Über Rassismus in Comics lassen sich schwerlich allgemeingültige Aussagen treffen. Dies hängt mit der starken Verbreitung und der Vielzahl der Genres, die sich in der Comic-Geschichte herausgebildet haben, zusammen. An populären Beispielen können jedoch die Problemfelder identifiziert werden. Als eine der bekanntesten europäischen Comics ist die Albenserie »Asterix« anzusehen. Sie lässt sich geradezu über eine Vielzahl von Stereotypen charakterisieren: Geschlechterstereotype, nationale und ethnische Stereotype. Über rassistische und antisemitische Stereotype in dem Erfolgs-Comic gibt es bereits verschiedene Untersuchungen. Die Kontroverse gilt der Frage, bis zu welchem Grad hier reproduzierte Stereotype affirmiert oder in Form einer Parodie infrage gestellt werden können.

Laut Roland Barthes haben Stereotype eine doppelte Funktion: Sie legitimieren gesellschaftliche Machtverhältnisse und ermöglichen zugleich die Lesbarkeit von Bildern und Texten. Die Stereotype stellen gleichsam eine Verdichtung von Fremd- oder Selbstbildern, häufig auch in einer Verknüpfung beider Perspektiven, zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe dar. Mehr noch als in textlichen Medien steuern bildlich vermittelte Stereotype die Wahrnehmung, da sie eine Ähnlichkeitsbeziehung zu dem abgebildeten Gegenstand vorgeben. Eine kritische Analyse von Stereotypen im Comic befasst sich mit ihrer Identifizierung, ihrer Produktion und Reproduktion und der Bestimmung ihrer Funktion im jeweiligen Kontext.

Die Comic-Serie »Asterix« von Albert Uderzo und René Goscinny, deren Autorschaft nach Goscinnys Tod 1977 der Zeichner Uderzo zunächst allein übernahm und die inzwischen von anderen gestaltet wird, lässt sich beispielsweise in das Genre des Semi-Funny einordnen. Die anspielungsreiche und voraussetzungsvolle Gestaltung der Figuren und Szenarios trägt zur Entfaltung einer transhistorischen Struktur bei, in der Geschichte und Gegenwart gleichermaßen Bezugspunkte bilden. Die zahlreichen Übertragungen des Comics in andere Sprachen und die große zeitliche Distanz zu den Erstausgaben der einzelnen Alben erschweren ein umfassendes Verständnis des Comics, was letztlich zu einer verflachten und entpolitisierten Rezeption beiträgt, zugleich auch zu einer Verjüngung der Leserschaft. Kontroversen zwischen Comic-Forscherinnen und -Forschern rankten sich bereits in den 1970er Jahren um die politische Nähe zum Gaullismus und das gesellschaftskritische Potenzial der Alben. In Bezug auf Letzteres wirft in der Tat die Figurendarstellung einige Fragen auf. Es wimmelt hier nicht nur von Klischees aus der Welt der Nationalstaaten, bestechlichen Ägyptern, schlechtes Essen bei »den Briten«, Vetternwirtschaft »der Griechen« und Klappmesser tragenden Korsen. In der Rezeption, unter anderem von André Stoll, wird jedoch von der Überzeichnung dieser Stereotype die Form der Parodie abgeleitet.

Kann es sich bei den Stereotypen eines kolonialen Rassismus tatsächlich um eine Parodie handeln? Eine in den Alben sehr häufig dargestellte Figur ist der schwarze Pirat Baba, der das »r« nicht aussprechen kann, eine Anspielung auf das Kreolische. Er ist gemäß dem Stereotyp des kolonialen Rassismus mit wulstigen Lippen gezeichnet. Die Piraten könnten als Gegner Roms ebenso Verbündete der Gallier sein. Letztere versenken jedoch bei jeder Begegnung ihr Schiff, sodass sie arbeiten müssen, um sich ein neues zu verdienen. Im Album »Le Domaine des Dieux«, zu Deutsch »Die Trabantenstadt«, ist eine Reihe von Sklaven unterschiedlicher Herkunft dargestellt. Hier wird insbesondere der – nicht minder rassistisch gezeichnete – numidische Sklave Duplikatha zum Wortführer in einem von Asterix angestachelten Arbeitskampf und kann somit seine Sprachlosigkeit überwinden. Dabei werden die Sklaven jedoch nur scheinbar zu politischen Akteuren, die sich etwas erkämpfen. Die Kraft zu ihrer neuen Macht hatte ihnen der Zaubertrank der Gallier gegeben. Letztlich mündet die Darstellung auch dieser Figuren in der Festigung einer Hierarchie der Zugehörigkeiten und Zuschreibungen.

Mit der Serie »Asterix« ist jedoch lediglich ein Genre aus der Comic-Kultur angesprochen. Der hier erzeugte Witz geht mit dem Rückgriff auf rassistische Stereotype auf Kosten der Gruppen, auf die jeweils angespielt wird, im angeführten Beispiel der Kolonisierten und Versklavten. Insbesondere in vielen klassischen Comics aus diesem und benachbarten Genres, die sich vorrangig an Kinder und Jugendliche richten, können wir sehr ähnliche Muster erkennen. Im Genre der Graphic Novel finden sich jedoch zahlreiche Beispiele, die mit einer rassistischen Bildsprache brechen und zunehmend Themen mit antirassistischer Ausrichtung aufgreifen. Ein interessantes deutschsprachiges Beispiel stellt »Der Traum von Olympia« von Reinhard Kleist dar, die Geschichte der somalischen Sprinterin Samia Yusuf Omar, die auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrank. Es handelt sich hier um ein ernstes Genre, in dem mit großer Behutsamkeit angemessene Darstellungsweisen entwickelt werden.

Die Entwicklung einer gänzlich anderen Bildsprache auch für die Comics aus dem »witzigen« oder »halbwitzigen« Genre ist wünschenswert. Selbstverständlich gibt es auch Verbotsdiskussionen und Klagen, wie in den 2010er Jahren in Belgien zu »Tim und Struppi im Kongo« von Hergé, oder Titel, die aus dem Programm herausgenommen werden, wie aktuell in der Walt Disney Company erwogen. Da derartige Maßnahmen jedoch nie auf den Mainstream, sondern lediglich auf einzelne Alben oder Serien zielen, sind sie aus meiner Sicht hilflos. Die Hebel, nach denen gegriffen werden müsste, sind auf der Seite der Produktion neuer Formen und auf der Seite der Rezeption in Form einer kritischen Lektüre zu finden.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2023.