Barbara Haack: Im Börsenverein des Deutschen Buchhandels sind drei Sparten unter einem Dach vereint. Unter einem Verlag und einer Buchhandlung kann sich jeder etwas vorstellen, unter einem Barsortiment nicht unbedingt. Was genau ist und macht ein Barsortiment?

Stefan Könemann: Das Barsortiment ist ein Buchgroßhandel und hat üblicherweise ein großes Lager von Büchern. Buchhändlerinnen und Buchhändler können ihre Ware direkt beim Verlag beziehen und dort Ware einkaufen, die zum speziellen Profil des eigenen Ladens gehört. Die anderen Titel kaufen sie beim Barsortiment.

Diese Artikel bringen wir nachts wie die Heinzelmännchen in die Buchhandlung. Was bis zum Bestellschluss – meist zwischen 18 bis 19 Uhr – bestellt wurde, liefern wir im sogenannten Nachtsprung vor Ladenöffnung um 9 Uhr an. Wir haben Schlüssel zu allen Geschäften, wir stellen die Ware neben die Ladenkasse, und beim Herausgehen nehmen wir die Bücher mit, die nicht verkauft wurden, die Remittenden. Gleichzeitig transportieren wir auch die Ware, die die Buchhändlerinnen und Buchhändler bei den Verlagen direkt bestellt haben. Das ist ein sehr nachhaltiges System.

 

Beliefern Sie alle, die kleinen unabhängigen Buchhändler ebenso wie die großen Ketten?

Ja. Jede kleine Buchhandlung kann dadurch in diesem Wettbewerb auch mit dem Online-Handel und mit größeren Buchhandlungen bestehen. Die kleine Buchhandlung hat nicht so viel Lagerfläche, kann aber über das Barsortiment die gleiche Artikelanzahl über Nacht verfügbar machen. Durch das Preisbindungsgesetz kommen die Bücher zum gleichen Preis zu den Leserinnen und Lesern.

 

Sie sind also Dienstleister für die Buchbranche. Gehören weitere Leistungen zu Ihren Aufgaben?

In Zeiten der Digitalisierung braucht jede Buchhandlung einen vernünftigen Onlineshop mit einer Hochleistungsdatenbank. Diese Onlineshops stellen wir den Buchhandlungen zur Verfügung. Sie können diese mit ihren eigenen Fotos, mit ihren Öffnungszeiten, mit ihren persönlichen Literaturempfehlungen hinterlegen. Das wäre bei solchen Datenmengen für eine Einzelhändlerin oder einen Einzelhändler nicht machbar.

Wir sorgen auch dafür, dass Buchhändlerinnen und Buchhändler keine Zahlungsausfälle haben und sorgen für Warenwirtschaftssysteme im Buchhandel. Das ganze Paket führt dazu, dass auch kleine Buchhandlungen überleben können. Sie haben es schwer, aber wir haben noch eine gesunde Buchhandelsstruktur. Jedes zweite Buch in Deutschland wird über den stationären Buchhandel verkauft.

 

Es gab vor einigen Jahren ein Joint Venture zwischen Libri und Könemann, so dass Sie nicht mehr selbständig sind. Wie sieht die Struktur aus?

Libri ist 90-prozentiger, ich bin 10-prozentiger Gesellschafter in dem Unternehmen. Als wir noch selbstständig waren, hatten wir ein eigenes Lager. Das enthielt aber lediglich 220.000 verschiedene Artikel. Das reicht in den heutigen Zeiten nicht mehr aus. Wir müssen dem Einzelhandel mehr Artikel bieten, weil sich der stationäre Handel auch in einem Wettstreit zu Online-Händlern befindet.

 

Wie hat sich Ihr Geschäft seit dem Joint Venture entwickelt?

Als die Firma Könemann ihre Unabhängigkeit aufgegeben hat, ist der Umsatz gestiegen, weil wir aufgrund des großen Lagers besser lieferfähig sind und mit dem bundesweiten LKW-Netz jetzt auch in Gegenden liefern können, in die wir vorher als kleiner Mittelständler gar nicht kamen. In Bad Hersfeld lagern wir 10 bis 12 Millionen Exemplare. Jede Nacht werden bis zu 700.000 Bücher ausgeliefert.

