Der Co-Geschäftsführer von Hamburg Wasser, Ingo Hannemann, gibt Ludwig Greven Auskunft über die Qualität von Leitungswasser und die Folgen von Klimawandel, Starkregen, Dürren und Schadstoffbelastung für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserreinigung.

Ludwig Greven: Trinken Sie auch Mineralwasser?

Ingo Hannemann: Im Normalfall bevorzuge ich natürlich Leitungswasser, weil ich dessen hervorragende Qualität kenne und es ein gesunder, umweltfreundlicher Durstlöscher ist. Hin und wieder trinke ich auch Mineralwasser, möglichst ein regionales. Mineralwasser, das aus fernen Ländern aufwendig importiert wird, meide ich.

Kann man Leitungswasser überall in Deutschland bedenkenlos trinken?

Trinkwasser ist ein extrem streng kontrolliertes Lebensmittel von sehr hoher Qualität, das ohne Sorge konsumiert werden kann. Das bestätigen unabhängige Testinstitute regelmäßig. Es wird täglich mehrfach beprobt. So wird sichergestellt, dass alle in der Trinkwasserverordnung festgelegten Parameter ihre Grenzwerte nicht überschreiten. Kommt es in seltenen Fällen doch dazu, werden die Bürgerinnen und Bürger schnellstmöglich informiert.

Was sind die Vorteile von Leitungswasser gegenüber Mineralwasser?

Es gibt gute Gründe, Wasser aus dem Hahn vorzuziehen. Neben seiner hohen Qualität wird eine große Menge Verpackungsmüll eingespart. Da das Wasser direkt aus der Leitung kommt, entstehen keine lärm- und CO2-intensiven Transportwege. Und auch der eigene Geldbeutel freut sich: Das von uns gelieferte Trinkwasser kostet inklusive Abwasserentsorgung etwa einen halben Cent je Liter. Hinzu kommt: In Hamburg und in vielen anderen Regionen nutzt die öffentliche Wasserversorgung Grundwasser für die Trinkwasserversorgung – im Grunde also die gleiche Quelle wie Mineralwasserbrunnen.

Ist gutes Leitungswasser ein öffentliches Gut, das kommunale Betriebe zu günstigen Preisen zur Verfügung stellen sollten? Haben die Bürger ein Recht darauf?

In Hamburg ist seit 2006 eindeutig gesetzlich geregelt, dass die öffentliche Wasserversorgung der Stadt als staatliche Aufgabe obliegt. Wir sind damit beauftragt. Als kommunaler Wasserversorger haben wir das Ziel, unseren Kunden qualitativ hochwertiges Trinkwasser zu einem möglichst günstigen Preis anzubieten. Gleichzeitig ist es unser Anspruch, einen wirtschaftlich effizienten Betrieb sicherzustellen. Unter den 15 größten deutschen Städten hat Hamburg einen der niedrigsten Wasserpreise. Und wir führen eine angemessene Rendite an unseren Gesellschafter ab, die wiederum den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt, weil sie den Haushalt entlastet. Das alles sind beste Argumente gegen Privatisierungsbestrebungen.

Gehören dazu auch öffentliche Brunnen und andere Stellen, wo Leitungswasser kostenlosabgegeben wird wie in früheren Zeiten durch die berühmten Hamburger Wasserträger?

Die Wasserträger stammen aus einer Zeit, als es noch kein zentrales Trinkwassernetz gab. Sie brachten das Wasser mit Eimern in die Häuser. Auf solche Methoden müssen wir heute zum Glück nicht mehr zurückgreifen. Trotzdem steht die Wasserversorgung im öffentlichen Raum auch auf unserer Agenda. Schon heute können sich Hamburger in den Sommermonaten über unsere frei zugänglichen Trinkbrunnen unterwegs kostenlos mit frischem Trinkwasser versorgen. Wir arbeiten daran, das Angebot auszubauen.

In anderen Ländern wurde die Wasserversorgung privatisiert. Können nicht auch private Unternehmen diese Aufgabe übernehmen, womöglich sogar effizienter und billiger?

