Dürre versus kulturelles Erbe: Cord Panning, Direktor des Fürst-Pückler-Parks im sächsischen Bad Muskau, spricht mit Ludwig Greven über die Einzigartigkeit dieses deutsch-polnischen Landschaftsgartens, Naturmalerei und Selbsthilfe der Bäume gegen die Folgen der Klimaerwärmung.

Ludwig Greven: Als man Ihnen mit Mitte 30 nach einer Baumschullehre und einem Landschaftsarchitekturstudium in Hannover die Leitung des Fürst-Pückler-Parks antrug, haben Sie zunächst abge-lehnt. Warum?

Cord Panning: Ich komme aus Niedersachsen und mein Horizont endete an diesen Grenzen. Das Höchste waren für mich damals die Herrenhäuser Gärten, wo ich seit 1992 arbeiten durfte. Dieter Hennebo, der aus der Lausitz stammt und in Hannover Gartenkunst und Gartendenkmalpflege als Fach etabliert hat, hat mich neben anderen ermutigt, dann doch nach Muskau zu gehen.

Was ist das Besondere am Muskauer Park?

Neben der gewaltigen Größe ist das Einzigartige, dass er seit 1945 zweistaatlich ist. Die Neiße bildet nicht nur die Grenze zwischen Deutschland und Polen, sondern ist auch der Mittelpunkt des Parks. Im April 1945 gab es dort Kämpfe, durch Artilleriebeschuss wurden die Stadt und der Park schwer beschädigt, das Alte Schloss wurde zerstört, auch viele Bäume wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es ist eine wunderbare Geschichte, dass seit 1990 die Restaurierung des Parks gemeinsam mit den polnischen Kollegen gelungen ist. Über den Verheerungen des Krieges und seine Folgen ist man durch die Gartenkunst wieder zusammengekommen. Ein gutes Beispiel, wie man das gemeinsame kulturelle Erbe erhalten und pflegen kann. Das andere, was man sonst so nicht kennt, ist, dass man in Muskau den Begriff Landschaftspark wörtlich genommen hat. Es wurde sehr sensibel und zurückhaltend in der gegebenen Natur und Landschaft eine idealisierte Naturlandschaft geformt, mit einer monumentalen, kontemplativen Weite. Ein malerischer Entwurf. Das ist nirgendwo sonst in Kontinentaleuropa so geglückt.

Mit welchem Gedanken hat Fürst Pückler ab 1815 diesen Park angelegt?

Er wollte aus seinem kleinen Herrschaftsbereich das Bestmögliche entwickeln, auch ästhetisch, und sich als Landschaftsgestalter hervortun. Orientiert hat er sich vor allem an den Parks in England, die er mehrfach studieren konnte. Dies erfolgte bei ihm aber nicht nach einer strikten »Roadmap«. Vieles entsprang flüchtigen Visionen und Launen, etliches ist schiefgegangen. Er hat das Projekt auch schon nach wenigen Jahren abgebrochen, aus Geldmangel und weil ihm Ländereien fehlten, und musste schließlich Muskau verkaufen.

Wenn es seine Frau und den professionellen Gärtner Rehder nicht gegeben hätte, wäre es nie zur Ausformung der Parklandschaft gekommen. Erst unter seinen Nachfolgern ist der Park dann im Detail vollendet worden.

Auf Ihrer Website sprechen Sie von Naturmalerei und Landschaftskomposition. Lässt sich der Park tatsächlich mit einem Gemälde vergleichen?

Der Park folgt den klassischen Mustern der Malerei, dem Goldenen Schnitt, einem Bildaufbau mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund, dem Wechsel von Licht und Schatten, mit verschiedenen Texturen und Ähnlichem mehr. Aber anders als ein Gemälde ist er nicht statisch. Es gibt nicht den einen Betrachterstandpunkt. Das Grandiose an einem Landschaftspark ist, dass man sich mit allen Sinnen inmitten eines Gartenkunstwerks bewegt. Man kann die Wahrnehmung völlig individuell auf sich selbst ausrichten. In Muskau hat man zudem den großen Entwicklungssprung vollzogen, dass man nicht mehr auf Architektur setzt, um zwischen den verschiedenen Partien zu vermitteln. Über die raumbildende Vegetation kommt man zu einer eigenen Ausdrucksform.

Der Park ist naturnah angelegt, aber dennoch eine von Menschen geschaffene Kulturlandschaft.

Er ist, dem damaligen Zeitgeist folgend, ein ästhetisches, naturidealisierendes Kunstwerk. Letztlich sind fast alle Landschaften in Mitteleuropa gestaltet. Die reine Naturlandschaft gibt es kaum noch. Das Schöne an Muskau ist, dass Pückler und seine Nachfolger nur mit dem vorhandenen Boden, Wasser und Relief der Gegend gearbeitet haben. Die wichtigsten Akzente, die er gesetzt hat, sind nicht Obelisken oder Gebäude, sondern schlichte Steinbänke aus Granit der Lausitz.

Passt die Pflege und der Erhalt eines solchen Parks zum heutigen Gedanken des Naturschutzes?

Teilweise. Da haben sich leider zwei benachbarte Disziplinen auseinander bewegt, auch durch divergierende Gesetzgebung. Ein extremes Beispiel ist der Biber. Er richtet größtmöglichen Schaden an den Bäumen an, ist aber so stark geschützt, dass man ihn kaum wieder aus den Anlagen herausbekommt. Auf der anderen Seite bietet der Muskauer Park wie andere historische Gärten Habitate, die man sonst nirgendwo mehr findet. Wir haben jahrhundertealte Bäume, die wunderschön morbid sind. Für die Fauna, Vogelwelt und Insekten ein Paradies. Derartige Biotope findet man sonst kaum noch, weder in Deutschland noch in Polen.

