Die Dynamik des Wandels in den Innenstädten ist derzeit historisch hoch. Die Auslöser für diese Veränderungsprozesse sind vielfältig, wobei die Digitalisierung weiter Teile der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens einen großen Anteil hat. Dies betrifft auch den Einzelhandel, welcher infolge der Umsatzverschiebungen in den Online-Handel Flächen in den (Innen-)Städten freisetzt. Während sich diese Entwicklung beim Einzelhandel durch die weit fortgeschrittene Etablierung dieses neuen Vertriebswegs gerade konsolidiert, werden die Veränderungen im Büromarktsektor (Homeoffice) und der öffentlichen Verwaltung (Digitale Verwaltung) erst allmählich sichtbar.

Im Ergebnis kommt es zu Flächenfreisetzungen. Diese Leerstände werden als Problem wahrgenommen, bieten aber auch Chancen für eine neue funktionale Mischung in den Innenstädten. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, welche Heilungschancen mit welcher Nutzung verbunden sind. Insbesondere Nutzungen mit einem großen Einzugsbereich, die oft nachgefragt werden, sollten damit im Fokus stehen, allen voran neue Formate des Einzelhandels und der Gastronomie. Aber auch die Kultur in ihren mannigfaltigen Ausprägungen hat für die Entwicklung der Innenstädte positive Effekte. Dabei ist der Einzug von kulturellen Einrichtungen in ehemalige Handelshäuser für den Handel ein ambivalenter Prozess. Auf der einen Seite bedeutet dies die Aufgabe einer (oft) großflächigen Handelsimmobilie mit dem gleichzeitigen Verlust an Versorgungsdiversität für die Bürger. Auf der anderen Seite ist die Bespielung dieser Flächen notwendig, damit sie weiterhin eine positive Ausstrahlung für die gesamte (Innen-)Stadt haben. Dabei vermag die Kultur, unterschiedliche Zielgruppen aus einem weiten Einzugsbereich anzusprechen.

 

Mixed-Use-Immobilie

Insbesondere großflächige Handelsimmobilien stehen im Fokus der Öffentlichkeit, da die Ausstrahlungseffekte (negativ wie positiv) besonders groß sind. Jedoch sind auch kleinformatige Kultureinrichtungen in sogenannten Mixed-Use-Immobilien zu finden. Dies können Galerien, Kleinkunstbühnen oder sonstige Flächen der Kreativwirtschaft sein.

Ein bereits am Markt etabliertes Beispiel ist das »Core« Oldenburg. Nach jahrelangem Leerstand wurde 2021 aus der ehemaligen Hertie-Filiale ein 2.500 qm großer Ort für Coworking, Gastronomie und Veranstaltungen entwickelt, welcher Veranstaltungsflächen von rund 1.000 qm bietet. Ein ähnliches Konzept ist bereits 2019 auf der Hamburger Reeperbahn mit dem »Hamburger Ding« umgesetzt worden. Auf fünf Etagen mit rund 6.000 qm Nutzfläche werden in dem ehemaligen Möbelhaus Flächen für Büros, Sport, Gaming, Podcast-Studios und kulturelle Events angeboten.

 

Zwischennutzungen

Ebenfalls in Hamburg befindet sich das 2021 eröffnete »Jupiter«, welches in einer ehemaligen Karstadt-Filiale in der Haupteinkaufsstraße (Mönckebergstraße) als »wahrscheinlich größte innerstädtische kreativwirtschaftliche Zwischennutzung in Deutschland« betrieben wird. Auf sechs Etagen werden Kunst, Musik, Design und Aktionen angeboten; so wird ein neuer Treffpunkt für die Kunst geschaffen. Ermöglicht wurde dies von einem Fonds für kreative Zwischennutzung, den der Senat beschlossen und mit mehreren Millionen Euro ausgestattet hat.

 

Theater- und Opernhäuser

Aber auch die Hochkultur ist bereits in ehemalige Handelshäuser eingezogen. So wurde in Neuss bereits im Jahr 2000 die neue Spielstätte des Rheinischen Landestheaters in einer ehemaligen Horten-Filiale eröffnet. Das mehrfach ausgezeichnete Haus mit fünf Etagen wurde bis auf den Skelettbau abgerissen und für die neuen Nutzungen umgebaut. Neben dem großen Saal bietet es eine Experimentierbühne und diverse Studios. Zudem sind in das ehemalige Warenhaus auch Teile der Stadtverwaltung eingezogen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt derzeit die Stadt Düsseldorf, die eine ehemalige Kaufhof-Filiale aus dem Jahr 1967 nutzen möchte, um der Oper eine neue Spielstätte zu geben. Damit würde in bester Innenstadtlage ein Handelshaus zu einem kulturellen Hot-Spot umgestaltet werden. Diesen Weg möchte auch Braunschweig gehen; hier soll aus einer ehemaligen Karstadt-Filiale ein »Haus der Musik« entwickelt werden, welches die Musikschule, einen Konzertsaal und weitere Räume vereinen wird.

Im Ergebnis rücken zwei typische Innenstadtnutzungen noch näher zusammen: der Einzelhandel und die Kultur. Dass diese Umnutzungen nicht ohne Diskussionen und breite Beteiligungsprozesse vorstatten gehen, liegt auf der Hand.

Städte, die sich eine derartige räumliche Nutzung leisten können, haben auf alle Fälle eine gute städtebauliche Entscheidung getroffen. Bei diesen Umnutzungen müssen jedoch neben den Anschaffungs- und Umbaukosten immer auch die laufenden Kosten berücksichtigt werden, die insbesondere für Städte im sogenannten »Nothaushalt« schwer darzustellen sind.

Es bleibt zu hoffen, dass der Handel einen Großteil der derzeitigen Flächen weiterhin betreiben kann und somit Gewerbesteuereinnahmen für die Kommunen generiert. Diese werden auch helfen, unrentierliche Flächen als Chance für die Kultur zu verstehen und zu finanzieren.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2024.