Berlin gilt als die Kulturhauptstadt von Deutschland. Die schier unüberschaubare Anzahl an Museen, Ausstellungsräumen, Opernhäusern, Theatern oder Konzerthäusern trägt zu den seit Jahren konstant steigenden Übernachtungszahlen von Kulturbegeisterten und Touristen aus der ganzen Welt bei. Viele dieser Kulturbauten sind aufgrund ihrer besonderen städtebaulichen Situation, ihrer anspruchsvollen Architektur oder künstlerisch wertvollen Gestaltung als Denkmale erkannt und geschützt. Wie alle anderen Bauten auch, müssen Kulturbauten regelmäßig saniert und instandgesetzt werden. Doch wie nähert man sich einem denkmalgeschützten Kulturbau im Spannungsfeld zwischen zeitgenössischer Kulturarbeit und Denkmalpflege? Welche Konzepte und Ansätze haben sich bewährt? Und warum ist die Auseinandersetzung mit den Talenten des Bestands und ein offener Dialog auf Augenhöhe so wichtig?
Wann ist ein Kulturbau ein Denkmal?
Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Denkmalbehörden sind die jeweiligen Denkmalschutzgesetze der Länder. Kernaufgaben sind – neben Schutz, Pflege und Erhalt von Denkmalen – auch die systematische (wissenschaftliche) Erfassung von Denkmalen und eine partizipative Öffentlichkeitsarbeit. Veranstaltungsreihen wie der bundesweite »Tag des Offenen Denkmals«, oder in Berlin »Jung, aber Denkmal« und »Denkmalpflege vor Ort« richten sich dabei an die interessierten Akteure aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik und bilden neben der Beratung der Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer das Rückgrat für einen fortwährenden Austausch mit der Öffentlichkeit.
Denkmale sind (hier nach § 2 des Berliner Denkmalschutzgesetzes) Objekte, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Bei Kulturbauten treffen häufig gleich mehrere Kategorien zu, wie der Blick auf die Eintragung des Friedrichstadtpalastes in Berlin-Mitte im Jahr 2020 verdeutlicht. Die künstlerische Bedeutung des Showtheaters lässt sich sowohl an dem aufwendigen Gestaltungskonzept, mit der zeitgenössischen Umsetzung von Formen aus Art Déco und Jugendstil, als auch an dem Anspruch, den Vorgängerbau von Hans Poelzig in Funktion und Gestalt würdig zu ersetzen, gut nachvollziehen. Die geschichtliche Bedeutung ergibt sich daraus, dass der Neubau des Friedrichstadtpalastes einer der Höhepunkte des geplanten Hauptstadt-Ausbaus von Ost-Berlin war und das Gebäude in der Tradition der Berliner »Paläste für das Volk« steht. Seine Wirkung in die Friedrichstraße hinein machen ihn auch aus städtebaulichen Gründen zum Denkmal. Der Denkmalschutz bezieht sich im Regelfall auf alle Bereiche eines Gebäudes und erstreckt sich auch auf Zubehör und Ausstattung, soweit sie mit dem Baudenkmal eine Einheit von Denkmalwert bilden.
Zur Akzeptanz von Kulturbauten als Denkmal
Wie groß die Identifikation der Berliner Bürgerinnen und Bürger mit den Kulturbauten ihrer Stadt ist, zeigt sich an den durchweg positiven bis hin zu euphorischen Reaktionen auf die Unterschutzstellung des Friedrichstadtpalastes im Jahre 2020. Während andere Denkmale der 1970er oder 1980er Jahre noch immer mit Akzeptanzproblemen kämpfen müssen, war der Friedrichstadtpalast hiervon befreit. Mit dem Denkmalschutz schienen Gebäude und Institution als nun dauerhafter Bestandteil der Berliner Kulturlandschaft geadelt.
