Künstliche Intelligenz – kaum ein Tag vergeht, ohne dass in den Medien über neueste KI-Entwicklungen berichtet wird. ChatGPT, DeepL oder Stable Diffusion sind in aller Munde, und das Erstaunen über die Inhalte, die mit derartigen Systemen in kürzester Zeit geschaffen werden können, nimmt immer mehr zu. Die Sorgen darüber allerdings auch. Wer weiß schon, ob nicht auch dieser Artikel von ChatGPT stammt?

Neben den Chancen, die mit der Fortentwicklung von KI verbunden sind, dürfen deshalb die Risiken für Urheberinnen und Urheber sowie die gesamte Kreativwirtschaft keineswegs ausgeblendet werden. Natürlich ist es faszinierend, wozu KI bei Texten, Musik, bildender Kunst oder Fotografie in der Lage ist. Auf der anderen Seite sind diese Ergebnisse einer Maschine ohne die Kreativität und Originalität von Menschen undenkbar. Fällt der menschliche Erfindungsreichtum eines Tages weg und speist sich KI nur noch durch Erzeugnisse, die ihrerseits bereits von KI-System stammen, wäre dies ein gesellschaftlicher Albtraum. Trotz und wegen KI muss es deshalb weiterhin das zentrale Ziel sein, Anreize für menschliche Kreativität zu schaffen und Werke von Menschen durch das Urheberrecht zu schützen.

Die urheberrechtliche Bewertung Künstlicher Intelligenz sollte dabei in zweierlei Hinsicht vorgenommen werden: Zum einem geht es um das geschützte Werk, welches für die Entwicklung von KI genutzt wird, und zum anderen um das Erzeugnis, welches durch den Einsatz von KI-Systemen hergestellt wird. Wenig schön, aber plakativ lässt sich Ersteres als »Input« und Letzteres als »Output« bezeichnen.

Input

Künstliche Intelligenz ist möglich, weil geschützte Werke im großen Stil genutzt werden, um KI-Systeme zu trainieren. Dabei kommt es vielfach zu Vervielfältigungen der Werke. Urheberrechtlich sind derartige Vervielfältigungen im Grundsatz nur zulässig, wenn die Rechteinhaber zuvor zugestimmt haben. Allerdings haben der europäische und der nationale Gesetzgeber in den letzten Jahren Regelungen für das sogenannte Text- und Data-Mining geschaffen, die als »Schranken des Urheberrechts« Vervielfältigungen gesetzlich erlauben. Text- und Data-Mining ist mit den Worten des Gesetzes »die automatische Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen«. Eine solche Nutzung ist sowohl für kommerzielle Zwecke als auch im Rahmen von wissenschaftlicher Forschung erlaubt. Ob diese Schrankenregelungen die Nutzung von geschützten Werken für die Entwicklung von KI-Systemen hinreichend abdecken, ist allerdings nicht sicher. Zweifelhaft ist auch, ob der Gesetzgeber, als er die Regelungen verabschiedete, bereits vollständig absehen konnte, welche enormen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Zukunft möglich sind. In jedem Fall ist aber höchst problematisch, dass – anders als bei vielen anderen Schrankenregelungen – kein gesetzlicher Vergütungsanspruch für die gesetzlich erlaubten Nutzungen vorgesehen ist. Der Deutsche Kulturrat hat sich im Zusammenhang mit dem einschlägigen Gesetzgebungsverfahren – konkret ging es um die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (»DSM-Richtlinie«) – stets dafür eingesetzt, gesetzliche Vergütungsansprüche auch für Text- und Data-Mining vorzusehen. Leider vergeblich. Dieses Ergebnis sollte in Kenntnis der neuesten Entwicklungen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz dringend überdacht werden. Es ist rechtspolitisch nur schwer hinnehmbar, dass geschützte Werke massenhaft für die Entwicklung von kommerziellen KI-Systemen genutzt werden, gleichzeitig aber die Urheber und sonstigen Rechteinhaber an den Gewinnen der Unternehmen in keiner Weise partizipieren. Ein derartiger Vergütungsanspruch könnte treuhänderisch durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden, wie es beispielsweise seit Jahrzehnten im Bereich der gesetzlich erlaubten Privatkopie der Fall ist.

Output

Urheberrechtlich stellt sich im Zusammenhang mit den Erzeugnissen, die durch KI produziert werden, eine Vielzahl von Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Weitgehend klar ist lediglich, dass nach deutschem und europäischem Urheberrecht nur Menschen urheberrechtlich geschützte Werke schaffen können. Daran sollte auch nichts geändert werden. Wie aber sieht es mit einem etwaigen Leistungsschutz aus, den das Urheberrecht beispielsweise bei Datenbankenherstellern oder Presseverlagen kennt. Hier wird die Investitionsleistung von Unternehmen geschützt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Gegenstand des Leistungsschutzes auch als Werk angesehen werden kann. In der Systematik des Urheberrechts wäre ein solches – neues – Leistungsschutzrecht möglicherweise auch für KI-Erzeugnisse denkbar. Aber ist es auch rechtspolitisch sinnvoll?

Besonders schwer zu beurteilen wird sein, ob geschützte Werke nicht durch, sondern lediglich mithilfe von KI geschaffen werden. Wenn z. B. der Vorschlag des KI-Systems für eine Übersetzung nochmals in relevanter Weise von einem Menschen bearbeitet wird, kommt grundsätzlich ein urheberrechtlicher Schutz der Bearbeitung in Betracht. Das Problem ist nicht neu und stellt sich in vergleichbarer Weise auch bei der Bearbeitung von geschützten Werken. Es könnte aber hier eine ganz andere Dimension bekommen.

Geklärt werden muss auch, wie Verwertungsgesellschaften sicherstellen können, dass Vergütungen nur für Werke gezahlt werden, die urheberrechtlich geschützt sind. Das gilt jedenfalls, soweit es um die Wahrnehmung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen geht, die nur bei urheberrechtlich geschützten Werken – oder im Rahmen eines Leistungsschutzes – bestehen. Neben etwaigen Softwarelösungen könnten hier möglicherweise verbindliche Erklärungen der Rechteinhaber in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Es geht bei diesem letzten Gesichtspunkt um Transparenz, die gerade im Kontext von KI von großer Bedeutung ist, weit über die praktische Administration von Rechten bei Verwertungsgesellschaften hinaus. Ob ein Artikel in einer Zeitung, ein wissenschaftlicher Aufsatz, die Übersetzung eines Buches oder vielleicht sogar Lyrik und Belletristik von einem Menschen oder einer Maschine geschaffen wurde, sollte vollständig transparent sein. Das hat im Ansatz auch die EU-Kommission gesehen, die in ihrem Entwurf für einen »Artificial Intelligence Act«, kurz »AI Act«, der derzeit auf europäischer Ebene beraten wird, Transparenzregelungen vorsieht. Ob diese allerdings weit genug gehen, kann sehr bezweifelt werden und sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren nochmals dringend überprüft werden.

Sicher ist im Ergebnis nur eines: Der richtige Umgang mit KI wird die urheberrechtliche Diskussion in nächster Zeit stark bestimmen. Das betrifft auch den Fachausschuss Urheberrecht des Deutschen Kulturrates, der sich bereits in zwei spannenden Sitzungen mit dem Thema befasst hat und – hoffentlich – demnächst eine erste Stellungnahme vorlegen kann.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2023.