Die Symbiose von Kunst und Bau hat eine lange Geschichte. Der Staat als öffentlicher Bauherr beginnt jedoch erst spät, Kunst am Bau als staatliches Förderinstrument zu begreifen. Die baubezogene Kunst im Auftrag des öffentlichen Bauherrn in der Demokratie, wie wir sie heute kennen und umsetzen, hebt die Kunst am Bau in einen besonderen Status.

Mit der Neuen Sachlichkeit verändern sich Umfang und Art des Bauschmucks; Kunst und Architektur sollen gleichberechtigte Gegenüber sein und einander bedingen. Obwohl regelmäßig Kunstwerke auch für Bauten der Moderne – häufig durch private Bauherren –umgesetzt werden, reduzieren sich die Möglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler. Die ausbleibenden Kunstgelegenheiten schaffen auch eine atmosphärische Lücke in der Architektur. In der Reichsverfassung der Weimarer Republik von 1919 wird in Artikel 142 nicht nur erstmals die Freiheit der Kunst festgeschrieben, sondern auch ihre Pflege als staatliche Aufgabe anerkannt: »Kunst, Wissenschaft und Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.« Der parlamentarische und verfassungsrechtliche Diskurs sucht folgerichtig nach wirkungsvollen Verfahren, der Aufgabe gerecht zu werden, wobei die materielle Unterstützung der Künstlerinnen und Künstler immer mehr in den Vordergrund der Debatte rückt. Die Künstlerverbände dieser Zeit, wie der 1921 gegründete Reichswirtschaftsverband Bildender Künstler Deutschlands, hatten »Arbeitsbeschaffung für Künstler« angeregt. Und so beginnt die »Kunst am Bau« als eine staatliche Förder‐ und Auftragsmaßnahme bildender Kunst, ein Aspekt, deren »Geschmäckle« sie bis heute nicht losgeworden ist. In der Weimarer Republik startet das Modell im Zusammenhang mit dem staatlichen Hochbau auf regionalstaatlicher Ebene in den Kommunen und den Ländern. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und der Errichtung eines zentralen Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda erhält der eingesetzte Reichsminister Joseph Goebbels mit der Reichskulturkammer die Kontrolle über sämtliche Aktivitäten der bildenden Künstler und erkennt das Potenzial der Kunst für nationalsozialistische Machtinszenierung und ästhetische Demonstration. Die Kunst am Bau gerät unter ideologische Vorzeichen.

»Erst der Überblick über die Entwicklung der Kunst am Bau mit ihrer Vorgeschichte in der Weimarer Republik, den Verordnungen und künstlerischen Hervorbringungen unter den Nationalsozialisten und in beiden deutschen Republiken, den Ansprüchen und Hoffnungen von Künstlern und Politikern sowie den Veränderungen von Definition, Aufgabe und Zielsetzung machen die heutige Stellung der Kunst am Bau verständlich. Darüber hinaus zeigt er auch die fragile Position einer kulturellen Aufgabe im wechselnden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld«, wie es Claudia Büttner in der vom damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen »Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland« (2011) ausdrückt.

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1950 brachte das Parlament der jungen Bundesrepublik seinen politischen Willen zum Ausdruck, Künstlerinnen und Künstler bei Baumaßnahmen der öffentlichen Hand einzubeziehen. Zeitgleich beginnt auch in der DDR – mit Prozentregelung, unter formalästhetischen und politischen Vorgaben – eine ausgeprägte Praxis Kunst am Bau. Seit 74 Jahren entstehen daher in Bonn und Frankfurt (Oder), in Flensburg, Rostock, Suhl oder Garmisch-Partenkirchen künstlerische Werke direkt in der Lebenswelt, im Alltag der Menschen – zahlreich auch an Kulturbauten.

