Im Frühjahr 2021 ging eine Welle der Empörung, oder wie es verkürzt oft auch heißt, ein Shitstorm, durch die sozialen und klassischen Medien. Es war keine politische Aussage oder ein Skandal, der die Wogen hochgehen ließ, sondern eine angebliche Innovation auf dem Markt der Menstruationsprodukte. Zwei Männer haben pinke Einmal-Handschuhe »erfunden«, mit denen Menstruierende Damenhygieneartikel »hygienisch« und »diskret« entsorgen können. Die »Pinky Gloves« können übergezogen werden, um einen Tampon zu entfernen, und fungieren im Anschluss gleich als blickdichter Müllbeutel.

Die Erfinder präsentieren ihr Produkt öffentlichkeitswirksam in einer TV-Show, in der sie für die Finanzierung ihrer Idee warben. Nur zehn Jahre früher wäre ihnen der Erfolg sicher gewesen, aber inzwischen hat in Sachen Menstruationsprodukte und ihrer Bewerbung eine kleine Revolution stattgefunden. Die Idee der »Pinky Gloves« wurde nie umgesetzt.

Gesundheitsbinden

Aber gehen wir mal an den Anfang der Werbung für sogenannte Monatshygieneprodukte. Spezielle Artikel für das Auffangen des Menstruationsblutes wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts in Massen gefertigt und beworben. Das Auffangen des Blutes in »Binden«, die mit einem Gürtel an der Hüfte befestigt wurden, wurde am Anfang vor allem als gesundheitliche und hygienische Maßnahme vermittelt. In Frauenzeitschriften und Tageszeitungen am Ende des 19. Jahrhunderts finden sich kleine Werbeanzeigen von Drogisten oder Gummiwarenhändlern, die »Gesundheitsbinden« und dazugehörige »Dianagürtel« verkaufen.

Über die Funktion der Produkte wurde geschwiegen. Abgebildet waren schmale Gurte, die die »Monatsbinde« zwischen den Beinen zusammenhalten. Dazu wurden »auswaschbare Watteeinlagen« angeboten, in zwei Qualitäts- und Preiskategorien.

Etwas konkreter wurde für »Marwede’s Moos-Binden« geworben, eine Materialinnovation aus dem Jahr 1890. Ganzseitige Zeitungsanzeigen betonten »die Notwendigkeit des Tragens geeigneter Binden während der Menstruation«, dies wäre nämlich »von allen Ärzten anerkannt«. Bisher fehlte allerdings das geeignete saugfähige Material und das wäre nun mit der Moosbinde gefunden worden, hieß es in der Werbeanzeige weiter. Von Blut ist auch hier keine Rede, lediglich von »Sekreten«. Garantiert wurden den Frauen »geruchloses« Auffangen und »Diskretion«.

Die harmonische Ehe

Einige Jahrzehnte später trat auch ein Markenname auf, der bis heute auf dem Markt der Menstruationsprodukte eine Rolle spielt. Die Camelia-Wegwerfbinde wurde nicht mehr lediglich mit »medizinischer Notwendigkeit« beworben, sondern, ganz innovativ, mit Emotion und einem Lifestyle-Foto, neben dem der Werbespruch in schwungvoller Schrift zu lesen war: »Eine harmonische Ehe«. Versprochen wurden paradiesische Zustände: »Junge Hausfrauen«, die entspannte Mahlzeiten und Familienfeste gestalten. »Da gibt es keine Missstimmung und Gereiztheit, denn Sie bewahrt sich ihre Anmut, seelische Ausgeglichenheit und Sicherheit durch neuzeitliche persönliche Hygiene«, heißt es. Diskretion und Bewegungsfreiheit werden ebenfalls in dieser Werbeanzeige von 1934 insinuiert.

