In der Gartenkunst zeigt sich, wie künstlerisches und gesellschaftliches Leben sich aufs innigste durchdringen«, schreibt Marie Luise Gothein in »Geschichte der Gartenkunst« von 1926. Seit der Vertreibung aus dem Garten Eden, als es galt, von nun an das Land selbst zu kultivieren, wurden Gärten angelegt und diese inspirierten zu Taten und Werken. Viele Künstler schufen selbst Gärten – um darin Halt und Inspiration zu finden, dort ihre Werke zu schaffen und in den Gärten zu präsentieren oder in Heckentheatern aufzuführen. Dabei dürfen wir getrost an alle Künste denken: an die bildenden Künstler, an Autoren, Darsteller und Komponisten. Buchstäblich lässt sich in dem traumverlorenen Stück »Les Jeux d’eaux à la Villa d’Este«, zu Deutsch »Die Wasserspiele der Villa d’Este«, hören, welch tiefen Eindruck die perlenden Wasserspiele des Renaissancegartens in Tivoli bei Franz Liszt hinterließen. Gartenkunst ergreift alle Sinne.

»Künstlergärten« können das Werk bewusster ästhetischer und naturräumlicher Gestaltung sein. Ein einfacher Garten wird vielleicht zum Ort künstlerischer Inspiration. Ebenso wie ihre Zeitgenossen suchen und suchten Künstler in eigenen oder fremden Gärten Erholung und Geselligkeit. Beispiel dafür ist ein Landgut in Blankensee, südlich von Berlin. Dort residierte der Erfolgsautor des Theaters der 1920er Jahre, Hermann Sudermann, in seinem Herrenhaus, empfing Gäste, stattete den wasserdurchzogenen idyllischen Landschaftspark mit Objekten seiner Sammlung antiker Skulpturen aus oder lud in den italienischen Garten zu Konzerten und Theaterstücken ein. Diese gastliche Heiterkeit vermittelt der Park im Ort Trebbin noch heute.

Für Bertolt Brecht und Helene Weigel waren Haus und Garten im brandenburgischen Buckow am Scharmützelsee, die heute Erinnerungsstätte an beide Künstler sind, zwar auch ein Ort des Rückzugs, Garten und Landschaft hatten aber starken Einfluss auf Brechts lyrisches Werk. In den Gedichten der Buckower Elegien geben Natur und Garten oft den Anstoß, und sie erscheinen als Naturlyrik, richten sich aber immer auf den Menschen und die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.

Das deutlichste Beispiel für die innige Durchdringung von Künstler und Gartenkultur zeigt sich im klassischen Weimar in Gestalt des Geheimrats Goethe, dessen literarisches Werk ohne seine von ihm selbst gestalteten Gärten am Frauenplan und im Park an der Ilm nicht denkbar ist. Auch er pflegte in den heute musealen Gärten die Geselligkeit, er ließ seine Gäste aber stets teilhaben an seiner tiefen Liebe zur ästhetischen Gestaltung der vorgefundenen Natur, der überlegten Kultivierung des ihm überlassenen Geländes als einem Ort der Besinnung und der Inspiration, die er unmittelbar in Poesie verwandelte. Noch heute macht der Garten dies lebendig. Welchen Einfluss Gedanken der Gartenkunst in Goethes Leben und Wirken einnehmen, zeigt sich auch in seinem Roman »Wahlverwandtschaften«. Die Anlage eines aufwendigen Landschaftsparks bildet hier den Boden der Erzählung und flankiert mit seinem Fortschreiten die Verwandlungen im Vierergespann der Protagonisten.