Ist das ähnlich wie bei manchen Wildtieren, die nur noch im Zoo überleben?

Anders als die sind bestimmte Bäume nicht völlig verschwunden. Aber wo findet man sonst noch 800 Jahre alte Eichen? Das gilt auch für einige unserer Magerwiesen, die man besonders in der Agrarlandschaft nicht mehr vorfindet.

Kommen Besucher gezielt deswegen?

Auch. Wir bieten dazu Führungen an, mit dem BUND und Insektenkundlern. Es ist hochspannend, was sich da alles im Park tummelt. Es ist auch für mich eine besondere Erfahrung, dass man den Park ganz unterschiedlich erleben kann: als Ausflug, als romantischer Spaziergang, unter botanischem oder gartenkünstlerischem Gesichtspunkt, unter dem Aspekt der Artenvielfalt oder auf der Mikroebene der Gräser, jenseits der großen Sichtachsen. Kultur, Landschaft und auch der Tourismus gehen da eine Symbiose ein.

Der Park ist seit 1991 Gartendenkmal, seit 2004 UNESCO-Weltkulturerbe. Bedeutet das, dass Sie nichts verändern dürfen?

Das wäre eine sehr puristische Sicht. Schon unter Pückler gab es Umgestaltungen und Erweiterungen. Es hat nie einen statischen Punkt gegeben, den man einfrieren wollte oder könnte. Dazu kommen die Zerstörungen im Lauf der 200 Jahren und besonders des Zweiten Weltkriegs und nach der Teilung des Parks. Bei den dadurch entstandenen Bestandslücken und »weißen Flecken« überlegen wir jeweils, ob eine punktuelle Rekonstruktion infrage kommt. Das gelingt manchmal. Oft fehlen aber die Quellen, um das exakt wieder hinzubekommen. Da greifen wir dann zu einer modernen Interpretation, in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Was an historischer Substanz da ist, wird in jedem Fall erhalten.

Wie stark trifft der Klimawandel und die jahrelange Trockenheit den Park?

Das ist eine Herausforderung. Wir haben dazu ein Forschungsprojekt aufgelegt, mit der Deutschen Stiftung Umweltschutz, um deutschlandweit eine Bestandsaufnahme für staatlich verwaltete Gärten zu machen. Der Klimawandel ist ein Extremfall dessen, was in den Parks ohnehin immer notwendig ist, die Bäume und Pflanzen stetig zu erneuern und dabei die gestalterische Idee in eine neue Generation von Gehölz zu übertragen. Das ist durch die Dürrejahre enorm dynamisiert worden. Wir haben gewaltige Abgänge zu verzeichnen. Dazu kommen die Kriegseinwirkungen, die viele Gehölze vorgeschädigt haben. Viele Bäume haben nach über 200 Jahren auch ihr natürliches Lebensalter erreicht, sodass sowieso ein Umbruch ansteht. Das alles führt im Muskauer Park zu unterschiedlichen Symptomen.

Wie sehen die aus?

An der Neiße geht es, weil wir da einen relativ hohen Grundwasserspiegel haben. Im höher gelegenen Bergpark mit teils sandigem Boden kollabieren die historischen Buchen zunehmend. Die schlechte Nachricht: Diese Bäume werden wir nicht halten können und müssen sie zum Schutz der Besucher und der angrenzenden Häuser fällen. Da wird es eine Zäsur geben im Erscheinungsbild des Bergparks. Die gute Nachricht: Es klappt bei uns wunderbar mit der Naturverjüngung. Die Buchen generieren Nachwuchs an Ort und Stelle, der vitaler und resilienter ist und sich so an die verschärften klimatischen Bedingungen anpasst. Trotzdem müssen wir Vorsorge treffen und experimentieren, welche Ersatzarten in Betracht kommen könnten, biologisch, aber auch vom Phänotyp, weil wir ja das Erscheinungsbild des Parks erhalten wollen. Wir haben dafür unter anderem eine Versuchsfläche mit 8.000 Jungpflanzen angelegt. Aber das ist für mich immer nur der Plan B, auch weil wir durch andere Bäume das Ökosystem des Parks, die Biozönose im Zusammenspiel von Tieren und Pflanzen verändern. Das Ideal ist, dass sich der Park selbst über die genetische Vermehrung regeneriert. Das geht allerdings nicht bei Hybriden, wie z. B. Platanen, die steril sind. Den überwiegenden Teil unserer Bäume betrifft diese Einschränkung jedoch nicht.

Von Trockenheit betroffene Bäume sind auch anfälliger für Schädlinge. Was tun Sie dagegen?

In einem so großen Landschaftsgarten kann man nicht flächendeckend zur Spritze greifen, das ist keine Option. Es kommen mit der Klimaerwärmung auch immer neue Schädlinge dazu. Wir haben seit Kurzem den Austernseitling, den es hier vorher nie gegeben hat. Prophylaktisch helfen dagegen die natürliche Verjüngung mit resistenterem Nachwuchs und eine gesunde Mischung der Gehölze, um eine höhere ökologische Stabilität zu erreichen und Totalverlust wie bei der Fichten-Monokultur im Harz durch den Borkenkäfer zu vermeiden. Wir haben zum Glück keine Nadelgehölze. Dennoch kann man sich gegen immer neue Wellen von Schädlingen nicht völlig schützen, eine ganz praktische und leider sehr real erfahrbare Folge des Klimawandels.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.