Von unter null bis über 30 Grad Celsius: Der mehrfach preisgekrönte Unterwasserfotograf Tobias Friedrich taucht über all dort, wo es faszinierende Fotos zu schießen gibt. Politik & Kultur fragt nach, was seine Arbeit ausmacht und kennzeichnet.

Was charakterisiert die Unterwasserfotografie allgemein?

Die Unterwasserfotografie kennzeichnet vor allem die Dokumentation von Riffen, Tierarten und der Ozeane im Allgemeinen. Diese kann auch sehr kreativ und artistisch sein, je nachdem, wo der Schwerpunkt des Unterwasserfotografen liegt. Aber auch Wracks von Schiffen, Flugzeugen oder Sonstigem sowie die Fotografie im Süßwasser umfasst dieses Thema. Typischerweise ist ein Unterwasserfotograf gleichzeitig auch ein erfahrener Taucher.

Wie gestaltet sich Ihre Arbeit als Unterwasserfotograf? Welche Projekte bzw. Aufnahmen sind Ihnen besonders in Erinnerung?

Mir sind besonders Begegnungen in Erinnerung wie z. B. die mit einem seltenen Buckelwal im Sultanat von Oman. Dort leben etwa 80 Tiere stationär, die nicht wie alle anderen Buckelwale in die Arktis oder Antarktis migrieren. Dieser Wal war anfangs sehr scheu, aber nach einer halben Stunde des vorsichtigen Annäherns so forsch, dass er mir – wohl unabsichtlich – mit der Schwanzflosse einen Schlag verpasst hat. Er wollte nur spielen, aber bei 30 Tonnen Gewicht tut das einem 90-Kilo-Menschen nicht so gut.

Ein Projekt in Grönland war ebenfalls besonders, wo ich mit der berühmten Freitaucherin Anna von Boetticher unterwegs war und Aufnahmen von ihr an Eisbergen gemacht habe. Das Salzwasser hat mit minus 1,8 Grad Celsius einen niedrigeren Gefrierpunkt als Süßwasser, also war es vor allem für Frau von Boetticher in ihrem nur fünf Millimeter dicken Freitauchanzug sehr kalt. Die Aufnahmen gehören aber bis heute zu der von mir am meisten publizierten Fotoserie.

Was unterscheidet die Arbeit unter Wasser von der an Land? Worauf müssen Sie dabei achten?

Einer der größten Unterschiede ist, dass Wasser 800-mal dichter als Luft ist und daher z. B. keine Teleobjektive eingesetzt werden können, die an Land ein Motiv aus der Ferne im Bild festhalten können. Unter Wasser muss ich daher nah an ein Motiv herankommen, um möglichst wenig Wasser zwischen Kamera und beispielsweise einem Fisch zu haben. Dafür benutze ich Super-Weitwinkel- und Makro-Objektive, die einen geringen Mindestabstand zum Motiv garantieren. Eine weitere Besonderheit ist die Lichtbrechung des Wassers, die nicht nur dazu führt, dass wir die Dinge unter Wasser ungefähr 30 Prozent größer sehen, sondern auch das rote Farbspektrum ab einer Wassertiefe von fünf Metern komplett herausfiltert. Wenn ich also auf 15 Metern eine rote Koralle fotografieren möchte, muss ich spezielle Unterwasserblitze mitnehmen.

Welche Bedeutung kommt dem Genre der Unterwasserfotografie zu – insbesondere angesichts des fortschreitenden Klimawandels und Artensterbens?

Der Unterwasserfotografie kommt bzgl. des Klimaschutzes und Artensterbens eine extrem große Rolle zu, da so überall auf der Welt dokumentiert werden kann, wie beispielsweise das Korallensterben weiter voranschreitet. Ich komme alle paar Jahre zu den gleichen Plätzen der Erde und kann sehen, ob sich der Korallenbestand erholt hat oder nicht. Gleichzeitig erkenne ich durch meine Erfahrung und Erinnerung, dass sich Fisch- und vor allem Haibestände in den letzten Jahren und Dekaden deutlich reduziert haben und ich einfach weniger Motive vor die Linse bekomme. Die Erwärmung der Ozeane könnte auch besser und ausgiebig dokumentiert werden, da fast jeder Taucher einen Tauchcomputer mit sich trägt, der nicht nur die Tiefe, sondern auch die Wassertemperatur misst und anzeigt. Diese Daten sind wichtig und könnten meiner Meinung nach viel besser ausgewertet werden.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2023.