Theater zu bauen ist nichts für Feiglinge, und wir leben nicht in mutigen Zeiten! Ein einzelner Artikel kann hier keine Klarheit bei einem so komplexen Thema schaffen. Auch deshalb, weil menschengemachte Komplexität die Ursache aller Unbill ist und Haftungsausschluss vor lösungsbasiertem Handeln steht. So weit die Beschwerde – nun zu den Tatsachen.
Sanierung und der Neubau von Theaterbauten sind eine komplexe Herausforderung, die nutzungsbezogene, technische, kulturelle und – nicht selten – emotionale Aspekte umfassen. In Deutschland stammen viele Theatergebäude aus der Zeit zwischen 1890 und 1914, errichtet vom wohlhabenden Bürgertum, das repräsentative Kulturbauten schaffen wollte. Diese Gebäude haben sich seitdem stets schrittweise den Anforderungen und Regeln eines modernen Theaterbetriebs angepasst, was allein räumlich zu erheblichen Problemen führt. Marode Bauten und explodierende Sanierungskosten, gepaart mit einer unübersichtlichen, von wirtschaftlichen Interessen getriebenen Regelflut, behindern notwendige Erneuerungen und deren zielgerichtete Verfahren. Dies führt zu einem Bild von Verwahrlosung und Missmanagement in einer der kulturell bedeutendsten Institutionen Deutschlands. Man denke an Köln als Baustelle zu Dantes Höllenfahrt oder das doppelt geflutete Berliner Ensemble. Es bräuchte die Stimme der Vernunft: Na dann, gute Nacht, Marie.
Ein Beispiel für diese Problematik ist der Brandschutz. Obwohl die Brandgefahr in Theatern durch moderne Materialien und Technologien gesunken ist, werden immer strengere Regelungen eingeführt, die die Sanierungsprozesse behindern und verteuern und vor allem später im Regelbetrieb zu erheblichen Kostensteigerungen führen werden. Verzögerungen und Fehlplanungen sind an der Tagesordnung, was den Ruf der Maßnahmen beschädigt und den Zustand vieler Gebäude weiter verschlechtert. Ein über weite Teile absurder Diskurs läuft aktuell über automatische Löschanlagen, die selten löschen, aber oft fluten – das alles ohne Besserung. Brandschutz macht aktuell bis zu einem Drittel der Kosten des Baus aus, in dem eigentlich nichts mehr brennt. Das geschieht nicht ohne Absicht.
Die Entwicklung der technischen Berufe im Theater hat sich ebenfalls stark verändert. Wo früher einfache Aufgaben wie das Bedienen von Vorhängen im Vordergrund standen, sind heute spezialisierte Fachkräfte wie Veranstaltungstechniker, -meister, Licht- und Tontechniker gefragt. Diese Berufe erfordern ständige Weiterbildung, um mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten zu können. Dabei ist die Integration moderner Technik in historische Gebäude oft eine große Herausforderung, da denkmalpflegerische Vorgaben eingehalten werden müssen und die Nutzung im Vordergrund stehen muss.
Die baulichen und technischen Anforderungen sind jedoch nicht die einzigen Hürden. Weitere Herausforderungen liegen in den unterschiedlichen Bauvorschriften der einzelnen Bundesländer, die eine einheitliche Planung und Umsetzung von Sanierungsprojekten, insbesondere für Fachplanungen, erschweren. Das ist allerdings keine Utopie, sondern eine Frage des Willens und der Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung.
Eine zentrale Rolle in diesen Prozessen spielt das technische Personal der Theater, das täglich mit den baulichen Gegebenheiten konfrontiert ist. Deren Expertise muss bereits in der Planungsphase einbezogen werden, um realistische und praktikable Lösungen zu finden. Häufig führen externe Planer, die die spezifischen Anforderungen eines Theaterbetriebs nicht ausreichend kennen, zu Fehlplanungen und teuren Nachbesserungen.
Ein positives Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Leitfaden der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG) aus dem Jahr 2019, der konkrete Handlungsempfehlungen für Theater-Sanierungen gibt. Dennoch gibt es zu wenige gute Beispiele in der Praxis, da Bauherren oft resistent gegenüber Beratung sind und teilweise froh über jede Regel, die Insel und Halt im Meer der Inkompetenz ist.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die sogenannte »Planung vor der Planung«. Hier müssen alle Beteiligten, von der Theaterleitung über das technische Personal bis hin zu Architekten und Denkmalpflegern, zusammenarbeiten, um nachhaltige und zukunftsfähige Lösungen zu finden. Theaterleitungen müssen klare Vorstellungen davon entwickeln, welche Anforderungen ihr Haus in den nächsten Jahrzehnten erfüllen muss. Eine frühzeitige Einbindung der Theatermacher in den Planungsprozess ist unerlässlich, um Fehlplanungen zu vermeiden und die Sanierungen termingerecht und kosteneffizient umzusetzen. Dann darf das Ganze noch gut aussehen, kulturelle Mittelpunkte gehören in Innenstädte, nicht in Gewerbegebiete.
Insgesamt zeigt sich, dass die Sanierung von Theater- und Kulturbauten eine engere Zusammenarbeit und eine stärkere Einbindung aller Beteiligten erfordert. Ein zentral organisiertes Institut für Kulturbauten könnte hier langfristig in mehreren Richtungen Abhilfe schaffen. Dieses Institut könnte bundesweit einheitliche Standards festlegen und als Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen dienen. Es könnte Fachleute aus Architektur, Denkmalpflege und Bühnentechnik zusammenbringen und so eine effizientere Sanierung und Modernisierung von Theatern ermöglichen. Das Ziel wäre ein vernunftbasiertes, technisch innovatives und nachhaltiges Bauen. Das Institut könnte dabei moderierend wirken und dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der Theater in den Vordergrund gestellt werden. Nur durch eine bessere Koordination sowie klare und flexible Standards können Sanierungen erfolgreich, termingerecht, nachhaltig und kosteneffizient durchgeführt werden. So erreicht man zukünftig (Kultur-)Orte, die lebens- und arbeitswert sind.