Welche Folgen hat die zunehmende Digitalisierung für das Barsortiment?

Libri ist europaweiter Marktführer im Print-on-Demand-Segment. Bücher werden nicht nur physisch ins Regal gelegt, sondern werden digital eingelagert und erst gedruckt, wenn die Nachfrage besteht. Das ist besonders nachhaltig, und Lagern kostet auch immer Geld. Titel, die im Print-on-Demand vorrätig sind, sind außerdem jederzeit verfügbar und nie vergriffen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Titelvielfalt im Buchmarkt.

 

Welche Rolle spielt der Online-handel, insbesondere der Marktführer Amazon?

Amazon ist ein Kunde bei Barsortimenten und bei Verlagen. Amazon ist ein wichtiger Player im Markt, der einen entsprechenden Marktanteil hat. Der zweite große Player ist Thalia im stationären Sortiment.

 

Amazon bestimmt, bedingt durch seine Marktmacht, gerne die Preise. Kommen Sie damit klar?

Es ist ein offenes Geheimnis: Je größer ein Marktteilnehmer ist, egal welcher, desto bessere Einkaufskonditionen hat er. Das ist so. Auch wenn die Konditionen sich nicht ausschließlich an der Größe eines Marktteilnehmers, sondern natürlich auch an anderen Dingen und Leistungen orientieren. Es gibt Buchhandlungen, die ein besonderes Engagement für bestimmte Verlagsprogramme oder einzelne Titel übernehmen, indem sie zum Beispiel für diese Artikel werben oder ihnen besonders gute Verkaufsplätze in Schaufenstern oder Regalen zuweisen oder über Onlineshops besonders bewerben. Auch ein solches Engagement für ein Verlagsprogramm, eine Warengruppe oder einen einzelnen Titel kann honoriert werden. Damit haben auch kleine und mittlere Buchhandlungen die Möglichkeit, attraktive Konditionen zu erzielen.

 

Gibt es in Ihrer Sparte Wünsche oder Forderungen an die neue Bundesregierung?

Unsere Forderungen beziehen sich nicht unbedingt auf Dinge, die originär von der Bundesregierung kommen, sondern aus der EU, z. B. die EU-Entwaldungsrichtlinie. Die Richtlinie soll verhindern, dass Urwälder beschlagen werden und dass aus diesem Holz Papierbrei hergestellt wird. Richtiger Ansatz, aber viel zu kompliziert gedacht und nicht praktikabel. Wir wünschen uns, dass solche Gesetze auch mal im Vorfeld mit Praktikerinnen und Praktikern besprochen werden.

Andere Beispiele: Wenn die Maut für den Straßenverkehr erhöht wird, oder wenn die Regierung darauf pfeift, dass es eine Mindestlohnkommission gibt und einfach von oben herab einen neuen Mindestlohn definiert: Das betrifft uns in der Logistik unmittelbar. Letztendlich führt das zu einer Verteuerung der Produkte.

 

Welche Bedeutung hat der Börsenverein für den Großbuchhandel?

Für uns ist der Börsenverein deswegen wichtig, weil er dafür sorgt, dass wir faire Marktchancen haben. Wir bezahlen auch Juristinnen und Juristen, die darauf achten, dass die Spielregeln eingehalten werden, beispielsweise Preisbindungstreuhänder.

 

Eine Besonderheit des Börsenvereins sind die verschiedenen Sparten unter einem Dach. Ist das auch eine Möglichkeit, unterschiedliche Interessen auszuhandeln, oder Konflikte auszutragen?

Das ist eine der großen Stärken des Börsenvereins. Wir sprechen gegenüber der Politik und Öffentlichkeit mit einer starken Stimme. Gleichzeitig kann es auch eine Schwäche sein, wenn es zu langwierigen Diskussionen kommt und wir dann zu einigen Themen keine gemeinsame Position vertreten können. Wenn wir aber eine Meinung gefunden haben, gibt es eine klare Meldung vom Börsenverein. Das ist ein großer Vorteil.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.