Kulturgüter sind die Zeugnisse kultureller Identität, Informationsträger für Wissenschaft und Bildung sowie Quellen einer beweissicheren Rechtsprechung, und gehören damit zum Fundament unseres Gemeinwesens. Sie »spartenübergreifend« in Krisenzeiten und vor allem während bewaffneter Konflikte vor Schaden zu bewahren – dieses Ziel verfolgten der Internationale Denkmalrat (ICOMOS), der Internationale Museumsrat (ICOM), die Internationale Vereinigung der bibliothekarischen Verbände und Einrichtungen (IFLA) und der Internationale Archivrat (ICA) mit der Gründung von Blue Shield vor über 25 Jahren. Die Bezeichnung »Blue Shield«, zu Deutsch Blauer Schild, bezieht sich auf das Emblem der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, die 1954 als erstes globales rechtliches Schutzinstrument für Kulturerbe beschlossen wurde. Das Emblem dient der Kennzeichnung von Kulturgut, das unter dem Schutz der Konvention steht, aber auch von Bergungsorten sowie Schutz- und Transportpersonal.
Blue Shield besteht heute aus dem internationalen Dachverband Blue Shield International und 31 Nationalkomitees. Die Organisation setzt sich vorrangig für den Schutz von Kulturgut nach den Vorgaben des geltenden Völkerrechts während bewaffneter Konflikte und die Umsetzung der Haager Konvention von 1954 ein. Tatsächlich ist Blue Shield International im Zweiten Protokoll zur Konvention offiziell als Beratungsorganisation anerkannt. Darüber hinaus unterstützt Blue Shield den Kulturgutschutz auch im Rahmen von Katastrophen und großen Havarien, so nach der Explosion in Beirut 2020 und bei zahlreichen regionalen Schadensereignissen wie der Flutkata strophe in Deutschland und Belgien 2021.
Die Gründung eines deutschen Nationalkomitees Blue Shield erfolgte recht spät, fast 20 Jahre nachdem sich die ersten Nationalkomitees in den Niederlanden, Frankreich oder Norwegen formiert hatten. Begleitet von Vertretern des Auswärtigen Amtes und der Bundeswehr beschloss die Gründungsversammlung am 16. Juni 2017 die Vereinssatzung und rief damit das Deutsche Nationalkomitee Blue Shield e. V. ins Leben.
Wie Blue Shield International wird das deutsche Nationalkomitee Blue Shield e. V. durch den Zusammenschluss der vier für den Kulturgutschutz wesentlichen Fachverbände getragen: dem Deutschen Bibliotheksverband, dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS, ICOM Deutschland und natürlich dem Verband deutscher Archivarinnen und Archivare. Neben den deutschen Äquivalenten der sogenannten »Founding Four« gehören auch die Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz und die Deutsche UNESCO-Kommission zu den konstituierenden Mitgliedern.
Die Arbeitsfelder von Blue Shield sind in einem Grundsatzdokument, dem sogannten Blue Shield Approach, definiert – auch abrufbar in deutscher Übersetzung auf blue-shield.de. Sie beinhalten:
- die Einhaltung rechtlicher Grundlagen, politischer Strategien und deren Umsetzung,
- den Aufbau von Kapazitäten, Bildung und Training,
- die Koordination – innerhalb von Blue Shield und mit Partnern,
- den proaktiven Schutz und die Risikovorbereitung,
- die Stabilisierung, den Wiederaufbau nach der Katastrophe, langfristige Unterstützungsmaßnahmen und
- Notfallmaßnahmen.
Diese Liste macht deutlich, dass für Blue Shield der Fokus auf der Notfallvorsorge liegt – nur zwei der sechs Arbeitsfelder befassen sich mit Maßnahmen in oder nach der Krise. So hat Blue Shield Deutschland z. B. nach der Flut 2021 das vereinsgetragene Haus der Schützen in Bad Neuenahr-Ahrweiler bei der Bergung historischer Fahnen unterstützt. Als Mitglied im Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien hat der Verein ab dem Frühjahr 2022 Geldspenden gesammelt und damit Hilfegesuche von kulturgutbewahrenden Einrichtungen in der Ukraine beantwortet, in Form von mobilen Brandmeldeanlagen, Feuerlöschern und einem Stromaggregat. Im Rahmen eines weiteren Projektes, das seit Februar 2023 durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert wird, analysiert Blue Shield Deutschland exemplarisch Schäden am baukulturellen Erbe der Ukraine und entwickelt Empfehlungen, wie dessen Erhalt in die zukünftige Wiederaufbauhilfe integriert werden kann.
Trotz der intensiven Arbeit in diesen Feldern liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit im Bereich der Vorsorge. Hierzu gehört die Organisation eines Notfall-Seminars, das im Juni 2023 bereits zum zweiten Mal mit dem Notfallverbund Kölner Archive und Bibliotheken, der Technischen Hochschule Köln und der Feuerwehr Köln durchgeführt wurde. Durch eigene Tagungen und eine Online-Vortragsreihe bieten wir den Rahmen für die Sensibilisierung und Information über die Anliegen des Kulturgutschutzes durch das Militär bei Schadensereignissen und Katastrophen, aber auch im Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgut.
Neben dem Austausch und der Vernetzung mit Akteurinnen und Akteuren der Fachebene, die sich bereits intensiv für die Notfallvorsorge einsetzen, wendet sich Blue Shield Deutschland an die Politik und relevante Behörden. Zur Bundestagswahl 2021 haben wir Wahlprüfsteine zu unterschiedlichen Aspekten des Kulturgutschutzes entwickelt, die von allen sechs im Bundestag vertretenen Parteien beantwortet wurden und weiterhin auf unserer Webseite einsehbar sind. Mittels einer im September 2022 gestarteten Umfrage bei den Bundesländern versuchen wir, den Stand der Umsetzung der Haager Konvention von 1954 zu erfassen – mit durchwachsener Rückmelderate, da es einigen Ländern schwer fällt, zu diesem lange kaum berücksichtigten Thema einen Sachstand festzustellen.
Ganz aktuell blicken wir zudem auf die Gesetzesinitiative auf Bundesebene für das Dachgesetz KRITIS, das im Dezember 2022 mit einem Eckpunkte papier öffentlich angekündigt und 2023 beschlossen werden soll. Nach dem Eckpunktepapier soll der Sektor »Kultur und Medien« Aufnahme in das Gesetz finden, doch mit welchen Formulierungen bleibt abzuwarten.
Fest steht, dass sich – über das Dachgesetz KRITIS hinaus – aktuell viel im Kulturgutschutz in Deutschland bewegt. Blue Shield Deutschland verfolgt die Mission und bietet die Fachexpertise, diese Entwicklungen zu unterstützen, im Schulturschluss mit seinen fachlichen Partnerinnen und Partnern sowie im Dialog mit zuständigen Behörden und der Politik.