Die Energiekrise, die der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine auslöste, hat uns Kulturpolitikerinnen und -politiker quasi über Nacht mit einer Herausforderung konfrontiert, die bis dahin eher am Rande eine Rolle spielte: Wie sichern wir die Kulturgüter in unseren Museen, sollte plötzlich der Strom ausfallen? Aber auch die Naturkatastrophe im Ahrtal oder der Brand in Notre-Dame haben der Frage nach Notfallplänen und einem wirksamen Risikomanagement für Kultureinrichtungen eine neue, drängende Qualität verliehen. Und wir müssen selbstkritisch einräumen, es besteht Nachholbedarf.
Im September 2022 haben die Kulturministerkonferenz, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam »Maßnahmen im Kontext einer etwaigen Gasnotlage unter besonderer Berücksichtigung Kulturgut bewahrender Einrichtungen« formuliert.
Mit diesem Maßnahmenkatalog haben Bund und Länder klar signalisiert, dass sie die gemeinsame Verantwortung annehmen, geeignete Maßnahmen zur Sicherung und nötigenfalls Rettung von Kulturgütern vorzuhalten. Auch Mecklenburg-Vorpommern ist sich dieser Verantwortung bewusst und treibt landesweit abgestimmte Maßnahmen zu Risikomanagement und Notfallplanung voran. Die Aktivitäten der vergangenen Monate haben dabei auch das Bewusstsein für alltägliche Gefahren geschärft: Feuer, Unwetter, Vandalismus oder politisch motivierte Angriffe auf Kulturobjekte treten weit häufiger auf als Katastrophen.
Informationen bündeln
Wirksame Notfallpläne brauchen Wissen über die zu schützenden und nötigenfalls zu bergenden Objekte und ihre Aufbewahrungsorte. Wenn eine kritische Situation eintritt, können aktuelle, digital und gedruckt vorliegende, schnell verfügbare Informationen entscheidend sein.
Das Kulturministerium in Mecklenburg-Vorpommern ist deshalb aktuell dabei, zusammen mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege sowie den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen einheitlich gegliederte Verzeichnisse der zu schützenden Kulturgüter aufzustellen. Ziel ist es zudem, die Landesverzeichnisse um solche der Landkreise, kreisfreien Städte und Kommunen zu erweitern.
Aufbau von Notfallverbünden
In einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern können wir Kulturgüter nur gemeinsam schützen. Das Land und seine kommunale Familie müssen ihre Expertise miteinander teilen und Synergien nutzen. Das Wissen beim Aufbau von Krisen- und Notfallplänen, den dafür notwendigen Strukturen und Prozessen, muss für alle Träger zugänglich und anwendbar sein. Das lässt sich am besten in übergreifenden Notfallverbünden realisieren. Die ersten Schritte hin zu regionalen und lokalen Notfallverbünden sind unternommen. Bund und Länder könnten solche Verbünde ebenso bilden.
Notfallcontainer für Erste-Kulturgut-Hilfe
Doch wirksames Notfallmanagement braucht auch Investitionen, um schnell handeln zu können. Eine Variante, die wir derzeit prüfen, ist die Beschaffung eines sogenannten »Abrollbehälters Kulturgutschutz«, in Fachkreisen auch als »Kölner Notfallcontainer« bekannt. Mit einem LKW kann dieser Container schnell, wetterunabhängig und landesweit zum Einsatz kommen. Je nach modular eingesetzter Ausstattung können Archivalien oder Mobilia damit erstversorgt werden. Dokumentation, Nass- oder Trockenreinigung und Verpackung sind möglich.
Als besondere Herausforderung hat sich für unser Land im Nordosten herausgestellt, geeignete Schutzräume für Kulturgüter zu finden und vorzuhalten. Mecklenburg-Vorpommern verfügt über keine Bergungsorte, die einen vergleichsweise hohen Schutz bieten wie z. B. Bergwerksstollen.
Doch gemeinsam mit allen Beteiligten sind wir uns einig, dass wir uns dem komplexen Notfallmanagement für Kulturgüter annehmen müssen. Übergreifende Kooperationen sind notwendig, um Kräfte für wirksamen Kulturgutschutz zu bündeln. Damit wir bei der nächsten kritischen Situation besser gerüstet sind.