Die Erinnerungskultur für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hat sich spätestens durch die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 grundlegend verändert. So galt »die Truppe« bis dahin als eine in der Gesellschaft verankerte Armee. Mit dem Wandel zur Berufsarmee hat die Bundeswehr an sich den Anspruch gestellt, ein »normaler Arbeitgeber« wie jeder andere zu sein, und wirbt seither auf dem Arbeitsmarkt um junge Menschen für den Dienst an der Waffe.
Damit löste sich die Bundeswehr vorsichtig von tradierten Erinnerungspraktiken, die für einen sich modern gebenden Arbeitgeber nicht länger tragbar sind. Zu erinnern sei hier an das bis in die Mitte der 2000er Jahre stattfindende Gedenken von SS-Veteranen gemeinsam mit Offiziellen der Bundeswehr im bayrischen Mittenwald. Derartige Gedenkrituale, die in Verbindung mit den Verbrechen der deutschen Wehrmacht stehen, waren damals noch möglich, da die Bundeswehr über die zwangsweise Verpflichtung von Wehrpflichtigen weniger auf ihr Image achten musste, als dies heute der Fall ist.
Wir leben in einer stark individualisierten Gesellschaft, Interessen und Prägungen sind derart unterschiedlich, dass der gesellschaftliche Konsens mittlerweile hauptsächlich darin besteht, ein erfüllendes und gesundes Leben zu führen. In dieser Lebensrealität ist es wenig populär geworden, Teil einer Armee zu werden und im schlimmsten Fall in einem Krieg verwundet oder getötet zu werden.
Die völkerrechtswidrigen Kriege der NATO gegen Jugoslawien 1999 und Russlands gegen die Ukraine 2022 haben uns vor Augen geführt, wie schnell ein brutaler Krieg mitten in Europa vom Zaun gebrochen werden kann. Und plötzlich steht neben der Frage nach einem würdigen Gedenken an die zivilen Opfer auch das Gedenken an Soldatinnen und Soldaten im Raum. Jeder Mensch, der aufgrund seines beruflichen Einsatzes für das Gemeinwohl verletzt oder getötet wird, verdient Respekt, Anerkennung und Würdigung in einem angemessenen Rahmen. Die Bundeswehr steht angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks sowie eines erstarkenden Nationalismus vor der Herausforderung, den angestrebten demokratischen Charakter innerhalb der Bundeswehr zu bewahren. Dies bedeutet auch, dass es keine Rückkehr zu alten Erinnerungspraktiken geben darf.
»Gedenkstätten sowie Mahn- und Ehrenmale für die Toten vergangener Kriege«, heißt es im Traditionserlass der Bundeswehr, dienen »der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt«. Diese Vereinheitlichung von Tätern und Opfern zu »Toten« ist äußerst problematisch, da beide Gruppen posthum zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengefasst werden, ohne Ursachen und Folgen kenntlich zu machen. Es kann jedoch nicht sein, dass den Opfern der Konzentrationslager gleichermaßen gedacht wird wie den Soldaten der Waffen-SS und dies am gleichen Ort stattfindet, wie es etwa in der Gräberstätte Lich-Arnsburg in meinem Wahlkreis Gießen der Fall ist. Insofern ist es richtig, dass die Bundeswehr in Abgrenzung zu historischen Ereignissen ihre eigenen Orte der Erinnerung wie den Wald der Erinnerung in Geltow bei Potsdam für sich nutzt.