Natürlich können das auch private Unternehmen. Ich bezweifele aber, dass dies automatisch zu mehr Effizienz oder zu niedrigeren Preisen führt. Nehmen Sie Berlin: Nachdem die zuvor teilprivatisierte Wasserversorgung rekommunalisiert worden ist, sind die Preise gesunken. In anderen Ländern, in denen die Privatisierung des Wassersektors weit fortgeschritten ist, sind beispielsweise die Wasserverluste nach Rohrbrüchen deutlich höher als bei uns. In einigen europäischen Städten kommen bis zu 20 Prozent des Wassers gar nicht bei der Kundschaft an, weil es im löchrigen Netz versickert. Bei uns beträgt dieser Verlust nur knapp vier Prozent. Dafür investieren wir aber auch kontinuierlich in unser Netz.

Macht Ihnen die Belastung der Gewässer und auch des Grundwassers mit Chemikalien, Stickstoff aus der Landwirtschaft und anderen Verunreinigung zu schaffen?

Wir beobachten die Schadstoffkonzentration genau. Um einer Belastung vorzubeugen, wählen wir unsere Grundwasserleiter bedacht aus. In der Hamburger Region bieten geringdurchlässige Bodenschichten an vielen Stellen eine natürliche Barriere für darunterliegende Grundwasservorkommen. Dort, wo die Böden durchlässiger sind und Schadstoffe leichter versickern können, sorgen ausgewiesene Wasserschutzgebiete für die nötige Sicherheit. In Hamburg sind das 13 Prozent der gesamten Stadtfläche. So steuern wir einer Verunreinigung des Grundwassers durch den Menschen entgegen. Denn was nicht ins Grundwasser gelangt, muss später auch nicht aufwendig entfernt werden.

Die andere große Aufgabe der Wasserbetriebe ist die Abwasserentsorgung. Wie groß ist der Aufwand, die Abwässer aus Industrie, Betrieben und Privathaushalten so zu reinigen, dass sie ohne Gefahren in Flüsse und Seen geleitet werden können?

Das Abwasser durchläuft in unserem Klärwerk drei Reinigungsstufen. Zuerst werden mechanisch grobe Feststoffe entfernt. Im Sandfang setzen sich Sand, Kies und organische Partikel ab. Dann läuft das Abwasser durch die Vorklärbecken, in denen weitere feine organische Stoffe zu Boden sinken. Plastikteile und Öle werden abgeschöpft. Bei der mechanischen Reinigung werden bis zu einem Drittel der Schmutzstoffe entfernt. Im zweiten Schritt werden bei der biologischen Reinigung Schadstoffe und Schwermetalle aus dem Wasser entfernt. Dabei helfen Mikroorganismen, die gelöste organische Stoffe als Nahrung aufnehmen und Schadstoffe binden. In der dritten Reinigungsstufe werden auch chemische Stoffe wie Stickstoff- und Phosphorverbindungen ausgefällt. Sie setzen sich als Schlamm ab. Danach ist das Wasser umweltgerecht gereinigt, gelangt wieder in die Elbe und nimmt am Wasserkreislauf teil. Trotzdem ist das Wasser schon heute mit einer Vielzahl an Kleinststoffen belastet, die mit der vorhandenen Technik nicht vollständig herausgeholt werden können. Dabei handelt es sich unter anderem um Medikamentenrückstände, Industrie- und Haushaltschemikalien oder Mikroplastik. Künftig ist von einer Zunahme solcher Stoffe auszugehen. Deswegen ist es durchaus möglich, dass die Kläranlage um eine weitere vierte Reinigungsstufe ergänzt werden muss.

Wie groß sind die Probleme durch Bodenversiegelung, auch durch den dringenden Wohnungsbau?

Mit dem Bevölkerungswachstum in Hamburg steigen die Anforderungen an das Sielnetz. Die bebauten Flächen, von denen Regenwasser in die Siele fließt, nehmen durch Zuzug und Nachverdichtung zu. Das Regenwasser findet nur wenige Wege, natürlich zu versickern. Diese Entwicklung macht sich besonders bei starken Regenereignissen bemerkbar. In diesen Fällen kann es zu einer Überlastung der Kanalisation und zu Überflutungen kommen.

