten auf »Aufbruch, Bewegungen und politischen Aktivismus« im Stile der 68er-Bewegung.

Schlagzeuger Felix Eicke ist heute Ende 20 und in Politik & Kultur wird er nicht nur wegen seines exzellenten Schlagzeugspiels oder der Gründung der Leoniden porträtiert, sondern vor allem, weil er – angestoßen durch zwei Jahre Pandemieerfahrung – auch ein kulturpolitischer Co-Gründer ist. Er sah aus nächster Nähe, wie selbständige Menschen der Popkultur zu den Verlierern der Pandemie wurden und wollte etwas daran ändern, dass niemand die Bedarfe der Popkulturschaffenden so richtig auf dem Schirm zu haben schien. Zusammen mit einigen Freundinnen und Freunden gründete er das Bündnis D-Popkultur.

Inzwischen versammeln sich mehr als 70 wichtige Künstlerinnen, Künstler und Bands hinter D-Popkultur. Gemeinsam bringen sie 33 Nummer-eins-Alben auf die Waage. »Wir wollen«, so Eicke, »davon wegkommen, dass die Menschen, die ohnehin immer sichtbar auf den Bühnen präsent sind, wieder im Mittelpunkt dieser Sache stehen. Es geht uns um die Menschen, die weniger sichtbar auf den Bühnen sind, und insbesondere um diejenigen, die hinter den Bühnen stehen. Das sind nämlich genau diejenigen, die in den letzten Jahren reihenweise durch das Raster gefallen sind: die Booking-Agentinnen, Tourmanager, Busfahrerinnen, Techniker.«

Neben seiner Tätigkeit als Musiker bemüht sich Eicke im Namen von D-Popkultur nun auch um Gesprächstermine mit Politikern und Informations- und Hintergrundgespräche mit den kulturpolitischen Vertretern der Parteien im Deutschen Bundestag und in den Landtagen. D-Popkultur engagiert sich, denn »leider ist während der Pandemie sehr sichtbar geworden: Menschen der Popkultur fallen zu häufig durchs Raster. Und das, obwohl Popkultur längst wesentlicher Bestandteil unser aller Leben ist.« Das Bündnis bietet Erfahrung aus der Praxis an und ihre Kenntnis der Szene, um die Anliegen der Menschen der Popkultur adäquat zu erfassen und gemeinsam zu befördern.

Als Co-Gründer des Bündnis D-Popkultur hat er bereits vergangenen Sommer an einer Diskussion zum Zustand der Kultur in Coronazeiten mit wichtigen politischen Entscheidungsträgern teilgenommen. Am 16. Dezember 2021 kürten die Fraktionen des Landtags Schleswig-Holstein Eicke, der auf einer Vorschlagsliste der SPD stand, zu einem ihrer 27 Delegierten für die 17. Bundesversammlung, auf der dann am 13. Februar 2022 in Berlin Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt wurde.

In Aussicht steht Eicke die Förderung durch die Organisation JoinPolitics, die dem Bündnis D-Popkultur neben Strukturhilfeförderung auch mit Mentoring zur Seite steht. JoinPolitics wurde von Caroline Weimann und Philip Husemann mit dem Ziel gegründet, eine transparente und unabhängige Förderung politischer Talente zu ermöglichen.

Auf der Homepage heißt es dazu: »Wir sind überzeugt, dass politische Talente sich und ihre Ansätze am besten entwickeln, wenn man ihnen dafür durch Coaching, Mentoring und finanzielle Unterstützung den Rücken stärkt. Diese Förderung soll frei von inhaltlicher Einflussnahme oder Lobbyismus geschehen. Dementsprechend stellen wir strukturell und systematisch sicher, dass Geldgeberinnen und Geldgeber keinerlei Einfluss nehmen auf die Entscheidungen von JoinPolitics oder die geförderten Initiativen.« Felix Eicke und D-Popkultur sind eines von derzeit rund sechs geförderten Talenten bzw. Projekten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2022.