In einer demokratischen Gesellschaft ist die Teilhabe der Menschen an der Gestaltung ihrer gebauten Umwelt unerlässlich. Insbesondere bei Kulturbauten – sei es bei der behutsamen Sanierung bestehender Gebäude oder der Schaffung von Neubauten – spielt die Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer eine zentrale Rolle. Partizipative Prozesse zielen darauf ab, Räume zu schaffen, die nicht nur funktional und ästhetisch, sondern auch identitätsstiftend und nachhaltig sind. Solche Räume fördern das Wohlbefinden der Menschen und tragen zugleich den ökologischen und sozialen Anforderungen unserer Zeit Rechnung.

Unsere Arbeit bei den Baupiloten ist von der Überzeugung geprägt, dass gute Architektur nur dann entstehen kann, wenn die Menschen, die sie nutzen, in die Planung einbezogen werden. Diese Einbindung geht weit über das Abfragen von funktionalen Bedürfnissen oder formalen Vorlieben hinaus: Es geht um das Verstehen der atmosphärischen Vorstellungen, die einen Raum lebendig und angenehm nutzbar machen. Räume, die von Menschen mitgestaltet werden, die mit ihrer Nutzung vertraut sind, sind mehr als funktionale Orte – sie sind Ausdruck ihres Wissens um die Lebensrealitäten ihrer Gemeinschaft und sie spiegeln die Bedürfnisse und Wünsche derer wider, die in ihnen leben und arbeiten sollen. Es geht um die Schaffung von angemessenen Räumen, die der Komplexität menschlicher Erfahrungen und den dafür geeigneten Atmosphären entsprechen.

Seit der Gründung meines Architekturbüros Baupiloten vor 21 Jahren haben wir umfangreiche Erkenntnisse darüber sammeln können, partizipative Planungsprozesse zu entwickeln und durchzuführen. Unsere innovativen Methoden sind darauf ausgerichtet, Dialoge zwischen allen am Projekt Beteiligten zu schaffen. In kreativen Workshops und mit digitalen Tools wie der »Atmosphären-Surf«-App oder dem »Visionen-Verhandlungsspiel« gelingt es uns, Wunschvorstellungen und Anforderungen der Menschen an die Architektur zu erfassen und in den Entwurfsprozess zu integrieren.

Ein eindrucksvolles Beispiel für diesen Prozess ist unser Projekt im UNESCO-Welterbe der Altstadt von Lübeck, wo ein ehemaliges Warenhaus zu einem multifunktionalen Bildungshaus umgestaltet werden soll. In intensiver Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern, Lehrenden und Kulturschaffenden sowie Vertreterinnen der Stadt haben wir ein Raum- und Nutzungskonzept entwickelt, das flexibel auf die Bedürfnisse der verschiedenen Akteurinnen und Akteure eingeht. Eine frühzeitige und enge Partizipation bildet hier nicht nur die Voraussetzung für eine Identifikation mit dem Bau, sondern schafft auch eine gute Grundlage für eine nachhaltige und zukunftsweisende Nutzung des ehemaligen Kaufhauses als Ort des Lernens und der Begegnung.

Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die vorbereitende Planung der Umgestaltung des historischen Klosters St. Claren in Weißenfels/Burgenlandkreis zu einem modernen Bildungscampus. Auch hier zeigt sich der Wert der frühzeitigen Partizipation. In der sogenannten Planungsphase Null, in der über die grundlegenden Funktionen und die Atmosphäre des Raums nachgedacht und verhandelt wurde, haben wir gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, Schülerinnen, Schülern und Lehrenden ein Konzept entwickelt, das an den historischen Charakter des Ortes anknüpft und gleichzeitig die planerischen Grundlagen für den Entwurf guter und flexibel nutzbarer Lernräume legt.

Erfolgreiche partizipative Prozesse zeichnen sich durch einige wesentliche Faktoren aus. Eine offene und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist dabei entscheidend. Alle Akteurinnen und Akteure – von der Verwaltung bis hin zu denen, die die Gebäude zukünftig nutzen – müssen die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse und Wunschvorstellungen einzubringen. Für das jeweilige Projekt gezielt ausgewählte und auf die soziale Zusammensetzung der Gruppe von Beteiligten abgestimmte Werkzeuge helfen dabei, deren Interessen sichtbar zu machen und untereinander zu verhandeln. Dabei kommt es auch sehr auf die Bereitschaft der Architektinnen und Architekten an, die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses in den Entwurfsprozess einfließen zu lassen, um so Räume zu schaffen, die flexibel, anpassungsfähig und atmosphärisch stimmig sind.

Unsere Erfahrung zeigt, dass Partizipation weit mehr ist als ein Mittel zur Akzeptanzsteigerung. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der architektonischen Qualität. Wenn die Menschen, die in den Räumen leben, von Anfang an Teil des Planungsprozesses sind, entstehen Orte, die in der Gemeinschaft und im Bewusstsein derer, die sie nutzen, wohl verankert sind. Partizipation ist daher nicht nur eine Methode, sondern ein Ausdruck des gemeinsamen Verständnisses von Architektur: Sie ist eine Basis, auf der wir aufbauen sollten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2024.