Den politischen Willen des Deutschen Bundestages manifestiert die Verwaltungsanweisung Richtlinie Bundesbau (RBBau), sie soll dessen Umsetzung im Verwaltungshandeln sichern. Die beiden für Finanzen bzw. für Bauen zuständigen Bundesministerien haben 2022 die RBBau grundlegend überarbeitet und in vielen Teilen stark gekürzt. Das unter Künstlern berühmte Kapitel »K7 Beteiligung Bildender Künstlerinnen und Künstler bei Baumaßnahmen« ist dabei entfallen. Kunst am Bau kommt in der Verwaltungsanweisung nur in Querverweisen auf die Ausführungsbestimmung, den Leitfaden Kunst am Bau, vor. Diese Lücke schließt mit Wirkung vom 1. Juli 2024 der Erlass A3.7 #2, der das baupolitische Ziel der Bundesregierung unterstreicht, regelmäßig Kunst bei Baumaßnahmen des Bundes umzusetzen. Der Erlass bindet viele Regelungen des 2005 veröffentlichten und 2012 aktualisierten Leitfadens Kunst am Bau ein. Die Bundesrepublik als Bauherrin hat durch ihr Verwaltungshandeln große Vorbildwirkung auf die Länder und Kommunen, die inhaltsgleiche Regelungen definieren, und auf private Akteure, die sich ihrerseits für die Kunst beim Bauen engagieren.

Das »Museum der 1000 Orte« macht aktuell 309 Kunstwerke überregional sichtbar – nur einen Bruchteil der Kunst an Bundesbauten seit 1950, weitere werden laufend eingearbeitet. Mit einer Beratenden Äußerung dokumentiert der Bayerische Oberste Rechnungshof im Jahr 2019 die »Kunst am Bau im staatlichen Hochbau« des Freistaates, die meisten Kommunen wie Hannover, Halle (Saale), Köln, Potsdam oder München zeigen systematisch die Kunst im öffentlichen Raum und die Kunst am Bau in ihrem Zuständigkeitsbereich. Das schiere Volumen, der Reichtum und die Vielfalt sind beeindruckend. Und der Bestand wächst dank neuer Werke. Diese Übersicht ist gerade jetzt, in der Phase der Transformation, wertvoll. So entsteht neue Kunst nicht nur bei Neubauten. Sie ist auch noch da, wenn Gebäude saniert, umgenutzt oder abgerissen werden sollen. Die untrennbar mit dem Bauwerk verbundene Kunst ist mit der Architektur in ihrem Erhalt gefährdet.

Das aktuell prominenteste, akut abrissgefährdete Kunstwerk befindet sich in Düsseldorf. Die Fassade des Audimax der ehemaligen Ingenieurschule für Maschinenwesen (1967, Architektur: Hentrich und Petschnigg) gestaltete der abstrakte Maler, Grafiker, Documenta-4-Teilnehmer und Schöpfer des Designs der Aldi-Nord-Tüte, Günter Fruhtrunk (1923-1982). Im Rahmen der in einem Wettbewerb entwickelten Neuplanung soll das Gebäude fallen, das Kunstwerk, ein umlaufendes Fliesenbild, jedoch erhalten werden. Nach aktuellen Plänen des Eigentümers, des Landes Nordrhein-Westfalen, steht das Audimax nun vor dem Abriss. Für den Erhalt des einzigartigen Baudenkmals setzt sich das Amt für Denkmalschutz des Landschaftsverbands Rheinland ein, von der Bezirksregierung Düsseldorf wurde es vorläufig unter Denkmalschutz gestellt. Der Sachverständigenkreis Kunst am Bau des Bundes forderte jüngst den Eigentümer auf, dieses bedeutende Werk der abstrakten Nachkriegskunst zu erhalten. Der Ausgang bleibt offen. Der Diskurs ist noch in vollem Gange, zumal der Abriss keine zeitgemäße Antwort auf die Fragen des nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens ist.

Kunstwerke und Bauwerke in symbiotischer Verbindung zeigen vielerorts ihren gestalterischen Reichtum mitten im Lebensalltag, auch an Kulturbauten. Sich mit den Werken, die uns umgeben, auseinanderzusetzen und die Geschichte sowohl der bestehenden als auch die der zukünftigen Kunst-am-Bau-Werke zu erzählen, zählt zu den vornehmsten Aufgaben der Kunstvermittlung und der Kunstproduktion. Wenn Kunst – wie derzeit häufig gehört – demokratieunterstützend wirkt, dann braucht es die Kunst am Bau gerade jetzt am allermeisten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2024.