Ob im Hosenanzug, im Designerkleid oder im Fußballtrikot: Dorothee Bär macht modisch eine gute Figur. Theresa Brüheim spricht mit der CSU-Politikerin und Staatsministerin a. D. über Mode in der Politik.
Theresa Brüheim: Frau Bär, welche Bedeutung hat Mode für Sie persönlich?
Dorothee Bär: Für mich ist Mode Kulturgut. Sie ist ein wichtiger Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und oft auch ein Spiegel der jeweiligen Zeit. Dabei ist mir wichtig, dass Kleidung situationsangemessen ist, denn sie ist ein Ausdruck der Wertschätzung für unser Gegenüber. Durch entsprechende Kleidung kann ich beispielsweise jemanden die Ehre erweisen. Grundsätzlich gilt für mich, dass jeder und jede das tragen soll, was ihm oder ihr gefällt, worin er oder sie sich wohlfühlt. Auch in der Politik natürlich.
Was dürfen Politikerinnen tragen?
Politikerinnen dürfen alles tragen. Unsere Vorfahrinnen haben uns sehr viel erkämpft: Noch Anfang der 1970er Jahre war es keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen auch Hosenanzüge im Deutschen Bundestag tragen konnten, ohne geschmäht zu werden. Es wurde erwartet, dass Politikerinnen im Kostüm kamen. Der Hosenanzug wurde als zu männlich wahrgenommen. Die Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert. Deswegen sage ich: Politikerinnen dürfen heute alles tragen.
Ich persönlich bin zwar sehr tolerant, mache aber immer einen Unterschied, ob die Kleidung der Situation angemessen ist. Natürlich kann ein Jogginganzug auch ein Ausdruck der Persönlichkeit sein, würde aber am Rednerpult im Plenum des Deutschen Bundestags nicht den notwendigen Respekt vor dem Haus vermitteln.
Interessant ist dabei auch der Blick in andere Länder: Im italienischen oder französischen Parlament gibt es weniger Aufregung, wenn Frauen ein schickes Kostüm oder hohe Absätze tragen. Bei uns in Deutschland ist es per se verdächtig, Wert aufs Äußere zu legen. In Frankreich beispielsweise erwartet man von Politikerinnen und Politiker zugleich ein stilsicheres Auftreten – natürlich auch als Hommage an die französische Modeindustrie. Aber ebenso in Italien und im Baltikum habe ich das erlebt. Mode – auch in der Politik – ist immer auch ein kultureller Ausdruck des Landes.
2015 haben Sie im Deutschen Bundestag mal ein Trikot vom FC Bayern München getragen.
Bayern hatte am Tag zuvor ein Spiel verloren. Mir war klar, dass es Sprüche hagelt, wenn mein Lieblingsverein mal nicht performt. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass ich nicht nur in guten, sondern auch in schweren Zeiten zu meinem Verein stehe. Ich habe nicht erwartet, dass das eine derart große Aufregung nach sich zieht. Ich trug ja auch einen Blazer drüber.
Aber es hat Die Linke dann doch getriggert.
Mode ist Kommunikation. Wählen Sie z. B. für eine anstehende Rede im Plenum gezielt Kleidung aus, um die Botschaft zu untermalen?
Bei Frauen wird immer noch mehr auf die Kleidung geachtet als bei Männern – z. B. bei Kleidern. Oft wird auch von Journalistinnen und Journalisten beschrieben, was Frauen anhatten. Das kommt bei Männern kaum vor. Die große Ausnahme war zuletzt der graue Schlabberpullover von Olaf Scholz auf dem Weg nach Washington.
Auf der anderen Seite ermöglicht dies, ein sichtbares Statement zu setzen. Als Papst Benedikt XVI im Bundestag gesprochen hat, wollte ich ihm mit einem Dirndl als Gruß aus seiner bayerischen Heimat die Ehre erweisen.
Als Frau hat man die Möglichkeit, sich situativ modischer auszudrücken. Ein politisches Statement kann dabei schon durch die Farbe des Kleidungsstücks oder durch ein Accessoire gesetzt werden. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine trugen viele Kolleginnen und Kollegen die Farben blau und gelb; ich hatte mir die ukrainische Schleife ans Revers eines Blazers geheftet.
Aber auch bei mir im Wahlkreis spielt Kleidung eine große Rolle: Ich gehe natürlich zu einem Richtfest anders gekleidet, als in ein klassisches Konzert beim Kissinger Sommer. Der Satz »Kleider machen Leute« stimmt.
Wenn wir über Mode sprechen, müssen wir auch über das Kleid von Marina Hoermanseder sprechen, das Sie 2019 beim Deutschen Computerspielpreis getragen haben. Sie erinnern sich, die FAZ titelte damals: »Dorothee Bär sorgt im Latex-Kleid für Aufsehen.« Wie reagieren Sie auf solche Resonanz?
Ich war überrascht, wie schlecht die Kommentare dazu recherchiert waren: Das Kleid war aus Leder, wie auch die Designerin selbst sagte. Es wurde immer wieder und wieder falsch reproduziert. Ein Journalist hat also vom anderen falsch abgeschrieben. Aber grundsätzlich war das Kleid der Situation angemessen. Es war das Jahr 2019 in Deutschland – ich dachte, wir sind weiter. Auch, da ich davon ausging, die Outfits der Cosplayer fallen viel mehr auf. Aber unser Land war dann doch prüder als erwartet.
Ich fand und finde die Kritik auch nicht schlimm. Denn für mich hat das Design einfach gepasst. Manchmal sagt die Kritik mehr über Sender aus als über Empfänger.
Vielen Dank.