Seit ihrer Gründung im Jahr 1955 ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind Staatsbürger in Uniform, die sich schon durch ihren Eid den Werten und Normen des Grundgesetzes besonders verpflichtet haben. Die zentrale Instanz, um diese Werte zu vermitteln, ist die Innere Führung. Zu ihren Leitlinien zählen Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Sie sind fester Bestandsteil in der Aus- und Weiterbildung und für alle Angehörigen der Bundeswehr verbindlich.
Daneben gibt es noch den Traditionserlass der Bundeswehr, der am 28. März 2018 letztmalig angepasst worden ist. Er gibt vor, auf welche Traditionen sich die Bundeswehr bezieht. Dort heißt es gleich zu Beginn: »Die Tradition der Bundeswehr ist der Kern ihrer Erinnerungskultur. Sie ist die bewusste Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in gewachsenen Ausdrucksformen. (…) Die Tradition der Bundeswehr bewahrt deren Erbe auf der Grundlage der Werteordnung des Grundgesetzes und, daraus abgeleitet, des Soldatengesetzes. Sie ist integraler Bestandteil der Konzeption der Inneren Führung. Tradition bildet sich in einem fortlaufenden und schöpferischen Prozess wertegeleiteter Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Tradition ist nicht Geschichte, sondern eine absichtsvolle und sinnstiftende Auswahl aus ihr.«
In beiden Leitfäden geht es um die schwierigen Auseinandersetzungen mit der deutschen Vergangenheit unter der nationalsozialistischen Diktatur. Traditionsstiftend aus der Zeit der Wehrmacht (und davor) sind für die Bundeswehr demnach lediglich das Attentat vom 20. Juni, die Preußischen Heeresreformer und die Tradition der Bundeswehr selbst seit ihrem Gründungsjahr. Aus diesen Leitfäden also soll der Bogen gespannt werden zu der Aufarbeitung der Vergangenheit, den aktuellen und zurückliegenden Auslandseinsätzen und dem alltäglichen Dienstbetrieb. Dies zu leisten ist eine echte Herausforderung für die Truppe.
Der politischen Bildung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Bundeswehrangehörigen, so heißt es beim Zentrum für Innere Führung, soll auf allen Ebenen Vorrang eingeräumt werden.
Realität ist hingegen, dass die Bundeswehr seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mit einer Fülle von Mehraufgaben zur Stärkung der NATO-Ostflanke konfrontiert ist. Zusätzliche Lehrgänge, Übungen, einsatzgleiche Verpflichtungen führen dazu, dass Ausbildungsgänge wie die politische Bildung weiter aus dem Fokus geraten. Genau diese Lehrgänge sind bereits in der Coronazeit stark reduziert worden.
Der Vermittlung von Werten, für die die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einstehen sollen, wird vor dem Hintergrund der zunehmend rechtsextremistischen Tendenzen in unserer Gesellschaft noch mehr Gewicht zukommen. Eine der Herausforderungen für das Zentrum für Innere Führung besteht darin, solchen Tendenzen mit einer Traditionspflege zu begegnen, die innerhalb der Truppe auch gut zu vermitteln ist.