Wer kennt sie nicht, die imposanten Kulturbauten, die Jahr für Jahr Scharen von Touristinnen und Touristen aus aller Welt anlocken. Kulturbauten, die an untergegangene Reiche erinnern, wie die Akropolis in Athen oder das Kolosseum in Rom gehören ebenso dazu wie das Taj Mahal in Agra oder auch die Pyramiden von Gizeh. Beeindruckende Kirchengebäude wie Notre Dame, der Kölner Dom, aber auch zeitgenössische Bauten wie die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin sind mehr als Orte für Gläubige, sie sind zugleich Marker und Touristenmagnet in einer Stadt. Ähnliches gilt für herausragende Museen oder Theater, die allein schon mit ihrem Erscheinungsbild beeindrucken. Industriebauten wie die Fagus Werke, Bürogebäude wie das Chilehaus in Hamburg und andere mehr zeugen davon, dass namhafte Architekten mit diesen Gebäuden nicht nur die Hülle für Produktion erdachten, sondern architektonisch und ästhetisch besondere, eben Kulturbauten schufen.
Kulturbauten sind darüber hinaus jene Gebäude, die für das Zeigen und Präsentieren von Kultur (Museen und Bibliotheken) oder das Aufführen von Kultur (Theater, Konzerthäuser und Kinos) gebaut wurden.
Was zeichnet Kulturbauten aus, und was unterscheidet sie von »normalen« Gebäuden? Kulturbauten haben in zweierlei Hinsicht Relevanz. Zum einen die Einbettung in ihre Entstehungszeit und hier ihre besondere ästhetische Qualität und Zeitgebundenheit. So können auch Bauten, die auf den ersten Blick als wenig gelungen anmuten, aber für ihre Zeit exemplarisch stehen, eine herausragende Bedeutung haben. Die besondere Relevanz eines Gebäudes in bauhistorischer und ästhetischer Hinsicht erweist sich sehr oft erst Jahrzehnte nach der Fertigstellung. Zum anderen müssen Kulturbauten natürlich auch daran gemessen werden, ob sie ihrem Zweck gerecht werden. Also ganz schlicht, ob sie als Gebäude dafür geeignet sind, als Bibliothek, als Museum, als Konzertsaal oder als Theater zu dienen, um nur einige Kultursparten zu nennen. D. h. konkret, ob es den Architektinnen und Architekten gelingt, Räume zu schaffen, in denen nicht in erster Linie Architektur im Mittelpunkt steht, sondern eine dienende Funktion übernimmt, um optimale Voraussetzungen zu schaffen, um beispielsweise Werke der Bildenden Kunst angemessen zu präsentieren, um bei Konzerten, Tanz- und Theateraufführungen sowohl ein akustisches als auch ein optisches Erlebnis zu bieten oder um bibliothekarische Dienstleistungen, die heute deutlich über die Entleihe von Medien hinausgehen, zu ermöglichen. Darüber hinaus gilt es bei Kulturbauten nicht nur die Funktionalität für das Publikum in den Blick zu nehmen, sondern gleichermaßen die unterschiedlichen Bedürfnisse für diejenigen, die in den Gebäuden arbeiten, sie tagtäglich nutzen und auf deren Abläufe ein Kulturbau angepasst sein muss. Sehr spannend ist in diesem Zusammenhang die Debatte zum Umbau der Innenstädte, weil wir in der Zukunft vermehrt kühle Orte brauchen werden, um die Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Hierbei werden Kulturorte eine zentrale Rolle spielen.
Was die Kulturbauten als solche anbelangt, wird zu Recht verlangt, dass sie barrierefrei sind, und zwar sowohl mit Blick auf das Publikum als auch auf diejenigen, die dort arbeiten. Barrierefreiheit bedeutet dabei mehr als der Einbau von Fahrstühlen und der Einbau von Toiletten für Rollstuhlnutzerinnen und -nutzer. Zu beachten sind ferner Akustik, angepasste Leitsysteme für Sehbehinderte und Blinde und vieles andere mehr.
Historische Gebäude
Sehr viele Kultureinrichtungen sind in historischen Gebäuden verortet, die teils bereits vor Jahrhunderten für diese Funktion gebaut wurden, wie Museen oder Theater, die insbesondere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet wurden. Viele dieser Kulturbauten sind sanierungsbedürftig, entweder weil »der Zahn der Zeit« an ihnen nagt oder weil sie den aktuellen Bedürfnissen an Nutzung nicht entsprechen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Barrierefreiheit, aber ebenso veränderte Anforderungen an Technik, an Nachhaltigkeit, an Brandschutz, an Proberäume, an Werkstätten für Vermittlungsarbeit und vieles andere mehr. Hier besteht die Herausforderung in Abstimmung mit den Nutzerinnen und Nutzern und dem Denkmalschutz, Lösungen im Bestand zu finden.
Auch darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, die Kulturorte resilienter gegen Katastrohen (Naturkatastrophen, Kriege) zu machen.
