Internationales Comicfestival Angoulême in Frankreich, Ende Januar: In der Zelthalle »Nouveau Monde«, stehen die Fans vor einem Stand Schlange. Sie möchten bei Aisha Franz, Jens Harder, Anna Haifisch und vielen anderen deutschsprachigen Comic-Künstlerinnen und -Künstlern eine »dédicace«, eine Signatur in Form einer Originalzeichnung, ergattern. Der »Comicstand«, eine Kooperation des Deutschen Comicvereins, dem Comic-Salon Erlangen und dem Goethe-Institut Paris, ist seit fast zehn Jahren Teil des Festivals. Die seit Jahren wachsende Quantität und Qualität deutschsprachiger Comics auf der internationalen Bühne hat das Bild gewandelt: Nicht nur Deutschlernende oder -lehrende schauen nun am Stand vorbei, sondern auch das internationale Comic-Fachpublikum, Festivalteams oder Comicschaffende aus aller Welt. Der Blick von außen auf die eigene Szene in Deutschland zeigt, wie dynamisch und vielfältig sich die Comic-Welt entwickelt hat: Auch in Deutschland entstehen Kinder-Comics und Manga, Superhelden-Parodien oder Sach-Comics. Punktuell förderten und fördern Institutionen wie der Comic-Salon Erlangen als größtes deutschsprachiges Festival seit Jahrzehnten die Szene. Für deutschlandweit mehr strukturelle Unterstützung warb vor knapp zehn Jahren das »Comicmanifest«: »Wir fordern, dass der Comic dieselbe Anerkennung erfährt wie die Literatur und bildende Kunst und entsprechend gefördert wird. Der Comic ist – wie alle anderen Künste – auf staatliche und private Unterstützung angewiesen.« Auch wenn diese Augenhöhe noch längst nicht erreicht ist, wurden seitdem einige bemerkenswerte Maßnahmen zur Unterstützung des Comics umgesetzt.

Comic-Stipendien – eine Frage der Gleichbehandlung

Die Comic-Förderung der Berliner Senatsverwaltung vergibt seit 2017 jährlich mehrere Stipendien von bis zu 24.000 Euro. Die Zahl der Bewerbungen steigt, und die in Berlin lebenden Comic-Stars Aisha Franz und Jens Harder waren dieses Jahr auf dem Festival in Angoulême für den Hauptpreis nominiert. Der seit 2014 vergebene Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung ist aktuell mit 25.000 Euro dotiert und hat bereits vielen Comic-Werken die Veröffentlichung ermöglicht. Das möge Schule machen: Noch immer übersehen viele Einrichtungen das zwischen den (Förder-)Stühlen der Kunst und Literatur eingeklemmte Medium Comic, eine Öffnung bestehender Ausschreibungen für den Comic wäre ein Gewinn für alle Beteiligte. Comic-Zeichnen ist ein langwieriges und in der Regel unterbezahltes Geschäft, manche Langformate, auf neudeutsch »Graphic Novels« benötigen mehrere Jahre bis zur Fertigstellung.

Erkannt hat dieses Defizit auch der Bund. Die vom Comicverein gemeinsam mit dem Literarischen Colloquium Berlin organisierte Fachkonferenz »Comicexpansion. Perspektiven der Comickultur in Deutschland« im Mai 2022 wurde von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth gefördert. An zwei Tagen diskutierten die Teilnehmenden die Gegenwart und Zukunft des Comics im Land. Einige der auf der Konferenz formulierten Forderungen – wie z. B. bislang fehlende nationale Comic-Stipendien – sind bereits im Prozess der Umsetzung. Eine Fortsetzung der Comicexpansion ist für 2024 in der Stadtbibliothek Bochum geplant, mit dem Schwerpunktthema Manga.

Und der Comic-Markt? Der Trend heißt Manga

Die asiatische Variante der seriellen Kunst hat sich in den letzten Jahren zur erfolgreichsten Sparte im Land gemausert. Mit Wachstumsraten im Umsatz von 75 Prozent allein 2021 trägt vor allem der Manga dazu bei, den Gesamtumsatz des deutschen Comic-Marktes im Jahr 2022 auf 260 Millionen Euro zu erhöhen, so buchreport.de. Veranstaltungen wie die Manga-Comic-Con der Leipziger Buchmesse geben dem von Jugendlichen getragenen Manga-Trend eine große Bühne.

Stichwort junges Publikum: Wenn es um Wissensvermittlung geht, schwindet die Skepsis gegenüber Comics im Bildungsbereich immer mehr. Selbst Gedenkstätten entdecken Comics als Möglichkeit, junge Menschen zum Lesen schwieriger Themen zu bringen. Bei den »Serious Games«, comicbebilderten Lern-Apps, können sich die Lesenden am Handy komplexe Zusammenhänge wie DDR-Geschichte oder Zwangsarbeit in spielerischer Form selbst erarbeiten. Ebenso haben sich bundesweit viele Bibliotheken schon länger auf das breite Interesse am Comic eingestellt. Die meisten sind sehr gut sowohl im Kinder-, Jugend- als auch Erwachsenenbereich aufgestellt und bieten vielseitige Veranstaltungen zu Comics an.

Bei allen positiven Trends ruhen auch die Herausforderungen nicht: Rasant gestiegene Papierpreise verteuern die Produktion, die wachsende Nutzung Künstlicher Intelligenz beschäftigt Comicschaffende nicht nur wegen bedrohter Urheberrechte. Die weitere Anerkennung des Comics als ein innovatives Element unserer Kultur ist daher Pflicht.

Der Deutsche Comicverein will unter anderem die deutsche Comic-Szene stärker vernetzen, deutsche Comics, Graphic Novels und Manga national und international bekannter machen, die Anerkennung des Comics als eigenständige Kunst- und Kulturform voranbringen und auf lange Sicht ein Comic-Zentrum gründen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2023.