Diese hohe Akzeptanz lässt sich auch für andere Kulturbauten beinahe generalisierend feststellen. Sicherlich ist eine Erklärung die öffentliche Bedeutung von Kulturbauten: Waren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit noch die großen Kathedralen, Rathäuser oder Schlossanlagen die prägenden Bauten einer Stadt, traten im 19. Jahrhundert in zunehmendem Maße vom aufgeklärten Bürgertum initiierte Kulturbauten an diese Stelle. Im 20. Jahrhundert müssen Entscheidungen über den Standort und die Architektur von Kulturbauten häufig als kulturpolitische Impulsgeber gelesen werden. Im früheren West-Berlin künden eine ganze Reihe von Bauten von der Kulturpolitik der Alliierten und ihrem Versprechen von anhaltender Unterstützung und transparenter Demokratie. Und auch im ehemaligen Ost-Berlin wurden Kultureinrichtungen als zumeist architektonisch und konzeptionell hervorragende Einzelbauten errichtet. Kulturbauten standen und stehen für eine aufgeklärte, interessierte und sichtbare Öffentlichkeit und sind in ihrer Vielfältigkeit Identifikationspunkte.
Praxistest – Kulturbauten im Wandel der Zeit
Kulturbauten werden – als im Regelfall Bauten der öffentlichen Hand – im alltäglichen Betrieb nur auf das Nötigste gepflegt und in langen Zyklen großen Sanierungsprojekten unterzogen. Aktuell steht in Berlin die Grundinstandsetzung des Baues der Komischen Oper an. In den 1960er Jahren erbaut, erlebte dieser bislang immer nur Teilmaßnahmen zur Instandhaltung. Entsprechend groß ist der Handlungs-, aber auch Modernisierungsdruck. Da jedes Denkmal unterschiedlich ist, muss die Entscheidung über mögliche bauliche oder gestalterische Veränderungen stets im Einzelfall getroffen werden. Die Denkmalbehörden begutachten und beurteilen die geplanten Maßnahmen und achten dabei auf den bestmöglichen Erhalt von Substanz und Erscheinungsbild.
Im Falle von Kulturbauten sind die von allen Seiten formulierten Ansprüche traditionell hoch. Als notwendig empfundene Verbesserungsmaßnahmen oder technische Neuerungen können dabei schnell zu hochkomplexen Eingriffen führen, die es frühzeitig zu identifizieren gilt. Gute Erfahrung machen wir in Berlin mit Denkmalpflegeplänen: Am Anfang steht eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Bestand inklusive bauhistorischer Untersuchung, die dann Grundlage für die Festlegung unterschiedlicher Bindungen ist. Für die bei Kulturbauten im Regelfall besonders repräsentativ gestalteten Foyer- und Treppenhausbereiche werden meist schnell denkmalfachlich gute Lösungen gefunden. Herausfordernd kann der Einbau barrierefreier Erschließungen sein: Gute Lösungen werden dann gefunden, wenn sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Die Integration moderner technischer Anlagen für Licht, Ton oder auch Brandschutz verlangt zumeist nach hochwertigen wie auch zurückhaltenden Lösungen. Die nicht-öffentlichen Bereiche oder die Bühnen- und Ausstellungstechnik sollen meistens tiefgreifend umgebaut werden. Zumeist können solche Maßnahmen in einem gut begleiteten denkmalfachlichen Abstimmungsprozess mitgetragen werden.
Fehlt die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Bestand oder das Verständnis für die bauzeitliche Konzeption von Kulturbauten, kann das nur erhebliche Verzögerungen und Mehrkosten generieren. Die seit 2022 laufende Umsetzung der Mschatta-Fassade in den Nordflügel des Pergamonmuseums – inzwischen eigentlich auch schon historisches Zeugnis für eine von dem Leitgedanken »je größer, desto besser« dominierten Baukulturpolitik – hat zu einer Vielzahl von unnötigen Eingriffen geführt und ist von der Denkmalpflege stets kritisiert worden. Darüber, ob das Ergebnis die substanziellen Verluste und Mehrkosten wert war, können sich die Besucherinnen und Besucher dann in einigen Jahren selbst eine Meinung bilden.
Im besten Fall entsteht über die gemeinsame Arbeit am Objekt eine gemeinsame Begeisterung für das Bauwerk. Die in diesem Jahr begonnene Generalsanierung des Kino International im Abschnitt der sozialistischen Moderne der Karl-Marx-Allee ist ein solcher Fall: Hier ringen alle Beteiligten mit Freude um die beste Lösung, die aber immer zuerst vom Bestand und Möglichkeiten, diesen zu verbessern, ausgeht. Und Kinogäste dürfen sich in Zukunft auf ein Haus freuen, welches zugleich Geschichte und Zukunft ausstrahlen wird.