Die größte Herausforderung in der Erinnerungspolitik mit Blick auf die Bundeswehr bleibt die Öffnung hin zur Gesellschaft. Krieg und Frieden sind für viele Menschen belastende Themen. Die Erinnerung an die Leistung der Soldatinnen und Soldaten im täglichen Dienst und in Einsätzen vermischt sich zu schnell mit politischen Bewertungen der Einsätze und der Bundeswehr. Soldatinnen und Soldaten haben zu Recht den Anspruch, als das wahrgenommen zu werden, was sie sind: diejenigen, die im Äußersten unter Einsatz ihres Lebens Deutschland und die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen.
Annäherung und damit eine gemeinsame Erinnerungskultur braucht Orte. Orte wie den Wald der Erinnerung der Bundeswehr in Potsdam-Schwielowsee. Ein Ort des stillen Gedenkens, der Trauer und der Erinnerung an die im Einsatz gefallenen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Sofort spürt man die überwältigende Wucht des Dienstes, den die Soldatinnen und Soldaten für Deutschland leisten, und die Risiken, die sie bereit sind, in Kauf zu nehmen. Solche Erinnerungsorte, ermöglichen das Gedenken für Einsatzopfer und machen die Gefahren der Einsätze sichtbar.
Gedenken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Anlässe wie die Invictus Games im September 2023 in meiner Heimatstadt Düsseldorf tragen dazu bei, dass verwundeten Soldatinnen und Soldaten mit mehr Verständnis und Respekt begegnet wird. Auch ein Tag für die Einsatzveteraninnen und -veteranen der Bundeswehr kann zu dieser Aufgabe beitragen. Er sollte allerdings Teil eines breiter verstandenen gesellschaftlichen Konzepts für Anerkennung und Fürsorge sein, das die Bedürfnisse der Soldatinnen und Soldaten, der Gefallenen, Verwundeten und Traumatisierten und ihrer Angehörigen in den Mittelpunkt stellt. Angesichts der unterschiedlichen Erfahrungswelten von Einsatz und Heimatgesellschaft sind Dialog auf Augenhöhe und eine begreifbare Integration in die Gesellschaft nötig.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. In die Einsätze, in denen die Soldatinnen und Soldaten fielen, hat der Deutsche Bundestag sie entsendet. Diese Verantwortung verpflichtet uns als Abgeordnete und die Gesellschaft, die wir vertreten, zu einer würdigen Erinnerungskultur, die dem Dienst der Soldatinnen und Soldaten Anerkennung und Bedeutung leistet.
Erinnern bedeutet auch ein werteorientiertes Selbstverständnis der Bundeswehr als demokratische Armee und eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die die Wertebasis der Bundeswehr stärken und garantieren. Die Bundeswehr muss ein positiver, traditionsstiftender Bezugspunkt sein. Dazu braucht es funktionierende Dialogprozesse zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Dieser Austausch ermöglicht Verständnis und Anerkennung für den Dienst, die Leistungen und den Preis der Soldatinnen und Soldaten und einen angemessenen Platz in der Mitte unserer Republik. Er macht die Bundeswehr als verfassungstreue, demokratiefeste Parlamentsarmee von Staatsbürgerinnen und -bürgern in Uniform zu einem Abbild, Ausdruck und Garanten unserer offenen Gesellschaft.
Die Autorin hat den Artikel mit der inklusiven Form »Soldat:innen« eingebracht. Gemäß den Einheitsregeln von Politik & Kultur wurde dies in »Soldatinnen und Soldaten« geändert