Comic-Künstlerinnen und -Künstler aus 14 afrikanischen Ländern haben sich beim Regionalprojekt des Goethe-Instituts in Workshops getroffen, gemeinsame Perspektiven entdeckt und neue (Comic-)Welten entworfen. Heike Friesel berichtet über »Africomics«.

Theresa Brüheim: »Africomics«, was ist das? Welche Idee steckt hinter dem Projekt? Wie hat es sich entwickelt?

Heike Friesel: »Africomics« ist ein sogenanntes Regionalprojekt. Das heißt, aus der gesamten Region Subsahara-Afrika haben sich 15 Länder beteiligt. Wie der Name nahelegt, geht es um afrikanische Comics. Wir sind in der Coronapandemie mit dem Projekt gestartet und mussten es entsprechend anpassen: Wir haben mit der Webseite goethe.de/africomics begonnen, auf der anfangs Comic-Künstlerinnen und -Liebhaber aus verschiedenen Ländern Kurzvideos zu Comics veröffentlicht haben. Ende 2021 konnten wir dann mit den ursprünglich angedachten Workshops beginnen. Diese wurden immer durch eine Doppelspitze geleitet. Sie bestand aus einer Person aus dem Gastland und einer aus Deutschland – das waren im Wechsel die drei deutschen Comic-Künstlerinnen und -Künstler: Birgit Weyhe, Mikael Ross und Sebastian Lörscher. Die Workshops fanden unter anderem im Kongo, in Kamerun, Angola, Namibia, Togo, Ghana, Senegal, Burkina Faso und Côte d’Ivoire statt. Thema war: »Was wäre wenn? Stell dir deine schönste Welt vor«. Das wurde ganz unterschiedlich interpretiert.

Im Anschluss wurde aus jedem Workshop eine Person ausgewählt, die dann im Sommer 2022 an einem länderübergreifenden Workshop teilnehmen konnte. An diesem waren 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 15 verschiedenen Ländern beteiligt. Unser erstes Ziel war es, Vernetzung unter den Comic-Künstlerinnen und -Künstlern zu erreichen. Denn diese gehören nie richtig dazu, sie werden häufig weder als Künstlerinnen noch als Illustratoren wirklich anerkannt. Thema dieses internationalen Workshops war: »Decolonize!« Dazu gab es viele Geschichten, Fragestellungen und Ansätze: Was bedeutet Kolonisierung? Wie wurde die Geschichte der Sklaverei und des Sklavenhandels aufgearbeitet? Es wurde sich intensiv mit der eigenen vorkolonialen Kultur auseinandergesetzt. Dabei hat sich ein großer Stolz auf die eigene Kultur gezeigt, die vor allem von Natur und Mystik geprägt ist. Insgesamt haben 14 Personen ihren Comic beendet. Es sind ganz tolle und sehr unterschiedliche Sachen entstanden. Diese erscheinen bald in Buchform in drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Französisch. Es wurden auch Ausstellungen zur Verteilung in den Gastländern produziert, die bereits in Ghana gedruckt wurden und gerade ausgeliefert werden. Die Künstlerinnen und Künstler werden natürlich honoriert und erhalten einen Vorschuss auf das Buch, was in vielen afrikanischen Ländern eher unüblich ist. Wir hoffen, dass das Buch im Sommer erscheinen wird.

Inwieweit kann man von einer afrikanischen Comic-Szene sprechen? Welche Länder sind beim Thema Comics besonders gut aufgestellt?

Grundsätzlich kann man sagen, dass die ehemals von Frankreich kolonisierten Länder eine stärker ausgeprägte Comic-Szene haben. Das kommt natürlich daher, dass Frankreich und auch Belgien zu den wichtigsten Comic-Ländern in Europa zählen. Ansonsten muss man leider sagen, dass die Comic-Szene in Afrika eher wenig ausgeprägt ist. Es gibt aber einige ganz, ganz tolle Künstlerinnen und Künstler, die wir im Rahmen von »Africomics« zum Teil auch entdeckt haben.

Welche Themen prägen Comics in den an »Africomics« beteiligten Ländern?

Mehrheitlich sind es Superhelden-Comics oder auch Illustrationen im Bildungsbereich. Der Comic, wie wir ihn aus Deutschland und Europa kennen, unter anderem Dystopien in Comic-Form, ist eher weniger verbreitet. Superheldinnen und -helden sind dominierend. Es gibt aber auch Alltagsgeschichten aus den Slums und Armenvierteln und ebenfalls Comics, die sich mit der traditionellen, vorkolonialen Kultur beschäftigen.

Welches Ziel steht hinter »Africomics«?

Wir haben zwei Ziele verfolgt: Zum einen ist es uns wichtig, die innerafrikanische Vernetzung zu fördern. Die findet sonst sehr wenig statt, denn es gibt dafür keine Institutionen. Und gerade Comic ist eine randständige Kunstform. Jedoch haben wir gesehen, dass die Comic-Künstlerinnen und -Künstler ähnliche Fragen, vor allem der Identität, und gemeinsamen Realitäten beschäftigen. Auch der technische Austausch zum Zeichnen war sehr wichtig. Wir haben die Hoffnung, dass durch das Projekt bleibende Strukturen für die Vernetzung und den Austausch in der Comic-Szene entstehen.

Zum anderen ist die Publikation der Comics als Buch auch in deutscher Sprache von Bedeutung, um Comics made in Africa mehr Aufmerksamkeit auch im deutschsprachigen Raum zuteil werden zu lassen. Es sind so viele auch künstlerisch beeindruckende Comics dabei, sodass ich mich schon sehr auf die Veröffentlichung freue.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2023.