Muss die Kanalisation wegen der zunehmenden Starkregenfälle ausgebaut werden?

Starkregen allein mit dem Ausbau der Kanalisation zu begegnen wäre zu kurz gedacht. Es ist ja das Wesen des Starkregens, dass er nur sehr lokal und – bei aller erwarteten Zunahme – nur äußerst selten auftritt. Die Kanalisation an allen Stellen der Stadt darauf auszulegen wäre technisch und wirtschaftlich schwer darstellbar. Welche Folgen ein Regenguss haben kann, hängt auch von der Fläche ab, auf die er niedergeht. Versiegelte und an die Kanalisation angeschlossene Flächen erzeugen sehr viel Abfluss in unsere Systeme. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, in der gesamten Stadtplanung alternative Wege zum Umgang mit Regenwasser zu finden. Das Wachstum der Stadt muss wassersensibel erfolgen, damit wir robuster für die Folgen des Klimawandels aufgestellt sind.

Wie können Sie mit anderen städtischen Stellen dafür sorgen, dass Grünflächen erhalten und neue Flächen zur Versickerung geschaffen werden?

Um der Flächenversiegelung und den Folgen des Klimawandels zu begegnen, müssen lokale Lösungen für die Überflutungsvorsorge gefunden werden. Ziel ist die Transformation Hamburgs zu einer Schwammstadt, in der Niederschlagswasser größtenteils vor Ort zurückgehalten wird, versickert und verdunstet. Das trägt zur Kühlung bei und sorgt für ein angenehmes Stadtklima. Mit der Umweltbehörde haben wir dafür das Projekt RISA – RegenInfraStrukturAnpassung – ins Leben gerufen. Es skizziert Handlungsoptionen für eine wassersensible, nachhaltige Gestaltung der Stadt. Wird eine ausreichend dimensionierte Wasserinfrastruktur in Kombination mit optimalen Maßnahmen des Regenwassermanagements von Anfang an in die Planungen integriert, verringert das nachträgliche Kosten und potenzielle Schäden.

Sollte es zur Pflicht werden, nur noch begrenzt Abwässer einzuleiten?

Teilweise geschieht das schon. Wenn etwa neue Bauprojekte geplant sind, prüfen wir, ob die Kanalisation vor Ort groß genug ist, um weiteres Wasser von neuen Dachflächen aufzunehmen. Ist das nicht der Fall, darf das Niederschlagswasser nicht in die Kanalisation geleitet werden. Stattdessen müssen die Bauherren Möglichkeiten wie lokale Versickerung nutzen. Das lohnt sich auch finanziell: Für Niederschlagswasser, das nicht in unser System eingeleitet wird, sind keine Gebühren zu entrichten.

Machen Ihnen auch häufigere Dürreperioden wie in den vergangenen Sommern bei der Trinkwasserversorgung zu schaffen? Steigt in diesen Zeiten der Verbrauch stark?

Laut aktuellen Klimamodellen ist für Norddeutschland nicht von einem Rückgang der Grundwasserneubildung auszugehen. Unsere wichtigste Ressource wird also auch künftig nutzbar sein. Dennoch verändern sich die Randbedingungen für dessen Nutzung. Es ist zu beobachten, dass sich mit dem Klimawandel die Verteilung der Niederschläge in das Winterhalbjahr verlagert. Im Sommerhalbjahr folgen dann Hitze sowie lange, starke Trockenphasen. Genau das konnten wir 2021/2022 beobachten. Das führt dazu, dass sich die Abgabemengen saisonal erhöhen und Spitzenwerte erreichen können. Unsere Systeme laufen dann auf Volllast, was über eine lange Dauer zu Problemen führen kann. Gleichzeitig führt Trockenheit zu steigenden Bedarfen anderer Nutzergruppen, die Pflanzen geraten unter Stress. Es bleibt also wichtig, sparsam und effizient mit Wasser umzugehen und die Ressource zu schonen.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2023.