Wir schreiben diesen Beitrag kurz vor der Eröffnung der Kunstmesse Art Cologne, die nach zweieinhalb Jahren endlich wieder stattfindet – nicht ohne Wermutstropfen, denn die Pandemie hat sich zurückgemeldet. Wir befinden uns in der vierten Welle und inmitten vieler Diskussionen, wie die Kultur ihre angestammten und unverzichtbaren Orte mit Publikum weiterhin bespielen kann.
In Deutschland gibt es ein rundes Dutzend Kunstmessen und alle gründen auf Initiativen von Galeristen. Solche Kulturevents sind als ebenso kommunikative wie wirtschaftliche Plattformen für die Marktakteure genauso wichtig wie für die Künstlerinnen und Künstler. Davon konnte unser Verband die Kulturstaatsministerin und ihre Mitarbeiter überzeugen. Mit dem Effekt, dass sowohl die großen als auch die kleinen Kunstmessen im Herbst 2021 bzw. Frühjahr 2022 einen Zuschuss erhalten, sodass deren Aussteller erheblich weniger Standmieten zahlen müssen. Und die sind in der Regel beträchtlich.
Auch die Überbrückungs- und sonstigen Hilfen, die alle Unternehmen mit schweren Umsatzeinbrüchen beanspruchen konnten, waren hilfreich. Diese Einbrüche gab es im Kunstmarkt vor allem in Galerien, die mit weniger marktstarken oder renommierten Künstlern zusammenarbeiten.
Geholfen wurde dem Kunstmarkt zudem mit einer sehr spezifischen Förderung. Gleich zwei Mal konnten sich ein paar Hundert Galerien für die Finanzierung von Projekten aus dem NEUSTART KULTUR-Programm bewerben. Etliche dieser Ausstellungen laufen derzeit noch. Und es wurden allerhand Publikationen herausgegeben – sehr zur Freude der Künstlerinnen und Künstler, für deren Karriere ein gedruckter Katalog ebenso bedeutend ist wie eine analoge Ausstellung. Denn die Objekte des Kunstmarkts sind Unikate und Originale. Kunstwerke sind deshalb nur bedingt digital rezipierbar oder zu vermitteln – vom aktuellen Hype um NFT einmal abgesehen.
Ohne diese Unterstützung hätten viele Galerien die Coronakrise kaum oder nur mit schweren Blessuren überlebt. Es ist mithin nicht zu den Insolvenzen gekommen, die zu Beginn der Pandemie prognostiziert wurden. Ein »Galeriensterben« – das fand ein paar Jahre zuvor statt, unmittelbar nachdem 2014 die ermäßigte Mehrwertsteuer für die gewerbliche Kunstvermarktung abgeschafft worden war.
Monika Grütters hat auch an dieser Stelle einen Lichtblick hinterlassen, als sie im Mai dieses Jahres das Thema auf einer Kultusministerkonferenz in Brüssel aufs Tapet brachte und erklärte, dass es »der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie Flügel verleihen würde, wenn für den gewerblichen Kunsthandel im europäischen Recht ermäßigte Mehrwertsteuersätze gelten würden«.
An diese Initiative muss ihr(e) Nachfolger(in) anknüpfen. Potenzielle Aspiranten auf das Amt des Bundeskulturbeauftragten wissen um unser primäres Anliegen genau Bescheid: Wir wollen die ermäßigte Mehrwertsteuer wieder zurück. Auch die Künstler und ihre Verbände stehen hier solidarisch zu den Galerien.
Die neue Bundesregierung wird sich verstärkt mit den klassischen und den neueren Sparten der Kultur- und Kreativwirtschaft befassen müssen. Dafür wird unsere neue »Koalition für Kultur- und Kreativwirtschaft (k3d)« sorgen: Die Zeit ist absolut reif für ein Empowerment der Kulturwirtschaft.
Der Akzent liegt auf »Wirtschaft«. Denn professionelle Unternehmen – Verlage, Galerien, Labels, Agenturen, Veranstalter – ermöglichen Kultur auf eigenes wirtschaftliches Risiko. Ihre Akteure sind leidenschaftsgetriebene Macher, die innovative Formate und neue Talente entdecken, viel investieren (nicht nur Geld!), den Künstlern durch den Markt Aufmerksamkeit und eine Existenzgrundlage verschaffen. Genau das wird von den Kunstproduzierenden, die in der Regel selbst nicht über die notwendigen organisatorischen Strukturen und Netzwerke verfügen, auch erwartet.
Kulturunternehmer brauchen gute wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen, die agiles Arbeiten ermöglichen. Sie brauchen nicht permanent neue Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und neue Abgaben, die ihren Betrieb völlig überregulieren, verrechtlichen und zum Erlahmen bringen. Das ist ein Riesenproblem für die mittleren und vielen kleinen Unternehmen, von denen die Kulturwirtschaft geprägt ist: Ihre Zeit verheddert sich in Bürokratie. Der Kunstmarkt ist diesbezüglich besonders leidgeprüft.
Weder die Kultur- noch die Wirtschaftspolitik hat bislang ermessen oder gewürdigt, welch hohes Potenzial in der Kulturwirtschaft steckt: als Standortfaktor und Synergienspreader, als Innovationstreiber und internationales Aushängeschild, als Arbeitsmarkt und – heute wichtiger denn je – für die soziale Befriedung der Gesellschaft.
Das alles sind triftige Gründe, warum wir künftig mehr Austausch, Kommunikation und Offenheit von den Entscheidern in der Politik erwarten. Angela Merkel hat im April dieses Jahres gezeigt, wie Kulturdialog geht: einfach die Producer und ihre Vermarkter mal am Bildschirm zusammentrommeln. Zuhören und nachfragen. Sich ernsthaft dafür interessieren, wie der Kulturbetrieb in seiner fabelhaften Vielfalt eigentlich funktioniert.
Die Zeit ist auch reif, an die Konsumenten zu denken. Also an alle, die ins Kino gehen, Bücher lesen, Kunst kaufen, Konzerte besuchen und damit ihre Wertschätzung für Kultur zum Ausdruck bringen. Analog zu den haushaltsnahen Dienstleistungen schlagen wir deshalb die Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit individueller Kulturausgaben mit einer Deckelung von 20.000 Euro vor. Ein solcher Anreiz wäre enorm hilfreich für die künstlerischen Produzenten, für die Kulturunternehmen und die öffentlichen Institutionen.