Insbesondere während der Coronapandemie kam und kommt es weltweit zu Beschimpfungen, zu Ausgrenzung und körperlichen Angriffen auf Menschen, die als asiatisch wahrgenommen werden. Das Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven korientation macht vielfältige Lebenswirklichkeiten in Deutschland sichtbar und wirkt so anti-asiatischem Rassismus entgegen.
Was ist korientation?
korientation ist eine (post-)migrantische Selbstorganisation und ein kultur- und bildungspolitisches Netzwerk von Asiatischen Deutschen, Asiatinnen und Asiaten mit dem Lebensschwerpunkt Deutschland. korientation wurde 2008 von einer Gruppe koreanischer Deutscher der zweiten Generation gegründet, um die vielschichtige Migrationsgeschichte zwischen Korea und Deutschland ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Dieses Projekt trug den Titel »Shared.Divided.United. Deutschland-Korea: Migrationsbewegungen im Kalten Krieg« und wurde in Form von Ausstellung, Konferenz und Publikation umgesetzt. Das war neben der Aufarbeitung unserer eigenen Geschichten auch ein Mittel, um uns in der damals schwelenden Integrationsdebatte inhaltlich wie politisch zu positionieren. Wir wollten den rassistischen Narrativen und Stereotypen zu »asiatischen« Migrantinnen und Migranten und dem fehlenden Wissen zu asiatischen Menschen und ihren Lebensrealitäten in Deutschland etwas entgegensetzen, indem wir unsere eigene Geschichte(n)
erzählen.
Welche Ziele verfolgt korientation?
korientation agiert an der Schnittstelle von Kultur/Medien, Wissenschaft und politischer Bildung mit dem Ziel, die Repräsentation von Asiatisch-Deutschen Perspektiven zu stärken. Wir verwenden die Selbstbezeichnung »Asiatisch-Deutsch« als strategische politische Selbstpositionierung, die herkunftsübergreifend einen gemeinsamen Ort schafft, von dem aus wir sprechen können, um unseren Themen und Forderungen Nachdruck zu verleihen. Heute wächst der Verein in ein diversifiziertes bundesweites Netzwerk weiter, getragen von Menschen, die in mehreren asiatisch-diasporischen Zusammenhängen agieren. Die Selbstbezeichnung Asiatische Deutsche ist ein solidarisches Instrument, um Community-übergreifend gemeinsam Position zu beziehen und gegen anti-asiatischen Rassismus vorzugehen. korientation sieht sich somit als Teil einer wachsenden Bewegung aus unterschiedlichen asiatischen und Asiatisch-Deutschen Communities, die gezielt dahingehend arbeitet, notwendige Selbstartikulation, Selbstrepräsentation und Interessenvertretung voranzubringen.
Wie setzen Sie diese Ziele um?
Hervorzuheben ist das Modellprojekt »MEGA« im Rahmen des Demokratie leben!-Programms im Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das korientation derzeit durchführt. Das Akronym MEGA steht für »Media and Empowerment for German Asians« und ist ein Empowerment-Projekt für junge Asiatische Deutsche. Im Projekt werden Workshops, Seminare und Veranstaltungen durchgeführt, die die Resilienz der Betroffenen durch die Vermittlung und den Austausch von Wissen und Kompetenzen stärken. Gleichzeitig werden Räume geschaffen, in denen die Teilnehmenden darin ermutigt werden, ihre eigenen Geschichten zu entdecken, Erfahrungen zu teilen und einzuordnen. Sie werden befähigt, Selbsterlebtes mit unterschiedlichen medialen Mitteln zu erzählen und sichtbar zu machen. Wichtig ist dabei, den gängigen stereotypen Narrativen vielfältige Bilder, Beiträge und Erzählungen aus der eigenen Perspektive entgegenzusetzen. Alle Teilnehmenden werden bestärkt, selbst zu Wissens- und Medienproduzentinnen und -produzenten zu werden. Asiatisch-Deutsche Geschichte und Präsenz in Deutschland wird als etwas Selbstverständliches gesetzt.
Wie hilft korientation den von Rassismus betroffenen asiatisch gelesenen Menschen?
korientation setzt sich für den politisch notwendigen Begriff »anti-asiatischer Rassismus« ein, um in Deutschland auf rassistische Übergriffe gegen asiatisch gelesene Menschen hinzuweisen. Zwar existierte auch vor der Pandemie Rassismus gegen asiatisch gelesene Menschen, aber in der Berichterstattung über Covid-19 erlebten und erleben Asiatische Deutsche und asiatisch gelesene Personen in Deutschland und weltweit einen starken Anstieg rassistischer Gewalt. Wir haben gleich zu Beginn der Coronapandemie begonnen, Medienberichte – vor allem in den Mainstreammedien – zu dokumentieren und zu sammeln, die durch diskriminierendes und kulturalisierendes Framing und/oder stereotypisierende und unsachliche Text-Bild-Verknüpfungen anti-asiatischem Rassismus Vorschub leisten. Diese Berichterstattungen machten deutlich, wie wenig Wissen in der Mehrheitsgesellschaft zu anti-asiatischem Rassismus und über Asiatische Deutsche vorhanden ist. Rassismuserfahrungen von Betroffenen wurden/werden häufig angezweifelt oder gar abgesprochen. Daher bieten wir betroffenen Menschen Räume zum Austausch und zur Vernetzung an. Das ist enorm wichtig, um sich gegenseitig zu unterstützen, das Erlebte gesellschaftspolitisch einzubetten, um daraus gestärkt hervorzugehen.
Asiatisch-Deutsch bzw. Asiatische Deutsche wird großgeschrieben, um auf die kulturellen Identitätskonstruktionen und die gesellschaftspolitische Positionierung zu verweisen.