Wasser ist essenziell für menschliches Leben und Überleben, aber auch für die sozioökonomische Entwicklung sowie die politische Stabilität von Städten, Regionen und ganzen Ländern. Gleichzeitig ist die Kontrolle über Wasser oftmals auch mit politischem Einfluss oder Macht verbunden. Somit wird Wasser oft zum Politikum – und wird es in Zukunft wohl noch häufiger werden.
Im öffentlichen Diskurs steht dabei meistens das Konfliktpotenzial von Wasser im Vordergrund. Insbesondere seit den 1990er Jahren – im Kontext der nicht traditionellen Sicherheitsdebatte – und nochmals mehr seit den 2010er Jahren – im Rahmen des Klimasicherheitsdiskurses – warnen Politiker sowie Medien immer wieder vor Kriegen um Wasser. Und zahlreiche Beispiele scheinen dies zu bestätigen: Vielerorts im Sahel gibt es immer wieder gewaltsame Zusammenstöße zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern, die um knappe Wasserressourcen konkurrieren. Im Iran sprengen Landwirte Rohrleitungen, die Wasser aus den ohnehin von Trockenheit bedrohten ländlichen Gegenden in die ebenfalls wasserknappen Städte liefern. Und der Staudammbau Äthiopiens am Nil hat den Widerstand Ägyptens ausgelöst, das sich in seiner Wassersicherheit bedroht fühlt und mehrfach verkündete, diese notfalls auch militärisch verteidigen zu wollen.
Gleichzeitig gibt es aber auch – wenngleich deutlich weniger im Rampenlicht stehend – gute Nachrichten: Weltweit überwiegen kooperative Interaktionen zwischen Wassernutzern bei Weitem über Konflikte. Auf zwischenstaatlicher Ebene konnte dies durch umfassende Forschung zahlenmäßig belegt werden. Die meisten Interaktionen zwischen Staaten sind friedlicher und kooperativer Natur, und selbst die auftretenden Konflikte bleiben so gut wie immer gewaltfrei. Auf staatlicher und innerstaatlicher Ebene gibt es dazu deutlich weniger Forschung. Dennoch zeigt sich, dass auch hier die Kooperation überwiegt. Weltweit tun sich Menschen zusammen, um Wasserressourcen gemeinsam in ihrem Dorf, mit anderen Nutzern oder zwischen verschiedenen Sektoren zu managen.
Die Grundlage dieser fast überall friedlichen Nutzung gemeinsamer Wasserressourcen sind Institutionen auf lokaler, nationaler, aber auch internationaler Ebene, die rechtliche und politische Rahmenbedingungen formulieren, auf Basis derer verschiedene Akteure Wasser nutzen können. Deren Funktionsfähigkeit ist essenziell für die Wahrung lokaler Kooperation um Wasser – gleichzeitig sind sie inbesondere in fragilen Staaten oder konfliktträchtigen Regionen bedroht.
Auf lokaler Ebene sind dies oftmals kommunale – in vielen Weltregionen aber auch informelle – Institutionen, die Wasser managen oder verteilen, etwa Bewässerungskomitees oder Verhandlungsplattformen für Viehhirten und Ackerbauern. Im Tschad und im Niger beispielsweise haben terroristische und illegitime Gruppen Regierungsinstitutionen weitgehend aus der lokalen Regierung verdrängt und managen nun auch die Wasserressourcen. Ähnlich verhielt es sich mit den Taliban in Afghanistan, die in den von ihr kontrollierten Gebieten eigene lokale Wassermanagementorganisationen aufbaute, die zumeist nicht die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung, sondern den Opiumanbau zum vorrangigen Ziel der Wasserwirtschaft machten.