Solche tiefe Durchdringung von Gartenkultur und Werk gibt es bei der Schriftstellerin Virginia Woolf nicht. Für sie war der Garten im Dörfchen Rodmell am Fuß der South Downs unentbehrlich bei der atmosphärischen Ausgestaltung der Werke, so beispielsweise in ihrem 1941 geschriebenen Roman »Zwischen den Akten«, in dem Virginia Woolf angesichts des schmerzlich empfundenen Untergangs der alten Welt noch einmal Englands Seele Revue passieren lässt. Bereits der morgendliche Gang durch den Garten zu ihrer Schreibklause war für die Autorin »wichtiger Bestandteil des schöpferischen Prozesses« und »Quelle der Inspiration«, schreibt auch Caroline Zoob in »Der Garten der Virginia Woolf«. Der Garten war ihr Kraftquell – besonders in Lebensphasen, die von Depressionen geprägt waren. Heute macht der National Trust den damaligen Treffpunkt der Bloomsbury Group für die Öffentlichkeit zugänglich.

Ein enthusiastischer Gärtner war Hermann Hesse, der an seinen Wohnorten mit großer Kennerschaft Gärten anlegte. Für Hesse waren seine Gärten Balsam für seine unruhige Seele. Inspiration waren sie nicht für die schriftstellerischen Werke, wohl aber für seine zahlreichen Aquarelle, die heute Kalenderblätter zieren.

Künstler des Wortes haben es schwerer, die inspirierende Wirkung des Gartens darzustellen als bildende Künstler. Am deutlichsten wird die Verbindung von Künstlern und Gärten bei der Malerei. Wie leicht kann der Betrachter der Bilder Claude Monets oder Max Liebermanns die Faszination nachvollziehen, mit der die geschaffenen Paradiese das Erleben spiegeln.

Claude Monets Garten in Giverny – heute sogar vermarktet als »immersives 3D-Ausstellungserlebnis« – war das ureigene Werk des Künstlers. Es gab kein fertiges Design, keinen berühmten Landschaftsarchitekten. Monet ging aus von den Bildern in seinem Kopf und schuf danach in seiner zweiten, produktivsten Lebenshälfte einen Garten – ausdrücklich als Inspiration zu Gemälden. Monet kultivierte die Natur nach seinen Vorstellungen, zu denen unbedingt Wasser gehörte. Wir haben die Bilder des Seerosenteiches vor Augen. Der Garten in Giverny ist heute ein gut vermarkteter Publikumsmagnet.

Das gilt auch für Max Liebermanns Garten am Wannsee, einem Mekka der Gartenbegeisterten. Die Bedeutung liegt in der exemplarischen Anlage eines Reformgartens, zu dem immer auch ein Nutzgarten gehörte. In diesem Fall entstand zuerst der Garten – mit tatkräftiger Unterstützung des Freundes Alfred Lichtwarks, des Direktors der Hamburger Kunsthalle. Haus und Garten wurden dann zum Motiv zahlreicher Gemälde mit Blumenrabatten, dem »betrunkenen« Birkenweg, dem Steg am Wannsee.

Auch Emil Nolde legte seinen Garten im schleswig-holsteinischen Seebüll nach eigenen Plänen an – die Wegeführung folgte den Initialen E und A, denen Noldes und seiner Frau Ada. Die üppige Farbenpracht des sommerlichen Gartens hat Nolde zu opulenten Bildern inspiriert und zieht zahlreihe Besucher an.

Das Streben, aus Architektur, Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Garten ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, findet in der Jesteburger Kunststätte Bossard ein sehenswertes Beispiel. Johann Michael Bossard und seine Frau Jutta Bossard-Krull schufen mit expressionistischer Architektur, Park, Skulpturen und Raumkunst eine eigene Welt. In den vielfältigen Gartenanlagen finden heute auch Installationen Raum, wie aktuell im großräumigen Werk des Hamburger Künstlers Daniel Wrede »Der blinde Fleck«.

Gärten sind vergängliche Kunstwerke. Die Kosten ihrer Pflege und die dringende Anpassung an den Klimawandel sind eine große Herausforderung. Sie wäre leichter zu bewältigen, hätte die Gartenkultur in Deutschland noch den Stellenwert, den ihr die Zeitgenossen bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts beimaßen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.