Der Garten spiegelt als Symbol eines räumlich-geografischen und zeittypischen Wertekanons die Lebenswelt seiner Menschen. Ungeachtet seiner Permanenz oder seiner formalen Mutationen ist der Garten daher immer kultureller Ausdruck einer Gesellschaft. Inwieweit der Garten als Kunstobjekt im Sinne von Gartenarchitektur zu betrachten sei, hängt von der physischen Ausgestaltung ab, die das Geschaffene mit einem dauerhaften ästhetischen Wert verbindet und gleichzeitig die Beziehung zwischen Mensch und Natur konnotiert. In diesem Sinne ist das Kulturgut Garten immer mehr als bloße Natur oder nur eine Gebäudegruppe. Es ist die formal betonte Verschmelzung von Gebautem und Gewachsenem, in dem sich erworbenes technisches Know-how mit tradierter Baukultur und der Liebe zur Natur verbinden.

Persien wird gegen Ende des 20. Jahrhunderts offiziell Iran genannt, ist jedoch hinsichtlich der ehemaligen Ausdehnung des Reichs nicht mit diesem identisch. Etwa 1.000 Jahre vor dem Einfall der Araber, also in vorislamischer Zeit bis zum Ende des 7. Jahrhunderts, beherrschten persische Dynastien wie die Achämeniden Teile von Hochkulturen wie Griechenland, Mesopotamien und Ägypten. Mithilfe der Baumeister und Künstler entfaltete sich eine eigene persische Baukultur am Hof der Herrscher. Zu nennen sind hier vor allem Dareios I. und Kyros II., der Große, mit ihren wichtigen Residenzstädten Susa, Pasargadae und Persepolis. Die Beherrschung der Bewässerungstechnik, Palastbauten und Baumpflanzungen sind bereits im Reich der Assyrer im Zweistromland in ihrer Metropole Ninive bezeugt. Die legendären hängenden, terrassierten Gärten der Semiramis werden damit oft in Verbindung gesetzt. Die dortige rektilineare Verflechtung von Palastbauten mit Freiflächen, wie dies Kyros II. in Pasargadae erstmals ausführen ließ, wird als Ausgangspunkt einer Entwicklung gesehen, die in der islamischen Gartenkultur ihre besondere Ausprägung findet und mit dem Begriff »Paradiesgarten« verbunden wird. In seiner Grundstruktur (Tschahār Bāgh) ist er mit zwei Achsen viergeteilt, sodass vier Achsenabschnitte als die vier legendären Ströme im Koran verstanden werden können. Diese Vierteilung ist auch ein Merkmal der persischen Palast- und Sakralarchitektur als religiöses Verständnis der Welt und – wie auch in den Gärten erkennbar – dient ihre Ausschmückung von Innen- und Außenwänden mit bunter Keramikornamentik der Ehre Gottes.

Der frühe islamische Garten ist nie nach außen orientiert und grenzt sich gegen die Unbill des wasserlosen, trocknen und staubigen Landes ab. Baumpflanzungen, später auch Rosenpflanzungen, Wasserspiele, Wasserrinnen und Wasserfälle scheinen dem Besucher ein paradiesisches Wohlbefinden zu entlocken. Derartige leicht hängende Gartenanlagen sind in ihrer architektonischen und treppenreichen Ausformung eher ein Machtstatement des Herrschers, der am obersten Punkt in seinem Palast die Bitten seiner Schutzbefohlenen entgegennimmt. Erkennbar ist dies etwa in den Mogul-Gärten Indiens, die in einer frühen Phase als Mausoleen gestaltet wurden. Das bekannteste Beispiel ist das Taj Mahal. Immer ist die Wasserachse ein prägendes Element. Dieser Archetyp eines islamischen Gartens hat sich während der 350-jährigen Herrschaft der Timuriden und der Safawiden in Zentralasien ab dem Ende des 14. Jahrhunderts und während der über 350-jährigen Mogul-Herrschaft in Indien und im heutigen Pakistan ab dem 16. Jahrhundert entwickeln können. Wasser ist ein essenzielles Element der persischen Kultur. Seine Verfügbarkeit geht auf ein jahrtausendealtes unterirdisches Kanalsystem (Qanat) zurück und trug wesentlich für die Entstehung einer persischen Gartenkultur bei. Das grundwasserführende System soll ursprünglich über 300.000 Kilometer Länge betragen haben. Mit der Ausbreitung des Islams über das römische Byzanz, Ägypten, Nordafrika bis nach Spanien im 8. Jahrhundert verlor das Qanat in diesen Ländern seine Bedeutung, ohne dass der Archetyp der Gartenwasserachse in den neu eroberten Ländern wie Spanien vergessen wurde, wie man noch heute in Granada erkennen kann.

Das Kunsthandwerk, in besonderem Maße die Fliesen- und Keramiktechnik, die in ihren Anfängen auf die persischen Dynastien der Achämeniden und Sasaniden zurückgeht, ist in seinen floralen Mustern eng mit Gartenkultur verbunden. Man denke an die berühmte Blumen-Keramik von Izmir oder an die spanisch-portugiesischen Azulejos, die auf islamische Bauten in Spanien des 11. bis 14. Jahrhunderts zurückgehen. Natur- und Gartenornamentik ist ein wichtiger Teil persischer Gartenkultur, wie an berühmten Gartenteppichen im Stil des Tschahār Bāghoder am Beispiel bunter Buchminiaturen mit Gartenmotiven ab dem 13. Jahrhundert zu sehen ist. Dazu gehört die epische Dichtung von Firdausi, die im 10./11. Jahrhundert »Das Buch der Könige« (Schāhnāme) geschrieben hatte und damals bereits Einblicke in die persische Gartenkultur erlaubte. Dichter wie Hāfez benutzten Pflanzen als Symbolträger in ihren Gedichten. Goethe, der selbst nie in Persien war, hat sich intensiv mit dem Werk von Hāfez auseinandergesetzt und daran angelehnt seine Lyriksammlung »West-östlicher Divan« entwickelt.

Diese kurze Übersicht zur persischen Gartenkultur zeigt ihre Bandbreite auf, die bis heute auch unsere Gartenkultur mit dem Symbol des Paradiesgartens befruchtet, obwohl sich die Gartenkunst den Herausforderungen des Klimawandels und den Fragen der Nachhaltigkeit nicht verschließen kann.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.