Umnutzung
Neben den eigens für Kulturzwecke gebauten Kulturbauten nutzen viele Kultureinrichtungen aber auch Gebäude, die ursprünglich für ganz andere Zwecke geplant waren und diesen auch über lange Zeiträume dienten. Exemplarisch dafür stehen Industriegebäude, teils auch Industriedenkmäler, die umgenutzt wurden und werden. Beispiele hierfür sind Industriedenkmäler wie die Zeche Zollverein, die Völklinger Hütte, die Zeche Zollern und viele andere Orte. Die Umnutzung von zuvor industriell genutzten Räumen war ein besonderes Kennzeichen soziokultureller Zentren. Noch heute erinnern einige Namen wie Brotfabrik in Bonn, Bahnhof Langendreer in Bochum oder die Brunsviga in Braunschweig daran. Bei manchen dieser Orte begann die Geschichte vor mehr als 40 Jahren mit der Besetzung von Gebäuden, der Gründung von Vereinen und schließlich einer langfristigen Sicherung der Standorte, die sehr oft einen starken Gemeinwesenbezug haben.
Mit Blick auf die Stadtentwicklung und hier besonders die Entwicklung der Innenstädte entstehen neue Herausforderungen. In den letzten Jahren schlossen viele Kaufhäuser in den Innenstädten bzw. den Fußgängerzonen. Kleinere Einzelhandelsgeschäfte mussten aufgeben. Es stellt sich die Frage, was mit den leerstehenden Immobilien geschehen soll. Kaufhäuser sind mit Blick auf ihre Größe und den Baukörper oftmals nicht geeignet, um Wohnungen zu schaffen. Einige Städte planen daher, in den Räumen kommunale Kultureinrichtungen anzusiedeln oder sie für Künstlerinnen und Künstler zu öffnen. So entsteht in der Innenstadt in Köln in bester Lage eine Dependance der Stadtbibliothek in einem ehemaligen Kaufhaus. Kaum wurde bekannt, dass das Kaufhaus Lafayette seinen Standort in der Berliner Friedrichstraße aufgibt, lancierte Kultursenator Joe Chialo den Vorschlag, die Zentral- und Landesbibliothek dort unterzubringen. Dieser Standort hätte ein Durchbruch mit Blick auf die seit vielen Jahren geführte Diskussion um den Bau eines modernen Standortes für die Zentral- und Landesbibliothek, die aktuell an zwei Standorten aus allen Nähten platzt und dringend sanierungsbedürftig ist, werden und eine Perspektive eröffnen können. Seit Sommer 2024 steht das Lafayette leer, auf eine echte Perspektive mit der Zentral- und Landesbibliotheken hoffen nur noch wenige.
Die Nutzung durch Künstlerinnen und Künstler hört sich auf den ersten Blick zwar charmant an und könnte dem Mangel an geeigneten Ateliers und Proberäumen entgegenwirken. Gleichwohl muss bedacht werden, dass diese Zielgruppe in der Regel über sehr wenig Geld verfügt und daher ortsübliche Innenstadtmieten nicht zahlen kann. Wer A zu einer Um- oder Zwischennutzung durch Künstlerinnen und Künstler sagt, muss gleichzeitig B zur Finanzierung sagen. Alles andere wäre eine unehrliche Augenwischerei.
Vor ähnlichen Fragen wie die Stadtentwicklerinnen und -entwickler stehen die Verantwortlichen in den Kirchen. Angesichts schrumpfender Zahl an Kirchenmitgliedern sind viele Kirchen schlicht und einfach zu groß, um sie für die Gottesdienstbesucher zu heizen und zu unterhalten. Viele Kirchen müssen dringend saniert werden, dies gilt u. a. auch für Kirchen, die in den 1960er Jahren aus Beton gebaut wurden. Mit dem Kirchenmanifest hat eine Gruppe von Interessierten aus Denkmalschutz und Kunstgeschichte einen Diskussionsprozess darüber angestoßen, wie Kirchen als für alle zugängliche Orte geöffnet und neuen Nutzungen zugeführt werden können.
Sanierungsstau
Es herrscht nicht nur ein erheblicher Sanierungsstau, was die Deutsche Bahn, Autobahnen, Brücken oder Schulen betrifft, auch bei Kulturbauten ist dieser unübersehbar. Diesen zu beseitigen bedarf beträchtlicher Investitionen der öffentlichen Hand. Bei den anstehenden Sanierungen gilt es, die Expertise der unterschiedlichen Akteure, Nutzer, Technik, Vermittlung, Denkmalschutz usw. einzubeziehen und vor allem in diesem Zusammenhang die Anforderungen an nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften von Gebäude sowie an Barrierefreiheit und den Katastrophenschutz zu berücksichtigen.
Eine sehr große Hürde sind dabei die beträchtlichen Kosten. Aber das Beispiel Elbphilharmonie in Hamburg zeigt deutlich, dass Kulturbauten eben gerade mehr als Zweckbauten sind. Während des Baus war vor allem von der Kostenexplosion die Rede, heute ist sie das Wahrzeichen der Hansestadt und wird geliebt. Denn das ist das Schöne an Kulturbauten: In ihrer ästhetischen Kraft stehen sie nicht selten für verschwenderische Schönheit.