Was tun bei Rassismus im Netz? Eine Möglichkeit ist es, sich direkt an HateAid zu wenden. Dort wird Betroffenen digitaler Gewalt ein kostenloses Beratungsangebot und Prozesskostenfinanzierung angeboten. Dabei hilft HateAid allen, die selbst keinen Hass verbreiten.

HateAid hilft bei digitaler Gewalt. Was kennzeichnet insbesondere Rassismus in den sozialen Medien?

Digitale Gewalt kann jeden Menschen treffen, aber sie trifft nicht alle gleich. Wir beobachten in unserer Beratung, dass sich Diskriminierungsmuster auch im digitalen Raum fortsetzen. Das bedeutet: Menschen, die bereits im analogen Leben rassistischer Gewalt und Ausgrenzung ausgesetzt sind, erleben dasselbe oft auch online. In einer repräsentativen bundesweiten Untersuchung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena von 2019 gaben mehr als 90 Prozent der Befragten, die schon einmal Hass im Netz beobachtet haben, an, dass sich dieser gegen Menschen mit Migrationshintergrund, Musliminnen und Muslime oder geflüchtete Menschen gerichtet habe. Man muss also leider sagen: Entwürdigende rassistische Äußerungen und Angriffe haben Hochkonjunktur im Netz. Manche fantasieren da gar von einem Tag  X, an dem endlich einmal Schluss sei und man zu den Waffen greifen würde. Da werden dann auch Geflüchtete mit Parasiten verglichen und hier aufgewachsene Menschen unter Drohungen dazu aufgefordert, doch »dahin zurückzugehen, wo sie hergekommen sind«. Und manchmal wird die Gewalt auch sehr konkret – z. B. dann, wenn private Daten wie die Adresse oder der Name der Schule der Kinder im Netz veröffentlicht werden. Menschen sollen so gezielt eingeschüchtert und aus dem öffentlichen Raum herausgedrängt werden.

Wie hilft HateAid Menschen, die online Rassismus erfahren?

Wer Hass im Netz erlebt, macht eine Gewalterfahrung – und die hat massive Auswirkungen. Das reicht von Ängsten, Scham und Wut bis hin zu Depressionen, Schlaflosigkeit oder sogar Suizidgedanken. Damit sollte niemand allein bleiben müssen.

Wir bieten daher zunächst eine emotional-stabilisierende Erstberatung an und geben Betroffenen den Raum, über das Erlebte zu sprechen. Daneben unterstützen wir mit einer Kommunikations- und Sicherheitsberatung. In einem Privatsphäre-Check schauen wir beispielsweise, ob und welche privaten Informationen sich über eine Person im Netz finden lassen. Außerdem unterstützen wir Betroffene dabei, rechtlich gegen die Täterinnen und Täter vorzugehen. Ein erster Schritt ist beispielsweise, die Kommentare mithilfe rechtssicherer Screenshots zu dokumentieren. So etwas übernehmen wir bei Bedarf, damit sich Betroffene nicht selbst durch den ganzen Hass arbeiten müssen. Darüber hinaus unterstützen wir bei der Anzeigeerstattung und übernehmen in geeigneten Fällen die Kosten für eine anwaltliche Beratung und Vertretung. Hierzu kooperieren wir mit spezialisierten Kanzleien.

Was ist zu tun, um Rassismus auch in digitalen Räumen zu bekämpfen und vorzubeugen? Was fordert HateAid diesbezüglich von der Politik?

Das Internet ist längst zu einem der wichtigsten Debattenräume unserer Zeit geworden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen dort systematisch ausgegrenzt und diskriminiert werden. Es braucht unter anderem konsequente Strafverfolgung im Netz, damit potenzielle Täterinnen und Täter abgeschreckt werden. Noch immer berichten uns Betroffene in der Beratung davon, dass sie bei Polizeidienststellen nicht ernst genommen wurden. Verfahren werden bei den Staatsanwaltschaften gerade im Bereich der Beleidigungsdelikte viel zu oft eingestellt. Deshalb sind Schulungen, eine generelle Sensibilisierung von Justiz und Strafverfolgungsbehörden für digitale Gewalt, aber auch Aufstockung des Personals wichtig. Außerdem braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen, um Täterinnen und Täter zuverlässig identifizieren zu können, damit klar ist, dass Straftaten im Netz auch Konsequenzen haben. Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Social-Media-Plattformen endlich sicherere Orte werden. Das heißt, dass die Plattformen Maßnahmen ergreifen müssen, um Menschen zu schützen. Da geht es z. B. um die schnelle und zuverlässige Entfernung von illegalen Inhalten und Fake Accounts. In den nächsten Jahren wird es dabei außerdem auf die Umsetzung und Einhaltung der Vorgaben des europäischen Digital Services Act durch die Plattformen ankommen. Und es braucht uns alle, die gesamte Gesellschaft: Wenn wir rassistische Kommentare auf Facebook sehen, können wir das melden. Wenn wir volksverhetzende Inhalte oder verfassungsfeindliche Symbole sehen, können wir das anzeigen – auch dann, wenn wir nicht persönlich attackiert werden. Wenn wir sehen, wie eine Person gezielt angegriffen und niedergemacht wird, können wir ihr zur Seite stehen  – etwa durch aktive Gegenrede, unterstützende Kommentare oder solidarische Direktnachrichten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2022.