Neben der Hausfrau, die zu Hause für Harmonie sorgen sollte, gab es aber nun auch die »arbeitende Frau«, die in der Öffentlichkeit leistungsfähig sein musste. Dieser Anspruch schlägt sich auch in den Werbestrategien für Menstruationsprodukte nieder. »Paul Hartmanns Gesundheitsbinden« versprechen 1931 »Leistungsfähigkeit und Lebensfreude«. Die Binden seien vor allem für die »berufstätige Frau von größter Wichtigkeit«, denn sie befreien sie von »dem ängstlichen Gefühl, durch körperliche Ungepflegtheit und andere Peinlichkeiten in ihrer Umgebung aufzufallen«.

Die Firmen und Marken reagierten nicht nur auf das veränderte Lebensgefühl der Frauen oder auf die neuen Rollenzuschreibungen, sie bezogen sich auch auf politische Umbrüche. So entstand auch das skurrile Sujet zu Camelia, das im November 1938 in der österreichischen Zeitschrift »Mocca« abgedruckt wurde: Camelia wird billiger – durch den »Anschluss«. Während der Kriegsjahre 1941 bis 1945 warb das Unternehmen mit »Gesundheit« und »unermüdlicher Arbeitsfreude«.

»Eine Geschichte voller Missverständnisse«

Bewegungsfreiheit, Leistung, Diskretion. Auch die nächste entscheidende Innovation auf dem Markt wurde mit ähnlichen Schlagworten beworben. Im ersten Werbefilm für »Tampax«, eine amerikanischen Tampon-Marke, rufen und flüstern sich gutgelaunte Frauen am italienischen Strand, in der französischen Bar und in einem amerikanischen Office »Tampax« zu. Die deutsche Krankenschwester erklärt anschließend: »Tampax, die Weltmarke. Mit Applikator«. Wie und wozu hier appliziert werden soll, sieht man in dem Werbespot nicht.

Nichts sehen, nichts spüren, nichts riechen. Das war jahrzehntelang die oberste Maxime, in der Gesellschaft und damit auch in der Werbung. Menstruationsblut war und ist ein großes Tabu. Auch 40 Jahre später, als wohl der bisher bekannteste Menstruationsprodukte-Werbespot gedreht wurde, blieb alles diskret und wage. »Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse«: Diesen Satz aus dem Tampon-Werbespot der Marke o.b. haben viele noch im Ohr. »Bettina Schmitz, Journalistin« wollte Anfang der 1990er Jahre mit uns über »das Tabu der Menstruation« sprechen und redete dann doch nur über die Tamponmarke o.b.: »Man sieht nichts, man riecht nichts und außen bleibt alles angenehm sauber«, pries Schmitz das Produkt an, das diskret in ihrer Hand verschwand. Keine »Sekrete«, keine Flüssigkeit. Das Menstruationsblut wurde in der Werbung ein ganzes Jahrhundert lang, wenn überhaupt, ausschließlich als blaue Flüssigkeit dargestellt.

Erst im Jahr 2016 floss erstmals Blut, oder besser gesagt, rote Flüssigkeit in einem Werbespot. Der dazugehörige Slogan lautete: »Menstruation ist normal. Sie zu zeigen, sollte es ebenso sein.« Damit riskierte der Bindenproduzent nicht viel, im Gegenteil: Die Kampagne sprang lediglich auf die aufkommende Bewegung der »Period Pride« und »Period Positivity« auf. Seit einigen Jahren muss Monatshygiene nämlich vor allem feministisch und ökologisch sein. Menstruationstassen und Periodenunterwäsche werden auf sozialen Medien von Influencerinnen beworben, die ohne Tabus über die monatliche Blutung sprechen. »Erdbeerwochen«, gratis Binden sowie die politische Debatte um die zu hoch versteuerten Tampons tragen dazu bei, dass Menstruation und die Menstruationsprodukte langsam aus der Tabu-Ecke kommen. Die diskreten Pinky Gloves, die außerdem nicht aus nachhaltigen Materialien produziert worden wären, hätten auf dem Markt höchstwahrscheinlich nie eine Chance gehabt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2022 – 1/2023.