Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung Schrebergarten heute als Synonym für einen Kleingarten verwendet. Das heute einheitlich wirkende Kleingartenwesen weist in seiner Entwicklungsgeschichte vielfältige Ursprungslinien auf. Bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert gab es in Großbritannien – dem Pionierland der Industrialisierung – erste Versuche, Armut durch Vergabe von Gartenland abzumildern. Gemeinden, Kirchenkreise und Wohlfahrtsorganisationen sahen darin eine Möglichkeit, die Ausgaben für die Armenfürsorge zu senken und präventive Gesundheitsförderung zu leisten. Im 19. Jahrhundert vollzog sich dann gänzlich der entscheidende Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft und die Landflucht führte zu einer immensen Abwanderung in die dadurch stark wachsenden Städte. Allerdings konnte dem raschen Anstieg der Einwohnerzahlen dort kein ausreichender Wohnraum entgegengesetzt werden. In den übervollen Quartieren traten die sozialen Probleme immer deutlicher hervor und die Zahl der Bedürftigen stieg ebenso kongruent an.
Als eine der ersten Formen von organisierten Kleingartenstrukturen auf deutschem Gebiet sind die Armengärten zu nennen. 1814 wurden erstmalig im norddeutschen Kappeln an der Schlei Gartenparzellen an bedürftige Bürger gegen eine geringe Pachtzahlung vergeben. Dort wurden überwiegend Kohl und Kartoffeln für die Eigenversorgung der Familien angebaut. Als weitere Ursprungslinien sind zu nennen: Arbeitergärten des Roten Kreuzes, die Gärten von Betrieben und Institutionen, die Gärten der Naturheilbewegung, die Berliner Laubenkolonisten und die Gärten der Schreberbewegung. Aus den Benennungen der Ursprungslinien lassen sich bereits regionale Schwerpunkte bzw. Bezüge zur Organisationsstruktur ablesen. Hervorzuheben ist hierbei die Entwicklung der Schrebergärten.
Der 1864 in Leipzig als »Eltern- und Lehrerverein« gegründete und posthum nach dem Ideengeber Daniel Moritz Schreber benannte Verein beabsichtigte anfangs die Bereitstellung und Pflege eines Areals als »Spiel- und Tummelplatz« für die Kinder der Leipziger Westvorstadt. Bereits einige Jahre später kam das gärtnerische Element hinzu. Die Jugendpflege blieb inhaltlich markant und ebenso in der Anlage dauerhaft sichtbar – der Spielplatz bildete immer das zentrale Element in der Schrebergartenanlage. Diesem Leipziger Vorbild folgend gründeten sich bis in die 1920er Jahre mehrere Hundert Schrebervereine im mitteldeutschen Raum. Unabhängig von den ursprünglichen Gründungsabsichten konkurrierten die Vereine in den prosperierenden Städten aufgrund ihrer flächenmäßigen Ausdehnung mit Grundstückseigentümern und Bauherren. Die noch unzureichende rechtliche Absicherung führte oftmals zur Kündigung der Vereinsfläche bzw. aufgrund fehlender gesetzlicher Preisregelungen zu unverhältnismäßig hohen Pachtzinsforderungen durch die Generalpächter.
Die durch den Ersten Weltkrieg angestiegene Lebensmittelknappheit verdeutlichte immer stärker die Notwendigkeit der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse aus eigenem Anbau. Im Allgemeinen stieg die Anerkennung für das Kleingartenwesen. Als eines der ersten Reichsgesetze der Weimarer Republik wurde am 21. Juli 1919 die »Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung« beschlossen. Dieses schuf erstmals einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen und enthielt neben Regelungen zur Pachtpreisberechnung auch verpflichtende Angaben zu Kündigungsrichtlinien.
Die den verschiedenen Gründungsideen entstammenden Vereine bildeten jeweils übergeordnete Verwaltungseinheiten, um deren Organisation nach innen zu vereinfachen und nach außen als starker Verband agieren zu können. Der daher naheliegende Zusammenschluss der einzelnen Verbände zu einem übergeordneten Dachverband erfolgte im Jahr 1921 mit der Gründung des »Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands«.
In seiner gesamten Entwicklung reagierte das Kleingartenwesen stets wie ein Indikator auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen. Einerseits war in Krisenzeiten ein sprunghafter Anstieg der Anzahl an Kleingärten zu verzeichnen. Andererseits war in wirtschaftlich stabilen Zeiten die Parzellenanzahl rückläufig. Früher, heute und in Zukunft erfüllen Kleingärten – besonders im urbanen Kontext – städtebauliche, ökologische und soziale Funktionen.
Aktuell gibt es in Deutschland über 900.000 Kleingärten in rund 14.000 Kleingartenvereinen auf einer Gesamtfläche von etwa 40.000 Hektar. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde gärtnern ca. fünf Millionen Menschen in ihrer Freizeit im Kleingarten. Seit 1983 regelt das Bundeskleingartengesetz einheitlich die gesetzlichen Bestimmungen. Weitere Regelungen zu Heckenhöhen oder Vorgaben bei der Pflanzenauswahl sind in den jeweiligen Satzungen der Verbände und Vereine geregelt.
Zusätzlich zur chronologischen Einordnung in organisationsgeschichtliche Abschnitte bietet eine Betrachtung der gesamtgesellschaftlichen Prozesse einen detaillierteren Einblick in die Kulturgeschichte der kleinen Gärten. Die übergeordneten Verbandsstrukturen schufen und schaffen den Rahmen für ein kulturelles Phänomen. In Kleingärten begegnen sich unterschiedlichste Menschen weitestgehend unabhängig von Herkunft, Alter, Beruf und Status. Ob als Ort für Freizeit und Erholung, Ausgleich zum hektischen Stadtleben, Gegenpol zur digital geprägten Arbeitswelt oder dem Wunsch nach eigens geerntetem Obst und Gemüse sowie der Möglichkeit, seinen individuellen gärtnerischen Ambitionen und handwerklich-kreativen Neigungen Ausdruck zu verleihen. Alle Kleingärtner – früher wie heute – eint der Wunsch, sich in der Natur aufzuhalten und zu gärtnern.
Das »Gärtnern« als kleinster gemeinsamer Nenner findet sich ebenso in »allotment«, »jardin« oder »tuin« in ganz Europa. Kleingärten sind ein europäisches Kulturphänomen, welches entweder vom Nichtkleingärtner mit der Aura von etwas nicht ganz fassbar Unklarem eingeordnet wird oder durch den individuellen Bezug bereits seine wertvolle Einzigartigkeit unter Beweis stellen konnte.