Auf nationaler Ebene spielen funktionierende Gesetze und deren Umsetzung sowie die Effektivität verschiedener Regierungsinstitutionen – und insbesondere auch die Zusammenarbeit zwischen ihnen – eine entscheidende Rolle. Im Iran beispielsweise kann sich der Wassersektor – aus dem Energieministerium heraus gemanagt – bislang nicht gegen die Übermacht des Landwirtschaftsministeriums durchsetzen, sodass es trotz sich ständig verschärfender Wasserknappheit mit katastrophalen ökologischen und wirtschaftlichen Folgen noch kaum zu Einsparungen bei der Wasserentnahme kommt. Und auf internationaler Ebene sind es mehr als 800 internationale Abkommen und mehr als 120 Flussgebietskommissionen, durch die sich Staaten vielfach auf völkerrechtlich verbindliche Weise verpflichtet haben, ihre gemeinsamen Wasserressourcen so zu bewirtschaften, dass negative Folgen für andere Anrainerstaaten vermieden oder begrenzt werden.
Aktuelle Herausforderungen können das inhärente Konfliktpotenzial von Wasser jedoch verstärken: Eine wachsende Bevölkerung in vielen Teilen der Welt benötigt nicht nur mehr Wasser, sondern auch Nahrungsmittel und Energie. Bereits heute ist die Landwirtschaft weltweit der größte Wasserverbraucher – mit durchschnittlich über 70 Prozent des Gesamtwasserverbrauchs, in ariden und semiariden Regionen sogar über 90 Prozent. Und der Bau von Staudämmen für die Produktion von Wasserkraft hat oftmals umfassende negative Folgen für die lokalen Bevölkerungen und Ökosysteme, wie beispielsweise die anhaltende Debatte um die ökologischen Folgen der Staudämme am Mekong zeigt.
Die zunehmende (Über-)Nutzung von Wasserressourcen zur Herstellung dieser schädigt Ökosysteme und wirkt sich oftmals katastrophal auf die Biodiversität aus. Nicht umsonst ist der Biodiversitätsverlust in den letzten Jahrzehnten in Süßwasserökosystemen so hoch wie in keiner anderen Habitatart. Damit verlieren künftige Generationen wichtige Quellen von Ökosystemdienstleistungen.
Und der Klimawandel steigert nicht nur die Variabilität in der Wasserverfügbarkeit und verstärkt den Druck, Staudämme zu bauen, um grüne Energie zu generieren und sich an größere Wasservariabilität anzupassen, sondern stellt auch bereits bestehende Kooperationsarrangements infrage. Beispielsweise der Helmand-Vertrag zwischen Afghanistan und Iran, der Wasser zwischen beiden Ländern aufteilt, ist heute schon weitgehend hinfällig, da der Helmand-Fluss zumeist weniger Wasser führt, als der Vereinbarung ursprünglich zugrunde lag.
Hinzu kommt, dass Interaktionen zu Wasser – gerade auch zwischenstaatlicher Natur – in einen größeren geopolitischen Kontext eingebettet sind. Globale Trends wie eine Abkehr von multilateralen Institutionen und eine Rückkehr zum Unilateralismus, in Kombination mit Fake News und der Infragestellung wissenschaftlicher Fakten, erschweren auch denjenigen die Arbeit, die sich auf eher technischer und wenig politisierter Ebene für kooperatives Wassermanagement einsetzen.
Es kann daher davon ausgegangen werden, dass das Konfliktpotenzial um Wasserressourcen – zwischen einzelnen Gruppen, innerhalb, aber auch zwischen Staaten – zunehmen wird. Dass Wasser ein Politikum ist und wohl noch stärker wird, wird sich wohl kaum vermeiden lassen. Ob dies aber tatsächlich zu verstärkten Konflikten mit all ihren negativen humanitären, sozioökonomischen und politischen Konsequenzen führen wird oder aber neue Wege der Kooperation zwischen Menschen, Gemeinschaften und Ländern eröffnet, wird davon abhängen, ob und wie es politischen Akteuren – aber auch der Gesellschaft insgesamt – gelingt, funktionsfähige Institutionen zu schaffen und zu erhalten, die Konflikte entschärfen und Kooperation fördern – auch und gerade unter sich intensivierenden Rahmenbedingungen.